Eine umfassende Diagnose der Gesundheit, des Belastungserlebens und der Arbeitssituation in einem Kollegium braucht ein theoretisches Rahmenmodell, wie die Definition von Diagnose nach Helmke (2009, vgl. Kap. 8.1) deutlich macht. Eine wissenschaftliche Basis kann eine gezielte und begründete Erfassung des Gesundheitsstatus sowie dessen beeinflussende Faktoren ermöglichen.

Angesichts der Fülle von sehr unterschiedlichen Diagnose-Instrumenten für Schulen und Lehrkräfte wird deutlich: Die Auswahl reicht von extern auszuwertenden Fragebögen bis hin zu Checklisten und Diagnose-Workshops. Eine Übersicht mit einer Beschreibung verschiedener Diagnose-Instrumente erhalten Sie unter www.handbuch-lehrergesundheit.de und im Kapitel 8.8.

Der wissenschaftliche Hintergrund von Instrumenten erschließt sich Schulen nicht immer auf den ersten Blick. Umso wichtiger ist es, bei der Auswahl des Instruments darauf zu achten, welchen theoretischen Hintergrund die Autoren oder Anbieter des jeweiligen Diagnose-Tools haben. Gerade im Themenfeld der Lehrergesundheit unterscheiden sich die Instrumente. Manche zielen überwiegend auf die Erfassung persönlicher Ressourcen und Bewältigungsstile (Verhaltensprävention) ab, andere versuchen, die Schulsituation eher aus der Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (Verhältnisprävention) abzubilden. Inzwischen wurde auch eine Reihe von Instrumenten entwickelt, die versuchen, ein möglichst genaues Bild der Arbeitssituation an der Schule zu zeichnen (Verhältnisprävention). Für eine umfassende Diagnose wäre es wichtig, Instrumente zu verwenden, die sowohl das Verhalten (Ressourcen und Bewältigungsverhalten der einzelnen Lehrkräfte) als auch die Verhältnisse (Arbeitssituation) untersuchen.

Definition

Verhaltensprävention: Sammelbegriff für Strategien, die die Beeinflussung von gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen einzelner Personen beinhalten. Verhaltensprävention kann abzielen auf gesundheitsfördernde Verhaltensweisen (gesunde Ernährung, körperliche Bewegung) oder die Vermeidung und Veränderung von gesundheitsriskanten Verhaltensweisen (Rauchen, Alkoholmissbrauch, einseitige Ernährung)

Verhältnisprävention: Strategien, die auf die Kontrolle, Reduzierung oder Beseitigung von Gesundheitsrisiken in den Umwelt- und Lebensbedingungen der Menschen und auf die Herstellung gesunder Verhältnisse abzielen. Dazu gehören z. B. die Veränderung der Arbeitsbedingungen (Arbeitsschutz, Humanisierung der Arbeit, schulische Gesundheitsförderung), die kommunalen Aktivitäten zur Verbesserung der öffentlichen hygienischen Wohn-, Verkehrs- und allgemeinen Sicherheitsbedingungen (Bäderaufsicht, Kanalisation), die überregionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten zur Stärkung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Menschen (Quelle: Lehmann, 2011, www.leitbegriffe.bzga.de/).

Zudem gibt es eine Reihe von Diagnose-Tools, vgl. die Übersicht unter www.handbuch-lehrergesundheit.de), die sich an den Handlungsfeldern der Qualitätsdimensionen orientieren und damit ebenfalls eine theoretische Basis haben. Auch wenn nicht in allen Fällen Gesundheitsaspekte explizit erfragt werden (Ausnahme: IQES, das sowohl Qualitäts- wie Gesundheitsaspekte beinhaltet), können über solche Instrumente, wie sie in Vorbereitung der schulinternen Evaluation manchmal genutzt werden, gesundheitsrelevante Daten gewonnen werden. Wenn z. B. die Qualitätsdiagnose ergibt, dass das Kollegium und die Schulleitung nicht gut miteinander kommunizieren und es viele Konflikte gibt, kann man davon ausgehen, dass sich hierdurch - je nach Ausprägung und Betroffenheit - Lehrerinnen und Lehrer belastet fühlen, ungern im Lehrerzimmer sitzen und mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden sind (Gesundheitsaspekt). Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, mangelnde Auseinandersetzung über schulspezifische Themen und fehlende Zusammenarbeit können zu einer verminderten Lehrleistung führen und damit langfristig Bildungserfolge der Schülerinnen und Schüler beeinträchtigen (Qualitätsaspekt).

Einen theoretischen Rahmen für eine umfassende Diagnose zur Förderung der Lehrergesundheit könnte das in Kapitel 2 verwendete Gesundheitsmodell (Anforderungs-Ressourcen-Modell nach Becker, 2003) bereiten. In der Abbildung 8.1 wurden den internen und externen Anforderungen und Ressourcen beispielhaft Merkmalsbereiche zugeordnet, mit denen diese erfasst werden können.

Abbildung 8.1: Rahmenmodell für die Diagnose, nach Becker, 2003

Das Rahmenmodell liefert die Kriterien für die Auswahl der Instrumente. Anhand der Zuordnung im Modell kann geprüft werden, ob sowohl bedingungs- als auch personenbezogene gesundheitsbeeinflussende Merkmale erfasst werden (Verhaltens- und Verhältnisprävention). Auch kann geprüft werden, ob durch allgemeine Lehrergesundheitsstudien bekannte berufsspezifische Anforderungen und Ressourcen erfasst werden.

Durch die Verwendung wissenschaftlich geprüfter und theoretisch fundierter Instrumente können die Diagnoseergebnisse mit Ergebnissen aus anderen Studien zur Lehrergesundheit...

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