Mit dem Faktor Vertrauen die Arbeitssicherheit stärken

Kann Vertrauen der Belegschaft in die Unternehmensführung auch die Sicherheit und Gesundheit im Betrieb stärken? Das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) entwickelte ein Instrument zur Durchführung eines betriebsinternen „Vertrauens-Assessments“, das in einem Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) erstmals erprobt wurde.

Vertrauen ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg eines Unternehmens in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt. Internationale Studien konnten belegen, dass Unternehmen mit einem hohen Maß an Vertrauen zwischen Unternehmensleitungen und Beschäftigten Krisenzeiten besser überstehen. Kann Vertrauen genauso effektiv für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz nutzbar gemacht werden?

Bessere Prävention durch Vertrauensbildung

Auf der Grundlage der Ergebnisse eines bilateralen Forschungsprojekts hat das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma WissensImpuls das Instrument „VertrauensPRAXIS“ entwickelt, mit dem durch Vertrauensbildung bzw. Vertrauenssteigerung im Unternehmen auch die betriebliche Präventionskultur verbessert werden kann. Von Juni bis Dezember 2022 wurde das Instrument in einem Mitgliedsunternehmen der BGHW praktisch erprobt und soll sukzessive nun auch in anderen Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft eingeführt werden. Die Forscher der IAG definieren das Vertrauen der Mitarbeitenden in ihre Führungskräfte dabei als Summe der Faktoren Gerechtigkeit (Ehrlichkeit, Integrität, Moral), Fürsorge (Wohlwollen, Absicht „Gutes zu tun“) sowie Kompetenz (Wissen, Umsetzungsfähigkeit).

Bessere Sicherheits- und Gesundheitskultur

Mit dem Assessment-Instrument werden konkrete Maßnahmen entwickelt, die Vertrauen fördern und dabei helfen, die Sicherheits- und Gesundheitskultur in einer Organisation oder einer Abteilung zu verbessern. Langfristige Effekte sollen die Verbesserung des Meldeverhaltens, der Feedbackkultur sowie eine optimierte Handlungsfähigkeit in kritischen und ungewissen Situationen sein. Beispiel Meldeverhalten: Die Meldung von Beinahe-Unfällen und von Fehlern bei der Umsetzung der Arbeitssicherheitsmaßnahmen setzt voraus, dass die Beschäftigten darauf vertrauen können, dass sie für ihre Meldungen von den Führungskräften nicht kritisiert oder sogar sanktioniert werden und dass diese damit konstruktiv – d.h. im Sinne der Behebung der festgestellten Mängel – umgehen.

Methoden

Das Assessment besteht aus verschiedenen Methoden, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Die Beschäftigten und Führungskräfte werden zunächst mithilfe einer standardisierten Kurzbefragung zu verschiedenen Vertrauenspraktiken befragt. Beispielsweise geht es um die Frage, ob sie den Entscheidungen ihres direkten Vorgesetzten zu Sicherheit und Gesundheit vertrauen. Anschließend werden verschiedene Gespräche mit Führungskräften und Beschäftigten geführt, um die hinter den Vertrauenspraktiken liegenden Mechanismen zu verstehen. In einem abschließenden Workshop werden gemeinsam die Grundannahmen zum Vertrauen in der Organisation analysiert, Leitziele entwickelt und mögliche Maßnahmen abgeleitet.

Umsetzung im Testbetrieb

Dem Einsatz des Instrumentes im Mitgliedsunternehmen der BGHW ging ein intensiver Vorprozess voraus. Dieser umfasste:

  • den frühzeitigen Einbezug aller relevanten Beteiligten im Unternehmen (Geschäftsführung, Betriebsleitung, Betriebsrat, Personalverwaltung, Führungskräfte) und des Vertreters der BGHW,
  • die Ausformulierung der Ziele und erwarteten Ergebnisse des Projektes,
  • die Reflexion wichtiger Erfolgsfaktoren und möglicher Hindernisse für die praktische Umsetzung des Projektes,
  • den Abschluss einer formalen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Unternehmen, der IAG, und der BGHW sowie
  • die Zusammenstellung eines internen Assessment-Teams als Schnittstelle zum Unternehmen.

Leitendes Prinzip ist dabei, alle Beschäftigten von Anfang an am Prozess zu beteiligen. Deshalb wurde eine Auftaktveranstaltung mit allen relevanten Vertretern des Unternehmens durchgeführt. Das Mitgliedsunternehmen der BGHW begann noch während der Laufzeit des Pilotprojekts mit der Umsetzung von Maßnahmenvorschlägen. Neben regelmäßigen Teammeetings finden nun auch Schichtmeetings statt, für die ein Gesprächsleitfaden zur Verfügung steht, der auch Themen der Arbeitssicherheit enthält – zum Beispiel sicherer Transport oder die sichere Handhabung von Anschlagmitteln.

Quellen:

VertrauensPRAXIS – Erprobung eines Vertrauens-Assessments in einem Mitgliedsunternehmen der BGHW, in: DGUV Forum 5/2023

IAG Report 2/2022: VertrauensPRAXIS – Werkzeuge zur Analyse von Vertrauen in einer Organisation

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