Wie auf anderen Märkten auch, ist der Schlüssel zu einer wirksamen Einhaltung von Anti-Korruptionsbestimmungen in China eher die Prävention als die Heilung. Multinationale Konzerne sollten nicht davon ausgehen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen des Landes ihnen die Art von Schutz und Unterstützung bietet, die sie möglicherweise in ihrem Heimatland genießen. Obwohl die rechtliche Infrastruktur sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark verbessert hat und die Vorschriften nun charakteristisch dem globalen Standard entsprechen – wie die Anti-Korruptionsgesetze –, kann die Auslegung der Gesetze von einem Rechtssystem zum anderen stark abweichen. Tatsächlich ist einer der Faktoren, die den Boden für Betrug nähren, der immer noch schlechte (wenn auch sich verbessernde) Standard der rechtlichen Hilfe für Betrugsopfer. Örtliche Polizeibehörden sind im Allgemeinen engagiert und gerecht, besonders in wichtigen Ballungsräumen, in denen ausländische Unternehmen für gewöhnlich ihre Betriebe haben, aber ihnen fehlen die Mittel (und manchmal die Erfahrung), um mit Wirtschaftskriminalität umzugehen. Infolgedessen kann es ausländischen Unternehmen passieren, dass ihre lokalen Behörden nur begrenzten Eifer zeigen, wenn es um die Bearbeitung eines potenziellen Betrugsfalls geht. Eine zusätzliche Hürde für gerechten Regressanspruch kann der rückständige Zustand des Gerichtswesens sein. Obwohl sich die Qualität der Richter in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert hat, bleiben sie ernannte Amtsträger der Kommunistischen Partei Chinas, besitzen kaum eine rechtliche Ausbildung und sind in manchen Fällen möglicherweise anfällig für politische Einflussnahme. Zu allem Übel wird, selbst wenn das Urteil zugunsten der ausländischen Rechtspartei ausgeht, nur etwa die Hälfte aller Gerichtsentscheidungen in China jemals erfolgreich vollstreckt. Die Lehre für multinationale Konzerne in China daraus ist, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, rechtliche Schritte einleiten zu müssen.

Multinationale Konzerne halten sich im Zuge dieses präventiven Ansatzes an bereits bewährte Methoden. Sie haben unternehmensinterne Compliance-Programme eingerichtet, um das Bewusstsein dafür innerhalb des Unternehmens zu stärken und damit das Risiko unangemessener Zahlungen und anderer Bestechungsarten zu mindern. Laut dem Verantwortlichen für den Raum Großchina einer internationalen Risikoberatung mit Sitz in Shanghai bestehen die besten Compliance-Programme aus zwei Teilen: einem verständlichen, einheitlichen Compliance-Dokument des Unternehmens, welches allen Angestellten vor Ort zur Verfügung gestellt wird (und die auf ihr Wissen über die Richtlinien geprüft werden sollten) und einer Schulung aller Angestellten (besonders der in anfälligen Stellungen, wie im Verkauf, Marketing, Vertrieb und in der Kundenverwaltung), um ihnen die grundlegenden Compliance-Probleme bewusst zu machen.

Viele westliche Unternehmen, die nach bewährten Compliance-Methoden streben, stützen ihren Ansatz auf die Richtlinien, die in den Angemessenen Verfahren (Adequate Procedures) des UKBA enthalten sind – derzeit der Maßstab schlechthin für internationale Anti-Korruptionsgesetze. Die Angemessenen Verfahren legen sechs Grundmaßnahmen zur Compliance-Gewährleistung fest, die als praktischer Leitfaden für multinationale Konzerne dienen sollen.

6.1 Verpflichtung auf höchster Ebene

"Tone from the Top" (von oben vorleben) ist ein Thema, das in der Einführung und Umsetzung vieler Unternehmensinitiativen vorgestellt wird. Für die Einhaltung von Anti-Korruptionsvorschriften gilt nichts anderes: Es obliegt den Geschäftsführern und dem führenden Management, einen bedingungslosen Einsatz für den Verhaltenskodex des Unternehmens, die Einhaltung der Richtlinien zur geschäftlichen Integrität und anderer ethischer Richtlinien zu demonstrieren. Wenn die Spitze des Unternehmens nicht an solche Richtlinien glaubt, besteht wenig Hoffnung, dass es das Unternehmen als Ganzes tut.

Eine starke Führung bietet die Grundlage für ein stabiles Anti-Korruptionsprogramm. Eine durchdachte, zielgerichtete Führung ist für den Aufbau der richtigen Unternehmenskultur wesentlich, die wiederum die richtigen Einstellungen und das richtige Verhalten am Arbeitsplatz hervorruft. Diese Verhaltensweisen sind der Schlüssel zu einem wirksamen Risikomanagement. Ohne eine klare, ethische Führung fehlt Unternehmensrichtlinien und -verfahren die Glaubwürdigkeit und sie werden so das Unternehmen nicht vor dem Risiko, in Korruptionsfälle verwickelt zu werden, schützen können. Eine ethische Führung beinhaltet eine deutliche, einheitliche und regelmäßige Kommunikation der zentralen Unternehmenswerte sowie eine transparente Entscheidungsfindung, z.B. indem Interessenvertretern erklärt wird, wie die Ethikkommission des Unternehmens einen Interessenkonflikt gelöst hat.

6.2 Risikoewertung

Die Korruptionsrisikobewertung bestimmt das Risikouniversum, in dem das Unternehmen tätig ist. Sie berücksichtigt nicht nur die geografische Präsenz, sondern auch die Industrie, den Partner (Regierung ...

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