Arbeitsmedizinische Vorsorge erfolgt grundsätzlich im Interesse des Beschäftigten zur frühzeitigen Erkennung und Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen mit der zentralen Fragestellung, ob von der Tätigkeit eine Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten ausgeht. Sie dient damit ausschließlich dem Selbstschutz des Individuums.

Pflichtvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten zu veranlassen hat. Diese Tätigkeiten sind abschließend im Anhang der ArbMedVV aufgeführt (Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, Biostoffen, Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen sowie sonstige Tätigkeiten, die zu arbeitsbedingten Erkrankungen führen können). Die Durchführung der erforderlichen Pflichtvorsorge ist Tätigkeitsvoraussetzung. Neben der Erscheinungspflicht zum ärztlichen Termin rückt das betriebsärztliche Beratungsgespräch über die Wechselwirkungen zwischen Arbeit und Gesundheit einschließlich einer Besprechung der individuellen gesundheitlichen Situation in den Mittelpunkt der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Den Beschäftigten wird die Entscheidung offengelassen, ob und in welchem Umfang sie sich Untersuchungen unterziehen möchten. Dies stärkt die Rechte der Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz. Sie entscheiden grundsätzlich selbst darüber, wann und innerhalb welcher Grenzen sie persönliche Sachverhalte offenbaren wollen.

Angebotsvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die Arbeitgeber bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten anzubieten haben. Diese Tätigkeiten sind ebenfalls abschließend im Anhang der ArbMedVV aufgeführt. Wenn die dort aufgeführten beruflichen Risikoszenarien vorliegen, müssen sie den Beschäftigten die entsprechende arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten. Für Beschäftigte ist die Teilnahme an der Angebotsvorsorge freiwillig, Untersuchungen dürfen ausdrücklich nicht gegen den Willen der betroffenen Beschäftigten durchgeführt werden.

Wunschvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die Arbeitgeber den Beschäftigten nach § 11 ArbSchG zu ermöglichen haben. Die Beschäftigten müssen den Anspruch von sich aus geltend machen. Wunschvorsorge ist nicht auf bestimmte Tätigkeiten begrenzt. Deshalb gibt es in der ArbMedVV auch keinen abschließenden Katalog mit Wunschvorsorgeanlässen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber damit klarstellen, dass in der modernen Arbeitswelt mit ihren vielfältigen Belastungen und Beanspruchungen die Vorsorge nicht auf einen Katalog von "Anlässen" beschränkt bleiben kann, sondern arbeitsmedizinische Vorsorge bei allen Tätigkeiten, die die Gesundheit gefährden können, in Betracht zu ziehen ist. So können beispielsweise psychische Belastungen frühzeitig vom Betriebsarzt mit einer Tätigkeit in Verbindung gebracht und es kann Abhilfe empfohlen werden. Eine arbeitsmedizinische Empfehlung (AME) des Ausschusses für Arbeitsmedizin eröffnet hierzu ein breites Anwendungsspektrum. Werden im Betrieb Gefährdungen ermittelt, sollte der Betriebsarzt beteiligt werden, um zu beraten, ob in diesen Fällen arbeitsmedizinische Vorsorge angezeigt ist. Mit der Wunschvorsorge wird dazu beigetragen, auf betriebsspezifische und individuelle Gesundheitsgefährdungen zu reagieren und neuen Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz zu begegnen. Dies kann in Einzelterminen, im Rahmen von Unterweisungen oder über eine arbeitsmedizinische Sprechstunde erfolgen.

Ganzheitliche arbeitsmedizinische Vorsorge ist keine eigene Vorsorgekategorie. Sie sieht vor, die Beratung zu allen Vorsorgeanlässen in einem Termin zu bündeln und gilt über die Wunschvorsorge auch für alle Bereiche, für die bisher keine Pflicht- oder Angebotsvorsorge angezeigt ist. Sie zielt auf den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, also auf die gesundheitlichen Aspekte, die neben fachlichen und sozialen Fähigkeiten dem Menschen ermöglichen, eine Beschäftigung dauerhaft auszuführen. Daher fordert sie für alle Beschäftigten neben einer ausführlichen Anamnese (s. Abschn. 2.4) mit Sichtung des Impfstatus auch die Erfassung wesentlicher Gesichtspunkte der psychischen Gesundheit und die gezielte Auswahl der ärztlichen Untersuchungsmethoden im Hinblick auf arbeitsbedingte Fehlbeanspruchungen und Erkrankungen. Anhand des aktuellen Risikoprofils sollen dann die Untersuchungsergebnisse besprochen und die Beschäftigten individuell beraten werden. Auf Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung und Unterstützungsangebote der Krankenkassen kann ergänzend hingewiesen werden. Bei Einführung neuer Arbeitsverfahren mit noch unbekannten Belastungen kann die Wunschvorsorge auch proaktiv vom Arbeitgeber niederschwellig angeboten werden.

Arbeitsmedizinische Vorsorge erfordert von Betriebsärzten eine ganzheitliche arbeitsmedizinische Betrachtung der vielfältigen beruflichen Belastung von Beschäftigten in modernen Unternehmen. Dabei gilt es auch, den Zusammenhang mit der individuellen Gesundheitssituation der Beschäftigten zu berücksichtigen.

"Ganzheitlichkeit" bedeutet hier die sinnvolle Vernetzu...

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