6.1 Interner oder externer Mechanismus

Unternehmen können ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten[1] oder sich an einem externen Beschwerdeverfahren beteiligen[2]. Beide Arten von Verfahren müssen den gleichen Anforderungen gerecht werden.

Externes Beschwerdeverfahren meint zunächst die Beteiligung an Brancheninitiativen oder "Multi-Stakeholder-Initiativen".[3] Dabei schließen sich mehrere Unternehmen oder auch Unternehmen und andere Organisationen wie Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften usw. zusammen und bieten gemeinsam ein Beschwerdeverfahren an. Darüber hinaus ergreifen Brancheninitiativen oder "Multi-Stakeholder-Initiativen" häufig noch andere Maßnahmen, um die Einhaltung bestimmter Standards im Bereich Menschen- und Arbeitsrechte zu gewährleisten. Derartige Initiativen gibt es in fast allen Branchen.[4] Beispiele sind die Fair Wear Foundation[5] im Textilbereich, Drive Sustainability[6] im Automobilsektor oder die Pharmaceutical Supply Chain Initiative.[7]

 
Praxis-Tipp

Anschluss an Brancheninitiativen oder "Multi-Stakeholder-Initiativen" ist empfehlenswert

In vielen Fällen ist es die effektivste Möglichkeit zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, sich einem derartigen Mechanismus anzuschließen.[8] Mehrere Unternehmen können ihre Kräfte bündeln und bspw. Personen beschäftigen, die mit den örtlichen Verhältnissen vertraut sind, die lokale Sprache sprechen und Beschwerden direkt nachgehen.

Schließt ein Unternehmen sich einer derartigen Initiative an, so ist es für den Bereich, den die Initiative abdeckt, von der Pflicht zum Anbieten eines eigenen, unternehmensinternen Beschwerdemechanismus befreit.[9]

Es ist nicht völlig klar, ob sich die Möglichkeit des externen Beschwerdeverfahrens auch auf konzernweite Verfahren in Unternehmensgruppen bezieht, ob also Unternehmen, für die das LkSG gilt, sich an dem Beschwerdeverfahren ihres Konzerns beteiligen können oder ob sie ein eigenes Verfahren anbieten müssen.[10] Der Wortlaut des Gesetzes unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Arten von externen Beschwerdeverfahren. Das spricht für die Zulässigkeit der Beteiligung an einem konzernweiten Verfahren. Auch das BAFA geht in seinen FAQ von der Zulässigkeit aus. Dagegen spricht, dass die Möglichkeit der Beteiligung an einem externen Verfahren auf die UN-Leitprinzipien zurückgeht. Diese verweisen auf die Möglichkeit, sich an industrieweiten Initiativen oder "Multi-Stakeholder-Initiativen" zu beteiligen. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber derartige Initiativen im Blick hatte, als er die Möglichkeit zur Beteiligung an einem externen Verfahren eröffnete – nicht dagegen die Beteiligung an einem konzernweiten Verfahren. Dennoch ist auch die letztgenannte Möglichkeit von dem Wortlaut des Gesetzes erfasst.

[3] Berg, in: Berg/Kramme, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), 1. Aufl. 2023, § 8 Rn 25; BT-Drucksache 19/28649, S. 49.
[4] s. dazu Handreichung des BAFA zum Beschwerdeverfahren, https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Lieferketten/handreichung_beschwerdeverfahren.html, S. 14.
[5] https://fairwear.org.
[6] https://drivesustainability.org.
[7] https://pscinitiative.org.
[8] Berg, in: Berg/Kramme, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), 1. Aufl. 2023, § 8 Rn 25; Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021, 230, 238.
[9] Gläßer/Kühn, in: Henn/Jahn, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, 3. Edition 2023, § 8 Rn 138.
[10] bejahend: E. Wagner/S. Wagner, in Wagner/Ruttloff/Wagner, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in der Unternehmenspraxis, 1. Auflage 2022, Rn 652, FAQ des BAFA, XII 1), abgerufen am 10.11.2023.

6.2 Kanal/Medium

Das Gesetz enthält keine Vorgaben dazu, über welchen Kanal oder welches Medium Unternehmen das Beschwerdeverfahren anbieten müssen. In Betracht kommen bspw. internetgestützte Verfahren oder telefonische Hotlines.[1] Die Wahl des Kanals richtet sich vor allem nach den Anforderungen an die Zugänglichkeit.[2]

[1] Stemberg, CCZ 2022, 92, 95.
[2] s. Abschn. 6.3,

Lüneborg, in: Gehling/Ott, LkSG, § 8 Rn 32.

6.3 Zugänglichkeit des Beschwerdeverfahrens

6.3.1 Allgemeines

Das Beschwerdeverfahren muss für potenziell Beteiligte zugänglich sein[1]. Das Gesetz definiert den Begriff "zugänglich" nicht. Um ihn auszulegen, kann auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zurückgegriffen werden.[2] Prinzip 31 b) der UN-Leitprinzipien definiert zugänglich sein als: "Sie sind allen Stakeholdergruppen, für die sie vorgesehen sind, bekannt und gewähren denjenigen, die im Hinblick auf den Zugang zu ihnen unter Umständen vor besonderen Hindernissen stehen, ausreichende Unterstützung".

Eines der Kriterien ist also, dass das Beschwerdeverfahren bekannt sein muss. Das LkSG nennt das Erfordernis der Bekanntheit gesondert; es wird hier auch gesondert erläutert.[3]

Eine weitere Erläuterung zur Zugänglichkeit findet sich im Kommentar zu den UN-Leitprinzipien: "Zugangshindernisse können unter anderem mangelnde Kenntnis des Mechanismus, Sprache, Lese und Schreibevermögen, Kosten, Standort und Furcht vor Repressalien umfassen." Unternehmen sollten...

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