Verhandeln ist ein permanenter Bestandteil unseres beruflichen wie privaten Alltags. Die Methode des sachbezogenen Verhandelns wurde von den US-amerikanischen Wissenschaftlern Roger Fisher und William L. Ury bereits Anfang der 80er-Jahre an der Harvard-Universität entwickelt[1] Ziel der Verhandlungsmethode ist es, bei schwierigen, komplexen Themen, weitreichenden Entscheidungen, bei Veränderungsprozessen oder in Konfliktsituationen möglichst konstruktive bzw. friedliche Einigungen zu erzielen, um Win-Win-Lösungen für alle beteiligten Seiten zu erlangen.

In der Praxis ist das nicht immer leicht zu erreichen, weil viele Menschen dazu neigen, zunächst auf ihren Positionen und Absichten zu verharren statt Bereitschaft für die Anliegen und Interessen der anderen zu haben. Besonders bei harten Auseinandersetzungen kommen dann noch Emotionen hinzu, die eher den Kampf verstärken als Lösungen fördern.

 
Wichtig

Keine Tricks

Die Methode des sachbezogenen Verhandelns ist hart in der Sache, aber weich gegenüber dem Menschen. Sie benutzt keine Tricks und kein Imponiergehabe.

Ausgehend von diesen Gegebenheiten formuliert das Harvard-Konzept 4 Grundsäulen für gelingende Verhandlungen:

  1. Menschen: Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln
  2. Interessen: Nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt stellen
  3. Möglichkeiten: Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln
  4. Kriterien: Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen

Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln, bedeutet die Beziehungsebene von der Sachebene zu trennen. Dabei bleiben die Verhandlungspartner durchaus hart in der Sache, aber positiv und wertschätzend gegenüber dem Menschen. Es gilt, soweit wie möglich auf gegenseitigen Nutzen hinzuarbeiten und dort, wo sich einander widersprechende Interessen herausstellen, nach Überwindung zu streben. Wichtig dabei ist, dass das Ergebnis auf Prinzipien beruht, die fair sind und von allen Seiten akzeptiert werden.

[1] Fisher/Ury/Patton/Egger: Das Harvard-Konzept: Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse, Campus Verlag, 2015.

5.1 Nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt stellen

 
Praxis-Beispiel

Sachebene finden

Der führungsverantwortliche Meister und ein Mitarbeiter streiten über die Notwendigkeit von Schutzhandschuhen bei der Arbeit – ohne Lösung. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit fragt beide nach ihren Gründen. Der Meister sagt, es bestehe Schnittgefahr. Der MA wendet ein, es sei noch nie etwas passiert und die Handschuhe würden beim Arbeiten stören. Nachdenken brachte für beide eine Lösung. Durch eine Gefährdungsbeurteilung wurden die unsicheren Tätigkeiten definiert und der MA erhält dafür passgenaue, arbeitsgerechte Handschuhe.

Um vernünftige Ergebnisse zu erzielen, gilt es, die Interessen, nicht die Positionen in Einklang zu bringen (s. Abb. 2). Das Grundproblem bei Verhandlungen liegt im Konflikt beiderseitiger Nöte, Wünsche, Sorgen und Ängste. Solche Grundprobleme sind Interessen. Hinter gegensätzlichen Positionen liegen sowohl gemeinsame und ausgleichbare Interessen, als auch sich widersprechende, wie im Beispiel verdeutlicht. Meister und Mitarbeiter wollen beide eine Verletzung vermeiden. Zusätzlich interessiert den Mitarbeiter aber auch ein bequemes Arbeiten. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit konnte für beide Parteien mit der Gefährdungsbeurteilung Klarheit zum tatsächlich bestehenden Risiko vermitteln. Gleichzeitig erfüllte der Vorschlag, bequeme, sicherheitsgerechte Handschuhe einzusetzen, den Wunsch des Mitarbeiters.

Abb. 2: Nicht Positionen, sondern Interessen sind in Einklang zu bringen

5.2 Was sind die auszugleichenden Interessen?

Um einen Ausgleich der Interessengegensätze zu finden, müssen zunächst die Interessen geklärt werden. Wie funktioniert das?

  • Fragen Sie: "Aus welchen Gründen/Überlegungen/Erfahrungen heraus möchten Sie, dass …?" Bedenken Sie die Rückwirkungen auf andere Interessen.
  • Erkennen Sie, dass alle Beteiligten vielfältige Interessen haben. Im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes hat jeder Verhandlungspartner (Akteur) Bezugsebenen, wie Vorgesetzte, Betriebsrat, Mitakteure (z. B. Betriebsarzt), Berufsgenossenschaft, Gesetzesanforderungen, ökonomische Bedingungen usw., auf deren Interessen und Maßgaben er Rücksicht nehmen muss.
  • Die wichtigsten Interessen sind die menschlichen Grundbedürfnisse, wie z. B. Sicherheit, Unversehrtheit, wirtschaftliches Auskommen, ökonomischer Erfolg, Anerkennung, Selbstbestimmung etc. Erstellen Sie eine Liste über die möglichen Interessen Ihrer Verhandlungspartner, bevor Sie in wichtige Gespräche gehen.
  • Sprechen Sie über Ihre Interessen und machen Sie sie deutlich. Erkennen Sie die Interessen der anderen als Teil des Problems an. Jeder Mensch hat die Tendenz zu einer Fokussierung auf die eigenen Interessen, sodass er viel zu wenig auf die der anderen achtet.
  • Weitere Fragen können sein: "Was sind Ihre Ziele?","Was wünschen Sie sich …?", "Wo liegen evtl. Gemeinsamkeiten bezüglich ...?", "Auf welche Anforderungen, Notwendigkeiten, Bedingungen usw. müssen Sie Rücksicht nehmen?"

5.3 Optionen zum beiderseitigen Vorteil suchen

Obwohl es nützlic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Arbeitsschutz Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge