Anbieterauswahl im Bereich BGF und BGM
Wie kann es nun gelingen, den „richtigen“ Kooperationspartner zu finden, der nicht nur die erforderlichen Kompetenzen besitzt, sondern auch mit dem Auftraggeber gemeinsam individuelle Konzepte entwickeln und umsetzen kann? Wie gelingt es, die Qualität des Anbieters zu erkennen und zu beurteilen?
Welche Angebote gibt es?
Wirft man einen Blick auf untenstehende Abbildung, lässt sich schnell erkennen, wie groß das Angebotsspektrum ist. Auch im Hinblick auf die kontinuierliche Weiterentwicklung der Angebote, gerade auch im Bereich des digitalen BGMs, spielt die Wahl der Kooperationspartner eine entscheidende Rolle.
Vergleichbar groß neben den Angeboten im Bereich BGM/BGF ist auch die Anzahl der Anbieter. Im Bereich der Sozialversicherungen sind es neben den Krankenkassen auch die Unfallkassen, Berufsgenossenschaften und die Deutsche Rentenversicherung, die Unternehmen beraten. Auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes sind es die Arbeits- und Betriebsmediziner, die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die IHK/HWK. Zu diesen genannten Institutionen kommt das große Feld der BGM-Berater und BGM-Dienstleister, in Form von Full-Service Dienstleistern, Spezialisten für einzelne Handlungsfelder oder Präventionsanbietern.
Im Handlungsfeld Bewegung spielen weiterhin die Fitness- und Gesundheitszentren, aber auch Physiotherapiepraxen und Rehabilitationseinrichtungen eine zunehmend bedeutende Rolle, wenn es um Kooperationen mit Unternehmen in Form von Firmenfitness geht. Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich Kriterien zu haben und zu kennen, an denen man sich bei der Auswahl des Kooperationspartners orientieren kann.
Grundsätzlich gibt es sowohl bei analogen als auch bei digitalen Anbietern keine anerkannten Qualitätsstandards, sondern nur Empfehlungen.
Kriterien für die Anbieterauswahl
Kriterien für die Anbieterauswahl könnten folgende sein (angelehnt an die Ausführungen von Matusiewicz und Nürnberg (2019)):
1. Zertifizierung nach § 20 und § 20 b SGB V
Der GKV-Leitfaden Prävention definiert sowohl für Leistungen der individuellen verhaltensbezogenen Prävention im Rahmen der vier Handlungsfelder Ernährung, Bewegung, Stress und Sucht, als auch für Leistungen der Betrieblichen Gesundheitsförderung entsprechende Handlungsfelder und Präventionsprinzipien. Dieser legt die Anforderungen und Qualitätskriterien der Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen durch den GKV-Spitzenverband Bund fest. Ein einheitliches Verfahren zur Zertifizierung von Leistungsangeboten soll insbesondere eine übergreifende Qualitätssicherung gewährleisten. Neben der Qualitätssicherung ist der finanzielle Aspekt, wenn es um die Finanzierung der Maßnahmen geht, ein wichtiges Argument.
2. DIN-Zertifizierung
Bis September 2020 konnte man das BGM nach DIN SPEC 91020 zertifizieren lassen, seitdem wird sie im Beuth-Verlag als Technische Regel aufgeführt. Die DIN SPEC 91020 "Betriebliches Gesundheitsmanagement" ist zum 01.10.2020 deshalb zurückgezogen worden, da nun laut dem DIN-Normenausschuss Organisationsprozesse (NAOrg) alle wesentlichen Aspekte des BGM von der seit 2018 vorhandenen DIN ISO 45001 "Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit" abgedeckt werden. Jedoch sind für Experten wie Oliver Walle (Dozent und Geschäftsführer eines BGM-Beratungsunternehmens) viele Formulierungen in der DIN SPEC 91020 für das Verständnis von BGM besser geeignet, weshalb diese als Leitfaden nach wie vor herangezogen und daraus auch zitiert wird (Walle, 2019).
Die DIN ISO 45001 legt die Anforderungen an ein Managementsystem für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SGA-MS) fest. Diese Leitlinie soll Organisationen oder Unternehmen in die Lage versetzen, einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz bereitzustellen, indem arbeitsbedingte Verletzungen und Erkrankungen vermieden werden (DIN ISO 45001). Die DIN ISO 45001 gilt für jede Organisation, unabhängig von Größe, Typ und Art (Walle, 2019).
Für Fitness- und Gesundheitsdienstleister ist die BSA-Zert als unabhängige Zertifizierungsstelle für Sicherheit, Hygiene, Qualität der Angebote usw. eine gute Anlaufstelle, um die Qualität auch nach innen und außen sichtbar zu machen.
Auch die Zertifizierungen durch Dritte im Rahmen von Audits oder die Teilnahme an Awards können eine wichtige Rolle in Bezug auf die Reputation spielen.
3. Referenzen
Die angegebenen Referenzen sollten repräsentativ sein und auch entsprechenden Nachfragen bzw. Überprüfungen standhalten. Neben den bestehenden oder bereits abgewickelten Auftraggebern können das u. a. auch Krankenkassen sein, die über ihre Erfahrungen mit dem Dienstleister sprechen und diese eventuell auch als Originalstimmen auf der Homepage veröffentlichen. Wichtig ist weiterhin, dass auch aufgezeigt wird, welche Leistungen dort erbracht werden, damit auch Erfahrungen mit der Branche, dem regionalen Umfeld oder der Betriebsgröße ersichtlich sind.
4. Qualifikationen als Trainer/Kursleiter
Sowohl bei analogen als auch digitalen Angeboten sollte auf die Qualifikation des Trainers geachtet werden. Dazu gehören neben der entsprechenden Ausbildung auch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen. Haben die Mitarbeiter auch Zusatzqualifikationen in den verschiedenen Handlungsfeldern oder auch Spezialgebieten wie z. B. Ergonomie am Arbeitsplatz?
5. Datenschutzbeauftragter
Ein interner oder externer Datenschutzbeauftragte sollte vorhanden sein, bzw. das Thema Datenschutz sollte auch entsprechend der gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden.
6. Netzwerke
Netzwerke und Mitgliedschaften, wie zum Beispiel im Bundesverband für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), dem Demographischen Netzwerk oder der Gesellschaft für Prävention, können weiterhin Auskunft über den Dienstleister und seine Aktivitäten liefern. Indirekt erhalten sie dadurch weitere aktuelle Informationen im Bereich BGM/BGF.
7. Kooperationspartner
Kooperiert der Dienstleister mit weiteren Dienstleistern oder Institutionen, wie z. B. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, DRV, Hochschulen und Akademien usw.?
Im Rahmen der Recherche nach Dienstleistern ist der Internetauftritt die sogenannte „virtuelle Visitenkarte“, die über viele der oben angesprochenen Themen Auskunft gibt.
Weiterführende Kriterien
Darüber hinaus sollten/können aufgrund der Erfahrung der Autorin noch folgende Fragen per Mail, persönlich oder telefonisch geklärt werden:
- Gibt es einen festen Ansprechpartner für mein Unternehmen? Gibt es einen Stellvertreter, der ebenfalls in den Prozess eingebunden ist?
- Hat der Anbieter Erfahrung in der jeweiligen Branche bzw. Erfahrung mit der Größe des Unternehmens?
- Kann der Anbieter den kompletten BGM-Prozess begleiten oder werden nur Teile (wie beispielsweise Arbeitsplatzanalysen) angeboten und durch Kooperationspartner/Subdienstleister abgedeckt?
- Ist der Anbieter regional oder auch überregional tätig (dies ist wichtig für Unternehmen, die überregional ausgerichtet sind)? Sind eventuell auch Fremdsprachenkenntnisse für international agierende Unternehmen vorhanden?
- Welche Unternehmensform hat das Unternehmen (Haftung bzw. u.U. Kreditreformauszug)?
- Wie lange agiert das Unternehmen bereits am Markt?
- Wie viele Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen (ev. Beschäftigungsverhältnisse, Altersdurchschnitt, Geschlechterverteilung usw.)
- Liegt ein “Code of conduct” (Verhaltenskodex, Leitbild, Firmenphilosophie) vor, u. a. auch mit Schwerpunkten zum Thema Gesundheit?
- Gibt es Publikationen oder Veröffentlichungen in diversen Fachzeitschriften?
- Gibt es Bewertungen im Internet oder auf Arbeitgeberplattformen?
- Hat der Dienstleister ein eigenes Qualitätsmanagement?
Die oben aufgeführten Kriterien beziehen sich primär auf analoge BGM-Dienstleister.
Kriterien für digitale Angebote
Doch an welchen Kriterien kann man sich orientieren, wenn es um digitale BGM-Angebote geht?
1. Sicherheit und Funktionstauglichkeit
2. Datenschutz und -sicherheit
3. Positive Versorgungseffekte durch medizinischen Nutzen (zum Beispiel Verbesserung des Gesundheitszustands, Verkürzung der Krankheitsdauer) oder patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen (zum Beispiel Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten)
4. Interoperabilität
5. Nutzerfreundlichkeit durch leichtes und intuitives Bedienen der Anwendungen
6. Mehrsprachigkeit
7. Aktualität und Integrierbarkeit in bestehende Unternehmensprozesse
8. Individualisierbarkeit
9. Validität
10. Schnittstellenkompatibilität
Zusätzlich zu den oben genannten Kriterien liefert der vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegte Referentenentwurf „Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung“ (DiGAV) konkrete Kriterien sowie Mindestanforderungen an die DiGA-Hersteller. Da digitale Gesundheitsanwendungen unter anderem das Potenzial haben, die Prävention von Erkrankungen sowie Gesunderhaltung im Setting Betrieb zu fördern, können Unternehmen ausgewählte Kriterien der DiGAV in komprimierter Form auch zur Beurteilung digitaler BGM-Angebote heranziehen.
Fazit
Neben allen genannten formalen Kriterien und Empfehlungen ist jedoch nicht zu vergessen, wie wichtig auch die persönliche Einschätzung, das „gute Gefühl“ ist, denn die Zusammenarbeit mit dem Dienstleister sollte langfristig ausgelegt sein und basiert auf gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen, um das gemeinsame Ziel, die Umsetzung von BGF und/oder die Implementierung eines BGMs voranzutreiben und umzusetzen.
Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)
Gerade in der jetzigen Zeit wird der Fokus immer mehr auf Prävention und Gesundheit gelegt. Schaffen Sie jetzt die Rahmenbedingungen, um ein nachhaltiges BGM innerhalb des Betriebes aufzubauen. Der Lehrgang „Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)“ der BSA-Akademie qualifiziert die Teilnehmenden, basierend auf dem Betrieblichen Gesundheitsförderungsprozess, ein Betriebliches Gesundheitsmanagement für ein Unternehmen oder eine öffentliche Einrichtung zu entwickeln und nachhaltig in die Unternehmenskultur zu verankern. Hier finden Sie weitere Informationen dazu.
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