1.3.1 Angesprochener Personenkreis nach § 15 ArbSchG

Die "Beschäftigten" sind Normadressaten des 3. Abschnittes des ArbSchG. Damit wurde eine Erweiterung vollzogen gegenüber dem das Arbeitsrecht dominierenden Begriff des "Arbeitnehmers". Der Beschäftigten-Begriff des § 15 umfasst alle Personen, die aufgrund einer rechtlichen Beziehung – das muss nicht nur ein Arbeitsvertrag sein – zu einem Arbeitgeber Arbeitsleistungen erbringen und deren Gesundheit in diesem Zusammenhang schutzwürdig ist.

Hauptgruppe der durch § 15 ArbSchG angesprochenen Personen sind aber die Arbeitnehmer, also diejenigen, die aufgrund eines Arbeitsvertrags im Dienste eines anderen stehen und zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sind.[1]

Dazu gehören auch Teilzeitbeschäftigte nach § 2 TzBfG und auch nur vorübergehend in Vollzeit oder Teilzeit beschäftigte Aushilfen. Normadressaten sind darüber hinaus die Leiharbeitnehmer i. S. des AÜG und die Werkvertragsarbeitnehmer. Für Leiharbeitnehmer gelten nach § 11 Abs. 6 AÜG bzw. nach § 16 Abs. 1 SGB VII die gleichen Arbeitsschutzvorschriften wie für die Stammbelegschaften des Entleihers. Nach § 5 DGUV-V 1 muss der Auftraggeber den Auftragnehmer im Rahmen des Werkvertrags dazu verpflichten, die im Betrieb des Auftraggebers geltenden Unfallverhütungsvorschriften nebst Technischer Regeln zu beachten.

[1] So auch BAG, Urteil v. 15.4.1993, 2 AZB 32/92 in NJW 1993, 2458; BAG, Urteil v. 16.2.2000, 5 AZB 71/99 in NZA 2000, 385.

1.3.2 Anwendungsbereiche

Die Pflichten der Beschäftigten zur aktiven Teilhabe am Arbeitsschutz gelten in allen nur denkbaren Anwendungsbereichen i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG und reichen weit über den durch das BetrVG und die Personalvertretungsgesetze von Bund und Ländern skizzierten Bereiche hinaus. Der Bereich der Freien Berufe zählt ebenso dazu wie Religionsgemeinschaften und karitative Einrichtungen ungeachtet der Frage, ob sie zudem auch noch Erwerbscharakter haben.

Keine Rechtsgeltung haben die Verpflichtungen der Arbeitnehmer zum aktiven Mitwirken beim Arbeitsschutz im Bereich der Heimarbeit. Der Bereich der Heimarbeit ist durch § 2 Abs. 2 Ziffer 4 ArbSchG explizit ausgenommen. Insofern ist zu verweisen auf den 5. Abschnitt des Heimarbeitsgesetzes.

 
Praxis-Beispiel

Elektrische Leitungen

Im Großraumbüro eines Versicherungskonzerns muss eine Angestellte darauf achten, dass die elektronischen Zuleitungen zu ihrem PC und ihrer Schreibtischleuchte nicht zur Stolperfalle für die übrige Belegschaft werden. Eine gleichartige Verpflichtung besteht, wenn die entsprechende Tätigkeit durch Tele-Heimarbeit in der eigenen Wohnung erledigt wird, gegenüber den eigenen Familienangehörigen sowie Dritten (Spielkameraden der eigenen Kinder) nicht.

1.3.3 Inhalt und Umfang der Verantwortung

§ 15 Abs. 1 ArbSchG beinhaltet neben der generellen Eigenvorsorge-Verpflichtung auch die Pflicht, für die Sicherheit und die Gesundheit der von ihren Handlungen und Unterlassungen bei der Arbeit betroffenen Personen zu sorgen.

Verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen limitieren die Verpflichtung der Beschäftigten. Es gibt insofern weder einen ultimativen noch einen unbegrenzten "uferlosen" Arbeitsschutz, den Beschäftigte sicherstellen müssten.

1.3.4 Subjektive Rahmenbedingungen beim Beschäftigten

Die erste Einschränkung enthält § 15 Abs. 1 ArbSchG dahingehend, dass die Beschäftigten für die Sicherheit und Gesundheit dritter Personen sorgen müssen, und zwar

  • gemäß der Unterweisung durch den Arbeitgeber,
  • nach ihren Möglichkeiten.

D. h. zunächst, dass der Slogan "Nichts ist unmöglich …" hier nicht trägt. Den Beschäftigten soll nichts abverlangt werden, wozu sie persönlich (subjektiv) nicht in der Lage sind. Die – im wahrsten Wortsinne – natürlichen Grenzen werden gesetzt durch die Befähigung der Beschäftigten zur Wahrnehmung ihrer Pflicht. Dabei haben die Arbeitnehmer allerdings alle ihnen von Natur aus gegebenen körperlichen und geistigen Kräfte einzusetzen und sich zu bemühen "nach besten Kräften" ihren Beitrag zum Arbeitsschutz zu leisten.

Dies ist das rechtliche Spiegelbild zu § 7 ArbSchG, wonach der Arbeitgeber bei der Übertragung von Aufgaben die persönlichen Voraussetzungen berücksichtigen muss, die ein Arbeitnehmer mitbringt.

Die amtliche Begründung zu § 7 ArbSchG stellte seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren darauf ab, ob die Beschäftigten körperlich (z. B. gemessen an ihrer Hör- und Sehfähigkeit) und geistig (z. B. Auffassungsgabe) in der Lage sind, die für die Arbeiten maßgeblichen Schutzvorschriften und angeordneten Schutzmaßnahmen zu erfassen und durchzuführen.

Des Weiteren muss die unterschiedliche Fähigkeit der Beschäftigten berücksichtigt werden, komplexe, zumeist technisch basierte Vorgänge zu verstehen und zu verfolgen. Hingegen muss die Fähigkeit, sich mit dem einzelnen Inhalt von Vorschriften vertraut zu machen, voll ausgenutzt werden können. Ein fahrlässiger oder gar vorsätzlicher Verstoß hiergegen kann Ahndungen nach sich ziehen, zumal das Nachteilsverbot aus § 9 ArbSchG nur für ein fehlerhaftes Handeln bei unmittelbarer erheblicher Gefahr vorgesehen ist, nicht aber bei einer zu erwartenden und zu fordernden Reaktion bei normaler Ge...

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