Empirische Studien zur Lehrergesundheit belegen, dass Lehrkräfte Unterrichtsstörungen, Disziplin- und Motivationsdefizite bei den Schülerinnen und Schülern sowie Korrekturtätigkeiten und Notengebung als belastend erleben. Neben diesen unmittelbar mit der Kerntätigkeit des Unterrichtens verbundenen Arbeitsbedingungen und -merkmalen werden oft auch die Kooperation mit Kolleginnen, Kollegen und der Schulleitung sowie die Schulorganisation und das Klima an der Schule als belastend erlebt (Krause & Dorsemagen, 2007; Schaarschmidt, 2004; van Dick, 2006). Gleichzeitig können aber diese Organisationsmerkmale auch Ressourcen darstellen: Erlebte soziale Unterstützung und Wertschätzung von Kolleginnen, Kollegen und Schulleitung, ein hoher Zusammenhalt im Kollegium sowie eine effiziente Organisation können das Belastungserleben mindern und zur Förderung von Wohlbefinden und Gesundheit beitragen. Die nachfolgende Abbildung gibt wieder, welche Arbeits- und Organisationsbedingungen von den Lehrkräften im Modellprojekt in Münster als belastend erlebt wurden.

Abbildung 3.1: Erlebte Belastungen von Lehrkräften (n = 368, 8 Schulen, Ergebnisse aus einem Projekt, 2007)

Diese Ergebnisse zeigen, dass das Wohlbefinden von Lehrkräften und deren psychische und physische Beanspruchung nicht allein von den spezifischen Anforderungen der Unterrichtstätigkeit bestimmt werden. Vielmehr nimmt die Qualität des sozialen Systems Schule wesentlichen Einfluss auf das Erleben und Verhalten und somit auf die Gesundheit der Lehrkräfte. So zeigt sich, dass insbesondere Tätigkeiten und Aufgaben im Bereich des Schulmanagements und der Schulorganisation von sehr vielen der befragten Lehrkräfte als belastend erlebt werden. Hierbei finden sich zwischen den Schulen erhebliche Unterschiede im Belastungsniveau. Dies verdeutlicht, dass die strukturelle und kulturelle Gestaltung der einzelnen Schule sowie das Ausmaß der Aktivierung von Ressourcen und Problemlösepotentialen sich auf das Belastungserleben und letztlich die Gesundheit der Lehrkräfte auswirken. Das nachfolgende Zitat von Schaarschmidt unterstreicht die Bedeutung der sozialen Verfasstheit einer Schule, also der Qualität des Miteinanders für die Gesundheit von Lehrkräften.

"Dort, wo wir günstigere Beanspruchungsverhältnisse feststellten, fanden wir fast ausnahmslos auch ein gutes soziales Klima. Darunter sei vor allem verstanden, dass die Beziehungen im Kollegium durch Offenheit, Interesse für einander und gegenseitige Unterstützung gekennzeichnet sind und eine Schulkultur besteht, die ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten bei der Durchsetzung schulischer Normen und Ziele aufweist. Dem daraus resultierenden Erleben sozialer Unterstützung ist offensichtlich eine sehr wichtige protektive Funktion zuzuschreiben. Es beugt dem Gefühl vor, als Einzelkämpfer auf verlassenem Posten zu stehen, das vielen Lehrern das Leben so schwer macht." (Schaarschmidt, 2004, S. 150)

An dieser Stelle scheint es günstig, einige grundlegende Annahmen über die Bedürfnisse und Ziele von Menschen zu skizzieren. Zweifelsohne ist der Mensch ein zutiefst soziales Wesen: Sein Verhalten und Erleben werden wesentlich von seinen Interaktionspartnern - oder allgemeiner - seiner sozialen Umwelt bestimmt. Menschen wollen wertgeschätzt werden und sich ernst genommen fühlen, möchten sozialen Gruppen zugehören, aber auch Macht ausüben und sich als einflussreich und bedeutsam erleben. Diese Bedürfnisse lenken das Verhalten von Menschen und an ihnen wird die Beziehung zu anderen Menschen gemessen, wobei diese Bedürfnisse bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausgeprägt sein können. Eine Befriedigung dieser grundlegenden sozialen Bedürfnisse führt zur Steigerung des Wohlbefindens und Selbstwertgefühls. Eine dauerhafte Frustrierung dieser Grundbedürfnisse bewirkt hingegen Missstimmungen, Selbstzweifel, psychische und letztlich physische Beanspruchung (vgl. Schumacher, 2002). Ein drastisches Beispiel für die dauerhafte Frustrierung sozialer Bedürfnisse ist Mobbing, bei dem die Betroffenen Missachtung, Herabsetzung, Ausschluss und Ablehnung erfahren.

Die genannten sozialen Bedürfnisse prägen das Verhalten und Erleben von Menschen auch im beruflichen Umfeld: Mitglieder einer Organisation wünschen sich Anerkennung für ihre erbrachten Leistungen und wollen als Person wertgeschätzt und anerkannt werden. Von Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzen respektiert zu werden und persönliche Sympathie zu genießen, ist wichtig für das Wohlbefinden und auch die Gesundheit von Menschen.

Weiterhin wird die Leistung und Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern von der Qualität ihrer Arbeitstätigkeit bestimmt: Einer als bedeutsam erlebten Tätigkeit nachzugehen, eigenverantwortlich handeln zu können, einen interessanten und vielseitigen Beruf auszuüben und sich mit herausfordernden Aufgaben auseinanderzusetzen, die Kompetenzen fordern und fördern, sind Bedingungen der Arbeit, die zur Förderung von Arbeitszufriedenheit, Motivation und letztlich Gesundheit beitragen.

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