Entscheidungsstichwort (Thema)

Fachkraft für Arbeitssicherheit

 

Leitsatz (amtlich)

Das Arbeitssicherheitsgesetz geht grundsätzlich von dem Modell einer sicherheitstechnischen Stabsstelle im Betrieb aus. Damit steht nicht im Einklang, wenn die Fachkraft für Arbeitssicherheit organisatorisch und disziplinarisch einem Abteilungsleiter unterstellt wird.

 

Normenkette

ASiG § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 29.08.2002; Aktenzeichen 3 Ca 844/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.08.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 3 Ca 844/02 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den Kläger als Fachkraft für Arbeitssicherheit organisatorisch an den Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) anzubinden.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bis zum 28.06.2001 bestehenden Bedingungen als Sicherheitsingenieur im Rahmen einer Stabsstelle unmittelbar unter der Geschäftsleitung weiterzubeschäftigen.
  3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, den bei ihr als Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sicherheitsingenieur) beschäftigten Kläger organisatorisch nicht mehr unmittelbar an die Geschäftsleitung, sondern an die Abteilungsleitung eines Fachbereichs (Umwelt/Qualitätsmanagement) anzubinden.

Der Kläger steht seit dem 01.01.1986 als vollzeitbeschäftigter Sicherheitsingenieur in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Die beklagten Stadtwerke waren bis 1999/2000 Eigenbetrieb. Der Kläger unterstand unmittelbar dem „ersten und kaufmännischen Werkleiter” Prof. Dr. Ing. Z (Organisationsplan Bl. 207 d. A.). Mit einer als Versetzung bezeichneten Erklärung vom 29.06.2001 (Bl. 52 d. A.) wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung dem Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) zugeordnet. Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Maßnahme zugestimmt. Im Zustimmungsantrag beschrieb die Beklagte die Maßnahme wie folgt: „Die Aufgaben der Arbeitssicherheit und des Qualitätsmanagements sollen ab sofort gebündelt werden, damit künftig ein umfassendes Leistungspaket zur Verfügung steht. Es ist daher sinnvoll, die Fachkraft für Arbeitssicherheit organisatorisch/disziplinarisch an den Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) anzubinden und die bisher SI zugeordnete Schreibkraft personell in QM zu integrieren.” Weiter heißt es in dem Antrag: „Die fachliche Zuordnung der FASi an die Geschäftsführungen der einzelnen Gesellschaften des S -Konzerns sowie das direkte Vortragsrecht der FASi vor den Geschäftsführungen bleibt unverändert bestehen.” Organisatorisch ist der Kläger nicht mehr der Geschäftsführung mit Herrn Prof. Dr. Ing. Z und Herrn R, sondern dem Leiter der Abteilung Umwelt/QM, Herrn Dipl.-Ing. D zugeordnet. In den Organigrammen vom Juni 2001 und zuletzt vom Januar 2003 (Bl. 37, 166 d. A.) ist angemerkt „fachliche Zuordnung (Vortragsrecht) an GF.”

Mit Schreiben vom 18.07.2001 und 14.10.2001 hat der Kläger gegen diese Maßnahme protestiert und am 15.03.2002 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Versetzung in den Fachbereich Qualitätsmanagement verstoße gegen die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 2 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), die eine unmittelbare Unterstellung unter die Geschäftsleitung – auch organisatorisch und disziplinarisch – vorsehe. In der Unterordnung unter den für Umwelt und Qualitätsmanagement zuständigen Leiter bestehe außerdem die Gefahr einer Abhängigkeit der Belange der Arbeitssicherheit vom Qualitätsmanagement. Demgegenüber hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, die Vorschrift des § 8 ASiG beziehe sich nicht auf Organisationsfragen, sondern auf die fachliche Weisungsunabhängigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Diese sei nach wie vor gegeben. Die materielle Weisungsfreiheit sei von der formellen organisatorischen Anbindung zu unterscheiden. Sie verfolge mit der organisatorischen Anbindung des Sicherheitsingenieurs an die Abteilung QM sachliche Gründe, um den betrieblichen Ablauf zu verbessern und zu beschleunigen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

  1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den Kläger als Fachkraft für Arbeitssicherheit organisatorisch an den Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) anzubinden,
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bis zum 28.06.2001 bestehenden Bedingungen als Sicherheitsingenieur im Rahmen einer Stabsstelle unmittelbar unter der Geschäftsleitung weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist begründet. Di...

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