Circa 40 % der Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Klein- und Kleinstbetrieben mit weniger als 50 bzw. weniger als zehn Beschäftigten.[1] Klein- und Kleinstbetriebe bieten große Potenziale für die gesundheitsförderliche Weiterentwicklung von Prozessen und persönlichen Verhaltensweisen der Beschäftigten.[2] Sie weisen gegenüber großen und auch größeren mittelständischen Unternehmen eine Reihe betriebsstruktureller bzw. arbeitsprozessbezogener Besonderheiten auf, die für die Planung und Umsetzung betrieblicher Gesundheitsförderung bedeutsam sind:

  • geringere Arbeitsteiligkeit der Produktions- und Dienstleistungsprozesse
  • kürzere Kommunikations- und weniger formalisierte Entscheidungswege
  • häufig fehlende Belegschaftsvertretungen und Strukturen des Arbeitsschutzes
  • meist flachere Hierarchien und geringere soziale Distanz zwischen Führungskräften und Mitarbeiterschaft (insbesondere in eigentümergeführten Unternehmen)
  • damit verbunden geringere Distanz von Berufs- und Privatsphäre
  • größere Flexibilitätsanforderungen
  • insbesondere bei Familienbetrieben Mitarbeit ehemaliger Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter bzw. erfahrener Fachkräfte bis ins hohe Alter

Diese Merkmale von Klein- und Kleinstunternehmen haben für die betriebliche Gesundheitsförderung teils fördernde, teils hemmende Auswirkungen. Fehlende Mitbestimmungs- und Arbeitsschutzstrukturen als mögliches Hemmnis für die Gestaltung betrieblicher Gesundheitsförderung können sehr gut durch die kürzeren Entscheidungswege in ihrer Wirkung kompensiert werden. Die Besonderheiten von Kleinbetrieben führen in der Regel dazu, dass die betriebliche Gesundheitsförderung informeller angelegt ist als in größeren Betrieben und neben dem Tagesgeschäft von nicht speziell hierfür ausgebildeten Verantwortlichen initiiert und gesteuert werden muss. Der Inhaberin oder dem Inhaber des Klein(st)betriebs kommt noch stärker als in größeren Unternehmen eine Schlüsselrolle für die Initiierung und Ausrichtung von betrieblicher Gesundheitsförderung zu. Bei der Ansprache und Motivierung sollten daher die besonderen Bedürfnisse der Inhaberin oder des Inhabers Berücksichtigung finden.

Bei Zugrundelegung dieser Rahmenbedingungen sollte der Kreis von Unternehmen, in denen krankenkassenseitig Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung finanziell oder strukturell unterstützt werden, auf diejenigen fokussiert werden, die gesundheitliche Fragen auf der Entscheider-Ebene ernst nehmen bzw. bereits begonnen haben, gesundheitliche Kriterien in die betrieblichen Abläufe zu integrieren. Eine diesbezügliche Eigeninitiative des Klein- und Kleinstbetriebs sollte erkennbar sein. Isolierte einmalige und primär von externen Akteuren getragene Aktivitäten der betrieblichen Gesundheitsförderung haben sich hinsichtlich einer dauerhaften Wirksamkeit demgegenüber – unabhängig von der Betriebsgröße – nicht bewährt.

Die unmittelbare Betreuung von Klein- und Kleinstbetrieben im Rahmen der BGF erfolgt grundsätzlich wie diejenige größerer Betriebe entsprechend dem betrieblichen Gesundheitsförderungsprozess mit den Schritten "Analyse", "Maßnahmenplanung", "Umsetzung" und "Evaluation". Das für die Analyse der gesundheitlichen Situation im Betrieb nutzbare Methodenrepertoire konzentriert sich bei Klein- und Kleinstbetrieben stärker auf Verfahren mit direktem Kontakt. Arbeitsunfähigkeitsanalysen von Krankenkassen und schriftliche Beschäftigtenbefragungen kommen aus Datenschutzgründen nur eingeschränkt infrage; zur Sensibilisierung können hier auch entsprechende branchenspezifische Erhebungen herangezogen werden. Daher ist in Kleinbetrieben eine Konzentration auf beteiligungsorientierte Verfahren wie z. B. Gesundheitszirkel und Gruppendiskussionen in allen Phasen des Gesundheitsförderungsprozesses sinnvoll.

Die mittelbare Betreuung auf überbetrieblicher Ebene (z. B. über Branchenverbände, Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Kreishandwerkerschaften) ist eine gerade für KIein- und Kleinstbetriebe sinnvolle Betreuungsform, um möglichst vielen dieser Betriebe und deren Beschäftigten die Teilnahme an betrieblicher Gesundheitsförderung zu ermöglichen (vgl. hierzu Handlungsfeld "Überbetriebliche Vernetzung und Beratung", Kapitel 6.7.4). Bei mittelbarer Betreuung durch überbetriebliche Vernetzung können z. B. regelmäßige Sitzungen des Steuerungsgremiums durch die Teilnahme an moderierten Projekttagen ersetzt werden. An diesen treffen sich die in betrieblicher Gesundheitsförderung aktiven Unternehmer und/oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus mehreren Kleinbetrieben der Region, um sich gegenseitig geplante oder laufende Projekte vorzustellen, Erfahrungen auszutauschen und – ggf. unter Hinzuziehung externer Expertinnen und Experten – gemeinsam die nächsten Schritte zu diskutieren. Vielfach bestehen in den Regionen auch Unternehmensnetzwerke, die den Erfahrungsaustausch organisieren sowie Lernmöglichkeiten und wechselseitige Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Projekten bieten. Krankenkassen ...

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