6.1 Erfolgsgrundlagen

Unternehmen mit Best-Practice-Standards für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit legen neben der technischen und organisatorischen Güte ihres Arbeitsschutzes höchsten Wert auf die Einbindung aller Beteiligten. Über Jahre hinweg schaffen diese Firmen eine signifikante Reduzierung der Unfälle und arbeitsbedingten Erkrankungen. Dennoch bleibt weiterhin ein Bodensatz an Unfallereignissen, der fast ausschließlich (über 90 %) verhaltensbedingte Ursachen hat. Hier entwickelt der verhaltensorientierte Arbeitsschutz (international: Behavior-Based-Safety, BBS) sein ganzes Potenzial für Nachhaltigkeitssicherung.

BBS hat 4 Erfolgsgrundlagen:

  1. Entwicklung einer eindeutigen, motivierenden Unternehmensvision für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit;
  2. Implementierung der aus der Vision abgeleiteten Werte, Ziele und Einstellungen in allen Bereichen und Ebenen des Unternehmens;
  3. Selbstverpflichtung aller Führungskräfte, durch ihr Vorbild und persönliches Verhalten zu zeigen, dass sie der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit die gleiche Priorität wie der Qualität, Produktivität und Wirtschaftlichkeit einräumen;
  4. alle Beschäftigten zu einer Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit für die Wahrung der eigenen Sicherheit und Gesundheit und die der anderen zu führen.

Ausgangsbasis ist immer eine klare Vision und Zieldefinition seitens der Unternehmensführung. Darin sollte zum Ausdruck kommen, dass man Unfälle und Krankheit bei der Arbeit grundsätzlich für vermeidbar hält. Beispielhaft kann man bei vorbildlichen Firmen häufig die Vision finden: "Alle Mitarbeiter gehen jeden Tag gesund von der Arbeit nach Hause".

 
Wichtig

Bereitschaft zum Kulturwandel fördern

Die Unternehmensleitung fördert und fordert durch eine offene und für alle transparente Kommunikation der Ziele, Werte und Vorgehensweisen eine starke Identifikation der nachgeordneten Führungsmannschaft und deren Bereitschaft zum Kulturwandel. Und sie verhindert ein in der Praxis häufiger zu erlebendes "Durchdelegieren" der Verantwortung nach unten. Die letzten in der Führungskette (Meister, Schichtführer, Vorarbeiter) sollen es dann "richten". Gerade sie brauchen aber den Rückhalt, die Unterstützung von "oben" und die Entscheidungsbefugnisse, um ihrer Verantwortung gerecht werden zu können.

6.2 Einstellungs und Verhaltensänderung in der Praxis

Verletzungen und Erkrankungen aufgrund verhaltensbedingter Ursachen senkt man konkret, indem vorrangig die Zahl der unsicheren und gesundheitsbeeinträchtigenden Handlungen reduziert wird. Das gelingt am besten durch eine Frequenzerhöhung der sicheren und gesunden Handlungsweisen.

Zunächst sind in Arbeits- und Betriebsanweisungen sichere Handlungsanleitungen gegeben. Darüber hinaus empfiehlt es sich, für typisch unfallträchtige Arbeitsbereiche, wie "im Betrieb unterwegs", "Umgang mit Werkzeug und Maschinen", "Arbeiten in der Höhe", sowie einige grundsätzliche Verhaltensziele sog. Schlüsselverhaltensweisen zu definieren und zu implementieren. Sie sind eindeutig formuliert und gelten für alle Betriebsmitglieder sowie Betriebsfremde gleich. Wenn Schlüsselverhaltensweisen konsequent eingefordert und trainiert werden, verändern sich sukzessive unerwünschte Verhaltensgewohnheiten und Einstellungen mit dem Effekt auch einer nachhaltigen Reduzierung des Unfallgeschehens.

6.2.1 Beobachtung und Sicherheitsgespräch

Verhalten wird gesteuert von Überzeugungen, Werten, Gewohnheiten, Wissen und Können. Verhaltensänderung ist sowohl ein kognitiver als auch emotionaler Prozess. Verhaltenssteuerung im Arbeitsschutz benötigt konsequente Begleitung, regelmäßige Beobachtung und situationsbezogene Kommunikation (Sicherheitsgespräch). Diese Interventionen sollten stets 3 Ziele verfolgen:

  1. Die Häufigkeit der Wahrnehmung/Beobachtung unsicherer Situationen und unsicheren Verhaltens erhöhen;
  2. Anerkennung und Verstärkung erwünschten Verhaltens bestätigen und fördern;
  3. Betroffenheit erzeugen, um eigenmotivierte, selbstverantwortliche Korrektur unerwünschten Verhaltens zu initiieren.
 
Praxis-Beispiel

Fehlende Schutzausrüstung

Die Kommunikation mit einem Mitarbeiter, der beispielsweise eine geforderte Schutzausrüstung nicht angelegt hat, könnte etwa so verlaufen:

"Herr Meier, darf ich Sie bitte einmal kurz unterbrechen? Ich sehe Sie gerade bei der Arbeit an der Bohrmaschine; was könnte mir gerade zur Arbeitssicherheit aufgefallen sein?" (In den meisten Fällen weiß der Mitarbeiter, was fehlt, und bestätigt z. B.: Schutzbrille.) "Was könnte passieren, wenn Sie die Brille nicht tragen? Was könnte schlimmstenfalls passieren?" Evtl. ergänzend: "Haben Sie Probleme mit der Schutzbrille? Kann ich da etwas für Sie tun?"

Mit diesen Fragestellungen schützt sich der Ansprechende selbst vor raschen Vorhaltungen und gibt dem Gegenüber Gelegenheit, Stellung zu beziehen und einen Selbsterkenntnisprozess in Gang zu setzen.

 
Wichtig

Schnelle und konsequente Reaktion

Für den Erfolg des verhaltensorientierten Arbeitsschutzes ist schnelles und konsequentes Reagieren auf unerwünschtes bzw. gewünschtes Verhalten ausschlaggebend. Ziel sollte sein, über die Ebene der Führungskräfte hinaus mögli...

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