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BIRGIT NIESKENS, SILKE RUPPRECHT & SASKIA ERBRING

Gibt man das Stichwort "Lehrergesundheit" im Internet in eine Suchmaschine ein, erhält man tausende von Verweisen auf Websites, Publikationen und Trainingsangebote. Die hohe Trefferquote ist ein Beleg für die Bedeutung des Themas. Das zeigt auch die Nachfrage an Fortbildungen, pädagogischen Tagen und Projekten zur Lehrergesundheit. Viele Schulen möchten sich auf den Weg machen und die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass ihre Lehrkräfte gesund bleiben und gerne arbeiten. Dabei reichen die Angebote derzeit noch lange nicht aus, um diesen Bedarf zu decken.

Auch die Forschung zur Lehrergesundheit hat erst seit den 90er Jahren eine Belebung erfahren, vor allem seit 2005 steigt die Zahl an Forschungsarbeiten zu Themen der Lehrerbelastung. Dass das Forschungsinteresse am Thema Lehrergesundheit erst vor wenigen Jahren geweckt wurde ist umso verwunderlicher, wenn man sich verdeutlicht, dass Lehrkräfte mit über 665.000 voll- und teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrern (im Schuljahr 2008/09) vermutlich eine der größten homogenen Berufsgruppen in Deutschland sind. Es handelt sich hier um eine Berufsgruppe, die nicht nur zahlenmäßig von Bedeutung ist, sondern auch von ihrem Auftrag her - hängt es doch von der Qualität der Schulbildung und -erziehung in nicht unerheblichem Umfang ab, was und wie Kinder und Jugendliche lernen. Lehrkräfte beeinflussen die zukünftigen Generationen der Bürgerinnen und Bürger und haben damit einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Gesellschaft. Inzwischen belegen auch immer mehr empirische Ergebnisse, dass die Gesundheit der Lehrkräfte einer Schule sich maßgeblich auf die Unterrichtsqualität und damit auch auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler auswirkt (vgl. z. B. Klusmann & Kunter et al., 2006, Rothland & Klusmann, 2012). Auch eine Untersuchung von McKinsey (2007) konstatierte, dass die (Unterrichts-)Qualität der Lehrerinnen und Lehrer der wichtigste Erfolgsfaktor von Bildungssystemen ist. Voraussetzung für diese Qualität ist demnach die Gesundheit der Lehrkräfte.

Das bedeutet: Die Förderung der Lehrergesundheit ist keine "Privatsache" von einzelnen Lehrkräften, sondern ein Beitrag zur Qualitätssicherung der einzelnen Schule und des Bildungssystems insgesamt.

In diesem Kapitel soll deshalb die Thematik der Lehrergesundheit genauer in den Blick genommen werden. Dabei geht es vor allem um die psychische Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer.

Im ersten Teil des Kapitels wird eine Definition von Gesundheit vorgestellt und ein Bedingungsmodell von individueller Gesundheit eingeführt. In einem weiteren Teil des Kapitels werden die schönen und die belastenden Seiten des Lehrerberufs diskutiert. Im Mittelpunkt des Kapitels stehen dabei die individuellen und organisationalen Ressourcen, deren Förderung zu mehr Lehrergesundheit und Wohlbefinden beiträgt.

Folgende zwei Fragen sollen durch das Kapitel beantwortet werden:

  • Was kann die einzelne Lehrkraft dazu beitragen, dass sie (psychisch) gesund bleibt?
  • Was kann das soziale System Schule sowie die Schulleitung dazu beitragen, dass Lehrkräfte gesund, leistungsbereit und leistungsfähig bleiben?
Tipp
Unter www.handbuch-lehrergesundheit.de finden Sie Übungen zur Förderung der Lehrergesundheit und ein Glossar zu Begriffen aus diesem Kapitel.

2.1 Gesundheit - Definition, Hintergründe, Theorien

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In den letzten Jahrzehnten hat sich ein ganzheitlicher und positiver Gesundheitsbegriff durchgesetzt. Im Vordergrund steht nicht mehr die Frage, was Menschen krank macht, sondern mehr und mehr die Frage danach, was sie gesund hält. In der Fachsprache wird dieser Blick auf Gesundheit auch "Salutogenese" genannt.

Definition: Salutogenese

Salutogenese: Beschreibung von Faktoren, die zur Entstehung (Genese) und Erhaltung von Gesundheit führen.

Pathogenese: Beschreibung von Faktoren, die zur Entstehung (Genese) und Erhaltung einer Krankheit führen.

Der salutogenetische Ansatz beschäftigt sich, ganz im Gegensatz zur Pathogenese, nicht mit der Frage "Warum wird der Mensch krank?", sondern mit der Frage "Was hält den Menschen gesund?".

Gesundheit ist dabei kein eindeutig definierbares Konstrukt; sie ist kaum fassbar und nur schwer zu beschreiben (Hurrelmann, Franzkowiak, 2011). Je nach zugrunde liegender disziplinärer Orientierung wird Gesundheit unterschiedlich definiert. Seit der Umschreibung in der Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1948 sind sich aber alle an der Gesundheitsforschung Beteiligten darüber einig, dass Gesundheit als multidimensional definiert wird: Sie umfasst körperliche, seelisch-geistige und soziale Anteile, die sich wechselseitig beeinflussen - in den späten 1990er Jahren wurden in Abschlussdokumenten zentraler Konferenzen und Versammlungen der WHO noch die ökologische und eine spirituelle (in der Bedeutung von "Lebenssinn") Dimension hinzugefügt (Hurrelmann & Franzkowiak, 2011). Gesundheit wird nicht als Zustand, sondern als "Stadium", als ein lebensgeschichtlich und alltäglich immer neu zu regulierendes Potenzi...

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