Ungefähr 4,17 Mio. Menschen werden zu Hause gepflegt (Stand 2021), davon 3,12 Mio. Pflegebedürftige von Angehörigen. Von den 40- bis 59-Jährigen, die ein Familienmitglied pflegen, sind fast 80 % erwerbstätig. Ein Zeichen für die mangelnde Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist, dass insbesondere Frauen neben der Pflege oft nur in Teilzeit arbeiten (können). Dies bestätigt sich auch in Umfragen, bei denen über 80 % der pflegenden Angehörigen angeben, dass sich Pflege und Arbeit nicht so gut vereinbaren lassen.

Die Situation pflegender Angehöriger unterscheidet sich spürbar von der Situation junger Eltern:

  • Pflegebedürftigkeit tritt häufig sehr plötzlich auf, z. B. durch einen Sturz oder eine schwere Erkrankung. Angehörige haben so nur sehr wenig Zeit, sich auf die neue Situation vorzubereiten. Eltern dagegen haben mehrere Monate Zeit, um sich vorzubereiten und in den allermeisten Fällen ist die Elternschaft ja auch gewünscht.
  • Der Pflegebedarf bei älteren oder behinderten Angehörigen ist meist völlig unplanbar. Es lässt sich nicht vorhersagen, wie lange die Situation andauern wird oder wann eine Verschlechterung eintritt. Durchschnittlich dauert der Pflegebedarf 8 Jahre.
  • Gerade wenn es um die Pflege der eigenen Eltern geht, ist das auch emotional stark belastend und kann zu Konflikten führen, weil sich die Rollen von versorgender und versorgter Person umkehren.
  • Häufig besteht zumindest am Anfang der Pflege ein großes Informationsdefizit und auch ein Netzwerk zur Versorgung muss erst aufgebaut werden.

Viele Pflegende wollen aber ganz bewusst nicht auf ihre Erwerbstätigkeit verzichten. Das hat einerseits natürlich finanzielle Gründe, andererseits bietet die Arbeit auch eine Möglichkeit der Ablenkung und Anerkennung.

Diese starke Doppelbelastung kann sich sowohl psychisch als auch körperlich auswirken und zu häufigeren schweren Erkrankungen führen.

 
Achtung

Folgekosten beachten

Die Folgekosten für Betriebe pro Beschäftigtem mit Pflegeaufgaben betragen rund 14.000 EUR/Jahr. Hauptkostenfaktor sind dabei erhöhte Krankheitszeiten, Kündigung und die verminderte Leistungsfähigkeit. Durch betriebliche Maßnahmen lassen sich diese Kosten senken.[1]

Wichtig ist es, über das Thema im Betrieb überhaupt zu reden und dazu beizutragen, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten.

Empfehlungen zur Arbeitszeitgestaltung von pflegenden Angehörigen:

  • Vollzeitnahe Teilzeitlösungen, um Einkommenseinbußen zu vermeiden; dafür kann die Familienpflegezeit genützt werden.
  • Flexible Arbeitszeiten, wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Funktionszeit oder Arbeitszeitkonten, helfen dabei, kurzfristige Engpässe abzufedern. Arbeitszeiten sollten möglichst selbst bestimmt werden können.
  • Flexible Gestaltung der Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Woche, z. B. nur an 4 Tagen. So können z. B. längere Anfahrten zu pflegebedürftigen Angehörigen ermöglicht werden.
  • Homeoffice sollte ermöglicht, aber nicht zu häufig genützt werden. Viele Pflegende sind froh darüber, während der Arbeit Abstand zur emotional belastenden familiären Situation zu bekommen.
  • Kurze Auszeiten auf der Grundlage des Pflegezeitgesetzes oder Gewährung von Sonderurlaub oder Sabbaticals.
  • Gänzliche Herausnahme aus der Schichtarbeit oder zumindest Anpassung des Schichtplans an die Pflegesituation.
  • Anpassung von Arbeitsmenge oder -aufgaben, um zusätzlichen Leistungs- und Zeitdruck zu vermeiden.
  • Rücksichtnahme auf die familiäre Situation, z. B. bei Urlaub, Überstunden oder Dienstreisen.
 
Wichtig

Wichtige Gesetze

Das Pflegezeitgesetz gesteht Pflegenden bei akut auftretenden Pflegesituationen das Recht zu, dem Arbeitsplatz bis zu 10 Tagen fernzubleiben, um die Situation zu organisieren. Es besteht auch ein Anrecht auf eine Freistellung für maximal 6 Monate.

Die Familienpflegezeit erlaubt es Beschäftigten, für maximal 2 Jahre ihre wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden zu reduzieren.

[1] Schneider et al.: Betriebliche Folgekosten mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik, Berlin 2011.

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