Sicherheit bei Kanalarbeiten

Mitarbeiter, die im Bereich der öffentlichen Kanalisation arbeiten, sind einem hohen Risiko ausgesetzt, da sie täglich mit giftigen Substanzen, scharfen Werkzeugen und schweren Maschinen arbeiten. Arbeitgeber müssen daher geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen, um die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten.
Großreinemachen im Untergrund
In der Kanalisation müssen die Kanalarbeiter viele unterschiedliche Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchführen. Die vielleicht häufigste Tätigkeit ist dabei das Reinigen der Schächte. Die Kanäle müssen nämlich in regelmäßigen Abständen gründlich gereinigt werden, da sie sonst leicht durch Fett- und Schmutzklumpen verstopfen können.
Den groben Schmutz vom Boden der Kanäle entfernen die Beschäftigten mit einem so genannten Hunt bzw. Kanalhunt, einem großen Schild, das durch die Wasserströmung in der Kanalisation angetrieben wird und die Ablagerungen vor sich herschiebt.
Wichtigste Gefährdungen
Das Spektrum an Gefährdungen in der Kanalisation reicht von ergonomischen Belastungen bis zu biologischen Gefahrstoffen (Bakterien, Pilze, Viren). Die größte Gefahr aber sind die Gase, die sich in den wenig belüfteten Kanälen ansammeln. Sie entweichen dem Fäkalschlamm, sind hoch explosiv und rufen Atembeschwerden hervor, die sogar zum Ersticken führen können.
Zu ihrem Schutz tragen die Kanalarbeiter deshalb stets ein Gaswarngerät mit sich, welches bei kritischer Gasmenge einen Signalton ausstößt. Der Beschäftigte muss bei diesem Signal sofort den Schacht verlassen, um sein Leben nicht zu gefährden. Wegen der Explosionsgefahr gilt unter Tage ein strenges Feuerverbot. Selbst Handys müssen abgeschaltet werden, um durch die Elektronik keine Zündung auszulösen.
Einstieg möglichst vermeiden
In kaum einen anderen Arbeitsbereich spielen die Faktoren Substitution und Technische Maßnahmen im Rahmen des S-T-O-P-Prinzips eine so große Rolle wie beim Hoch- und Tiefbau und dabei insbesondere auch bei Kanalisationsarbeiten. Denn wenn immer möglich, wird dabei auf den unmittelbaren Einsatz von Personen in der Kanalisation verzichtet (Substitution).
Stattdessen werden unter anderem Spül- und Saugfahrzeuge, Kanalkameras oder hochziehbare Pumpen (technische Maßnahmen) eingesetzt. Mit einer Kamera beispielsweise kann man in das Innere eines Kanals oder Rohrleitungssystems schauen, ohne dass eine Person in das System einsteigen oder dieses durch Arbeiter aufwendig und unter hohen physischen Belastungen freigelegt werden muss.
Sicherheitsorganisation
Wie wird die Sicherheit vor Beginn der Kanalarbeiten organisiert? Wenn bei den Arbeiten mit besonderen Gefahren, z. B. durch Zündgefahren oder Öffnen geschlossener Systeme, zu rechnen ist, muss zunächst ein Erlaubnisschein ausgestellt sein. Liegt dieser vor, müssen weiterhin sog. Freimessungen erfolgen, bevor die Schacht- und Kanalarbeit freigegeben werden kann (siehe unten).
Ist die Freigabe erfolgt, muss ein Aufsichtführender bestimmt werden, der die Arbeitssicherheit überwacht und für die arbeitssichere Ausführung der Kanalarbeiten sorgt. Dieser muss daher mit allen Schutzmaßnahmen vertraut sein. Zusätzlich zum Aufsichtsführer muss über Tage eine als Ersthelfer ausgebildete Person zur Sicherung vor Ort anwesend sein, die zu den Arbeitern in der Kanalisation in ständiger Sicht- oder Sprechverbindung stehen muss.
Im Notfall muss diese Person über Funk oder Telefon einen Notruf absetzen können, ohne ihren Standort zu verlassen. Bis die Rettungskräfte eingetroffen sind, hat sie zudem mit der vor Ort vorhandenen Ausrüstung auch schon eigene Rettungsmaßnahmen einzuleiten.
Freimessung und Freigabe
Gefahrstoffe, eine explosionsfähige Atmosphäre sowie Sauerstoffmangel bergen Sicherheitsgefährdungen für die Beschäftigten, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Um die Gefahrenlage klar einschätzen zu können, ist daher die Freimessung in den Schächten und Kanälen notwendig, bevor dort die Arbeiten starten können.
Beim Freimessen werden die (potenzielle) Gefahrstoffkonzentration und der Sauerstoffgehalt ermittelt. Die Messungen müssen an repräsentativen Stellen vorgenommen und dokumentiert werden. Eine Freimessung sollte mindestens die Werte für Methan, Kohlendioxid und Sauerstoff umfassen, idealerweise auch für Schwefelwasserstoff und Kohlenmonoxid. Der Sauerstoffgehalt der Luft in der Kanalisation muss z. B. mindestens 19 % betragen. Erst dann kann die Freigabe erteilt werden und die Kanalarbeiten können beginnen.
Absturzsicherungen
Der Abstieg in die Kanalisation ist ein weiterer kritischer Punkt für das Sicherheitsmanagement bei Kanalarbeiten. Ab einer Fallhöhe von 5 Metern, oft auch schon bei geringeren Höhen, sind in der Regel Steilleitern an den Schachtwänden angebracht. Die Sicherheit der Steilleitern wird durch einen Steigschutz gewährleistet.
Ein typischer und besonders häufig verwendeter Steigschutz ist der durchgängige Rückenschutz. Diese korbähnliche Konstruktion ist fest an der Steigleiter angebracht, schränkt dadurch allerdings auch die Bewegungsfreiheit des Kanalarbeiters beim Abstieg oft stark ein. Bei modernisierten oder neu gebauten Schächten wird daher zumindest für Fallhöhen unter 6-8 Meter häufig auf Steilleitern und Steigschutz verzichtet.
Stattdessen errichten die Kanalarbeiter über den Schachteingängen Dreibeine (mobile Teleskop-Stative) und Windenausleger, an denen Klettergurte bzw. Personen- oder Frachtwinden angebracht sind, mit denen sich die Arbeiter abseilen können. Bei größeren Fallhöhen ab 4-5 Metern werden die Windenausleger mit Winden in der Regel den Dreibeinen vorgezogen. Durch einfaches Kurbeln kann der Beschäftigte im an der Personenwinde befestigten Arbeitssitz dann abgelassen werden. Er muss daher nicht wie beim Dreibein selbsttätig herunterklettern.
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