Gestaffelte Mutterschutzfristen nach einer Fehlgeburt

Am 24.02.2025 wurde das „Mutterschutzanpassungsgesetz“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Nach langen Diskussionen in der Fachwelt führen nun auch Fehlgeburten zu einer (allerdings gestaffelten) Mutterschutzfrist und betroffene Frauen können entsprechende Schutzfristen in Anspruch nehmen. Die Änderungen gelten ab dem 01.06.2025. 

Arbeitgeber dürfen Frauen bis zum Ablauf von acht bzw. zwölf Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen (vgl. § 3 Abs. 2 MuSchG). Nach herkömmlichem Verständnis und der obergerichtlichen Rechtsprechung galt dies allerdings nicht für Fehlgeburten, da eine solche Geburt nach diesen Auffassungen dem Begriff der „Entbindung“ nicht entsprach (vertiefend zu diesem Thema: Aligbe ARP 2024, 344).

Berücksichtigung der Belastungssituation

Dieses Problem wurde nun durch den Gesetzgeber gelöst. Dies erfolgte durch eine gesetzliche Definition des Begriffes der „Entbindung“ (Legaldefinition) und durch Einführung gestaffelter Mutterschutzfristen nach einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche (15.Schwangerschaftswoche post menstruationem). Der Verlust des Fötus hat zu diesem Zeitpunkt bereits einen stärkeren Rückbildungsprozess zur Folge und bedarf daher einer gewissen Regenerationsphase.

Dadurch wollte der Gesetzgeber Unklarheiten vermeiden, der besonderen Belastungssituation von Frauen nach einer Fehlgeburt Rechnung tragen und damit einen entsprechenden Schutzraum für Frauen schaffen.

Legaldefinition der „Entbindung“

Bislang war der Begriff der „Entbindung“ (obwohl das Mutterschutzgesetz diesen Begriff verwendet) nicht weiter definiert. In der Rechtsliteratur und Rechtsprechung wurde daher häufig auf die personenstandsrechtlichen Regelungen verwiesen. Nach der Intention des Mutterschutzgesetzes und auch aus medizinischer Sicht ist es allerdings nicht sachgerecht, den Begriff der „Entbindung“ an die personenstandsrechtlichen Regelungen (und damit ausschließlich an die Gewichtsgrenze von 500 g bzw. an die 24. Schwangerschaftswoche; vgl. § 31 PStV) zu koppeln. Im neu eingefügten § 2 Abs. 6 MuSchG heißt es:

„Eine Entbindung ist eine Lebend- oder Totgeburt. Die Regelungen zur Entbindung finden im Falle einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist“.

Damit ergibt sich aus dem neuen § 2 Abs. 6 S. 2 MuSchG, dass die Regelungen des Mutterschutzgesetzes in Bezug auf die Entbindung auch auf Fehlgeburten anzuwenden sind. Dies gilt allerdings wiederum nur dann, wenn das MuSchG selbst oder ein anderes Gesetz in Bezug auf Fehlgeburten nichts Abweichendes regelt.

Gestaffelte Schutzfristen

Die Schutzfristen für Fehlgeburten werden nun in § 3 Abs. 5 MuSchG geregelt, welcher allerdings erst zum 01.06.2025 anwendbar ist (vgl. Art. 5 Mutterschutzanpassungsgesetz). Bei einer Fehlgeburt darf der Arbeitgeber eine Frau nicht beschäftigten,

  • bis zum Ablauf von zwei Wochen bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche,
  • bis zum Ablauf von sechs Wochen bei einer Fehlgeburt ab der 17. Schwangerschaftswoche,
  • bis zum Ablauf von acht Wochen bei einer Fehlgeburt ab der 20. Schwangerschaftswoche.

Dies gilt allerdings nur dann, soweit sich die Frau nicht ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklärt. Folglich kann die Frau auch innerhalb dieser gestaffelten Schutzfristen ihrer Beschäftigung nachgehen, sofern sie selbst dies ausdrücklich möchte. Ihre Einverständniserklärung kann die Frau allerdings innerhalb der benannten Fristen jederzeit mit Wirkung für die Zukunft auch wieder widerrufen (vgl. § 3 Abs. 5 S. 2 MuSchG).

Hat der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwangerschaft bzw. Fehlgeburt, reicht die tatsächliche Arbeitsaufnahme durch die Frau.

Ziel der Neuregelung ist es, eine Regenerationszeit für die Frau nach einer Fehlgeburt innerhalb des Mutterschutzes sicherzustellen und damit einen besonderen Schutzraum für die Frau, die ein vorzeitiges Ende ihrer Schwangerschaft erleidet, festzulegen.

Die vorgeburtlichen Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 MuSchG werden allerdings bei Fehlgeburten der Sache nach nicht angewendet (vgl. § 3 Abs. 5 S. 3 MuSchG). Ebenfalls nicht anwendbar sind die Vorschriften, dass bei vorzeitiger Entbindung sich die nachgeburtlichen Schutzfristen um den Zeitraum der Verkürzung verlängern (vgl. § 3 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 S. 3 MuSchG).

Mutterschaftsgeld

Da gemäß § 2 Abs. 6 S. 2 MuSchG die Regelungen zur Entbindung auch im Falle einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche entsprechend angewendet werden, hat eine Frau bei Wahrnehmung der Schutzfristen auch einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld gemäß § 19 MuSchG. Insofern muss eine Frau hier auch keine nennenswerten Entgelteinbußen fürchten.

Kündigungsschutz

Unverändert blieb dagegen das Kündigungsverbot nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MuSchG. Demnach ist eine Kündigung gegenüber einer Frau bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Fehlgeburt bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

Ordnungswidrigkeiten

Arbeitgeber, welche vorsätzlich oder fahrlässig entgegen den gestaffelten Mutterschutzfristen nach § 3 Abs. 5 MuSchG eine Frau beschäftigen, erfüllen den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gem. § 32 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG. Voraussetzung ist hier allerdings natürlich, dass der Arbeitgeber von dem Umstand der Fehlgeburt Kenntnis erlangt hat bzw. Kenntnis hätte erlangen können.

Fazit

Mit den Regelungen zu den gestaffelten Mutterschutzfristen bei Fehlgeburten hat der Gesetzgeber nun endlich eine wichtige Lücke geschlossen. Sowohl die gewählte Staffelung als auch die Möglichkeit, dass die Frau sich ausdrücklich zur weiteren Arbeitsleistung bereiterklären kann, sind ein Kompromiss, welcher insofern anerkennungswürdig ist, als dass nach alter Rechtslage Fehlgeburten weder zu Schutzfristen noch zur Zahlung von Mutterschaftsgeld geführt haben.

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Schlagworte zum Thema:  Arbeitsschutz, Mutterschutz