2.1 Personenmehrheit: mehrere Menschen mit Überwachungsaufgabe

Grundsätzlich ist es möglich, die Überwachungsaufgabe einer Mehrzahl von Personen zuzuweisen. Dies kann sich aus der fachlichen Eignung und Expertise[1] ergeben oder aus wesentlichen Unterschieden in den Geschäftsabläufen auch innerhalb eines Unternehmens. Ziel der Entscheidung der Geschäftsleitung muss es in jedem Fall sein, die fachliche Eignung und organisatorischen Voraussetzungen einerseits und die Abdeckung der risikoerheblichen Geschäftsabläufe andererseits für die Überwachung sicherzustellen.

Entscheidet sich die Geschäftsleitung für die Zuweisung der Überwachungsaufgabe an eine Personenmehrheit, kommt es in besonderem Maße auf die genaue Beschreibung der Aufgabe und auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten sowie die Festlegung von Mitwirkungspflichten an.

[1] s. Abschn. 3.1.

2.2 Eigene Verantwortlichkeit

Aus anderen gesetzlichen Anforderungen für die Rolle eines Beauftragten ist die Zuweisung der Aufgaben in "eigener Verantwortung" bekannt. Diese eigene Verantwortung kann jedoch unterschiedlich ausgestaltet sein. Zum einen kann damit die grundsätzliche Weisungsfreiheit in der Wahrnehmung der Beauftragtenrolle gemeint sein. Zum anderen oder zusätzlich kann hierin auch das Durchgriffsrecht und, damit verbunden, die Pflicht zum Handeln, etwa zum Beheben von Missständen oder präventiver Änderung von Geschäftsabläufen, liegen.

Während die Weisungsfreiheit nach allgemeiner Auffassung auch der Rolle des/der Menschenrechtsbeauftragten zukommen sollte, um die fachliche Unabhängigkeit für eine effektive Überwachung zu gewährleisten, gibt es bei der Frage nach Durchgriffsrecht und -pflicht unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Da das Gesetz hier keine näheren Vorgaben macht, ist allein maßgeblich, was in der jeweiligen Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens als effektiv angesehen wird, um die wirksame Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten (fortlaufend) sicherzustellen, wenn im Rahmen der Überwachung ein Handlungs- oder Anpassungsbedarf festgestellt wird. Grundsätzlich kann dies auch durch eine (arbeitsrechtlich wirksame) Verpflichtung aller verantwortlichen Entscheidungsträger im Unternehmen zur Umsetzung der Empfehlungen der/des Menschenrechtsbeauftragten aus der Überwachungstätigkeit sichergestellt werden. Dann bedarf es keines eigenen Durchgriffsrechts der Überwachungsperson(en).

Wird hingegen ein Recht und eine Pflicht zum Durchgriff von der Geschäftsleitung als erforderlich erachtet bzw. die Rolle der/des Menschenrechtsbeauftragten ausdrücklich "in eigener Verantwortung" zugewiesen, steht eine persönliche Bußgeldhaftung der Person nach § 9 OWiG im Raum. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG haften Menschenrechtsbeauftragte im Rahmen der Haftung des Betriebsinhabers, wenn sie "ausdrücklich beauftragt (sind), in eigener Verantwortung Aufgaben zu übernehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen". Dies setzt also voraus, dass eine entsprechende Beauftragung erfolgt ist.[1] Ferner muss die/der Menschenrechtsbeauftragte im Rahmen des Auftrags gehandelt haben. Das Handeln kann insbesondere auch in einem Unterlassen der pflichtgemäßen Ausübung der betreffenden Sorgfaltspflicht liegen. Als Anhaltspunkt für die Zuweisung und Abgrenzung einzelner Sorgfaltspflichten "in eigener Verantwortung" kann der Katalog des § 24 Abs. 1 LkSG herangezogen werden. Wird diese Herangehensweise gewählt, sollte die Person des Menschenrechtsbeauftragten auch mit entsprechendem Versicherungsschutz ausgestattet werden.

[1] s. Abschn. 4.5.

2.3 Umsetzungszuständigkeit

In anderem Gewand stellt sich die Frage des Durchgriffsrechts, wenn die Überwachungszuständigkeit mit der Zuständigkeit für die Umsetzung des Risikomanagements kombiniert werden soll. Das ist etwa der Fall, wenn die Leitung der Einkaufsabteilung, die operativ für die Risikobewertung und Umsetzung von Präventiv- und Abhilfemaßnahmen in der Lieferkette des Unternehmens zuständig ist, auch die diesbezügliche Überwachung übernehmen soll. Damit stünden unmittelbar die erforderlichen Durchgriffsrechte zumindest in der betreffenden Organisationslinie zur Verfügung, um ein wirksames Risikomanagement sicherzustellen. Auch von einer hinreichenden Kenntnis der Abläufe und Sachfragen dürfte regelmäßig auszugehen sein. Demgegenüber steht die Befürchtung, dass die Überwachungsperson durch die eigene Verantwortung für die Umsetzung nicht objektiv und unabhängig handeln kann, mithin einem Interessenkonflikt unterliegen könnte. Inwieweit dies die Wirksamkeit der Überwachung insgesamt infrage stellt, ist jedoch von der Einbettung der Rolle der/des Menschenrechtsbeauftragten in die Aufbau- und Ablauforganisation bis hin zur Geschäftsleitung abhängig.

2.4 Berichtspflicht

Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 LkSG hat sich die Geschäftsleitung regelmäßig über die Arbeit der zuständigen Person(en) zu informieren. Diese "Holschuld" gilt unabhängig davon, ob ein/e Menschenrechtsbeauftragte/r ernannt wurde und bezieht sich auf die für die Wahrnehmung der einzelnen Sorgfaltspflichten jeweils zuständige Person. Sofern und solange die Rolle der/des Menschenrechtsbeauftragten besetzt ist, kann die Inform...

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