Arbeitsschutz auf der Baustelle: Wer ist für was zuständig?

Gemäß der Baustellenverordnung (BauStellV) ist ein Bauherr verpflichtet, für Baustellen, auf denen Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber bzw. Gewerke tätig werden, einen oder je nach Ausgangsbedingungen auch mehrere Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren (SiGeKo, hier Koordinator genannt) zu bestellen. Der Bauherr oder der von ihm beauftragte Dritte kann bei entsprechender Eignung die Aufgaben des Koordinators aber auch selbst wahrnehmen. Wichtig ist nur, dass es einen sachkundigen Koordinator für die Planung und die Umsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auf der Baustelle gibt.
Baustellenleitung und Arbeitsschutz
Zunächst aber: Inwiefern ist der Baustellenleiter als vielleicht wichtigste organisatorische Position bei einem Bauprojekt für den Arbeitsschutz auf der Baustelle zuständig? Als Dreh- und Angelpunkt zwischen Planung und Umsetzung trägt der Baustellenleiter die Verantwortung für den reibungslosen Ablauf eines Bauvorhabens, dies auch mit dem entsprechenden Haftungsrisiko.
Dazu gehört auch das Thema Sicherheit auf der Baustelle. Verantwortung für den Arbeitsschutz ergibt sich für Bauleiter in der Regel aus der Koordinierung von Arbeiten und teilweise auch durch eine Übertragung von Verantwortlichkeiten auf dritte Personen. Allerdings ist der Baustellenleiter in der Baustellenpraxis eigentlich nicht dafür vorgesehen, den Arbeitsschutz auf der Baustelle (mit) zu planen, denn hierfür trägt der Bauherr allein die rechtliche und zusammen mit dem Koordinator auch die organisatorische Verantwortung.
Auch nach Betriebsaufnahme hat der Baustellenleiter nicht die Hauptverantwortung für einige praktische Bereiche der alltäglichen Sicherheit. So muss der Bauleiter beispielsweise den sicheren Betrieb der Maschinen und Geräte auf der Baustelle nicht kontrollieren und garantieren, denn hierfür sind in erster Linie die Unternehmen bzw. Gewerke zuständig, die diese Arbeitsmittel auf die Baustelle gebracht haben und mit ihnen arbeiten.
Aufgaben des Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators (SiGeKo)
Die Ausführung von Planung und Koordination des Arbeitsschutzes übernimmt dagegen vorrangig, aber gemeinsam und im ständigen Austausch mit dem rechtlich verantwortlichen Bauherrn/Architekten/Planer, der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo). Er hat dabei eine Reihe von wichtigen Aufgaben zu erfüllen:
- Die Entwurfs- und Genehmigungsplanung im Hinblick auf gemeinsame, gewerkbezogene, gegenseitige und bauablaufbedingte Gefährdungen sowie Gefährdungen aus dem Umfeld und eingehend zu analysieren und die Ergebnisse zu dokumentieren.
- Er muss die Ausführungsplanung im Hinblick auf gemeinsame, gewerkbezogene, gegenseitige und bauablaufbedingte Gefährdungen sowie Gefährdungen aus dem Umfeld analysieren und die Ergebnisse dokumentieren.
- Er wirkt mit bei der Erarbeitung und dem Aufzeigen von Möglichkeiten, um Sicherheits- und Gesundheitsrisiken während der Bauausführung zu vermeiden oder zu minimieren.
- Er berät bei der Terminplanung im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz.
- Er erarbeitet einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (der aber allein vom Bauherrn bzw. einem ermächtigten Architekten/Planer festgelegt und freigegeben wird).
- Er wirkt auf die Berücksichtigung von Leistungen zu Sicherheits- und Gesundheitsschutz in Ausschreibungen, Vergabe- und Bauvertragsunterlagen hin.
- Er identifiziert und dokumentiert besonders gefährliche Arbeiten nach Anhang II der Baustellenverordnung (BaustellV)
- Er dokumentiert alle betrieblichen Tätigkeiten und/oder alle besonderen äußeren Einflüsse auf der Baustelle.
- Er ermittelt die potenziellen Auswirkungen und Folgen, die sich aus der räumlichen und zeitlichen Nähe bestimmter Baumaßnahmen zu anderen Baumaßnahmen ergeben.
Schwierige Koordinationsaufgabe
Die wohl schwierigste Aufgabe des Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators ist es, in Zusammenarbeit mit der Bauleitung dafür zu sorgen, dass alle Tätigkeiten in ihrer Abfolge so koordiniert werden, dass die potenziellen Sicherheitsgefährdungen minimiert werden und dennoch die Bautätigkeiten dadurch keine Verzögerung erfahren. Dazu muss für jeden Prozess eine bestimmte Montagefolge gewählt werden und die Arbeiten bzw. der Einsatz der diversen Arbeitskolonnen so abgestimmt sein, dass sich möglichst wenige Arbeitsabläufe zeitlich überschneiden.
Damit einhergehend sind die Montageabfolgen so zu wählen, dass möglichst wenige unterschiedliche Gewerke gleichzeitig arbeiten, um übergreifende Gefährdungen auszuschließen oder zumindest zu reduzieren. Das ist bereits schwer genug, in der betrieblichen Praxis ist die Situation für den Koordinator und die Bauleitung aber oft noch komplizierter. Denn die eigentliche Bauausführung wird in der Regel nicht vom Koordinator, noch nicht einmal vom Bauherrn und der Bauleitung, bestimmt, sondern von den beauftragten ausführenden Unternehmen. Denn sie entscheiden über die jeweiligen Herstellungsverfahren und wollen dabei ihre eigenen Interessen durchsetzen – vor allem eine schnelle und unkomplizierte Durchführung der eigenen Arbeiten.
Überschneidungen der Verantwortlichkeiten
Trotz der oben erwähnten Regel in der betrieblichen Praxis, dass der Bauleiter die Aufgaben der Planung und selbst der Koordination des Arbeitsschutzes zumeist anderen Akteuren überlässt, kann es bei der Baustellenabwicklung in manchen Fällen dennoch vorkommen, dass der Koordinator faktisch bauleitende Tätigkeiten übernimmt, während der Baustellenleiter auch bei der Planung und Koordination des Arbeitsschutzes vermehrt beteiligt wird.
Denn die Musterbauordnung der Länder formuliert es so: „Der verantwortliche Bauleiter hat auf den sicheren bautechnischen Betrieb der Baustelle zu achten, insbesondere auf das gefahrlose Ineinandergreifen der Arbeiten der Unternehmer. Hierzu zählen auch die Sicherheit der Baustellenanlagen und Baustelleneinrichtungen sowie der technische Arbeitsschutz.“
In einigen Landesbauordnungen wird daher bestimmt, dass die vorbereitenden Maßnahmen zur Erfüllung der vorgegebenen Sicherheitsanforderungen auch vom Baustellenleiter übernommen werden müssen bzw. können. Er nimmt, wie erwähnt, in der betrieblichen Praxis zumeist aber erst zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. nach der Planungsphase des Bauprojekts, seine Aufgaben auf. Da ein Baustellenleiter in der Regel nicht über die Kompetenzen für die Planung des Arbeitsschutzes verfügt, muss er hierfür einen entsprechend sachkundigen Fachbauleiter beauftragen, der in dieser frühen Phase seine Position einnimmt.
Natürlich könnte in diesem Stadium theoretisch auch ein für den Arbeitsschutz eingesetzter Koordinator einige der bauleitenden Aufgaben zusätzlich übernehmen, er würde sich aber dabei einem (zu) großen Haftungsrisiko aufgrund des erweiterten Zuständigkeitsbereichs aussetzen.
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