So sehr die Freiheiten, die mit Arbeiten 4.0 einhergehen können, verlocken, so bedacht muss man mit ihnen umgehen. Wie eingangs erwähnt, wird es in der Arbeitswelt 4.0 Gewinner und Verlierer geben. Die Veränderungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Neuorganisation von Arbeit, sondern auch Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen, die sich in dieser Arbeitswelt zurechtfinden müssen. Sie müssen Anpassungsleistungen erbringen, wenn anders gearbeitet werden muss als sie es bisher gewohnt waren. Da auch die vergangenen 3 Revolutionen der Arbeitswelt bewältigt wurden, kann man auch einigermaßen zuversichtlich in die Arbeitswelt 4.0 blicken. Zumal Revolutionen ja immer auch aus evolutionären Schüben erwachsen. Insbesondere die jüngere Generation von Arbeitnehmern, die mit Informations- und Kommunikationstechnologien groß geworden ist, wird Arbeiten 4.0 eher als logische Konsequenz denn als neues Arbeitsparadigma begreifen.

Wichtige Aspekte des Arbeitens 4.0 werden im Hinblick auf ihre psychischen Auswirkungen auf den arbeitenden Menschen dargestellt:

Der Arbeitskraftunternehmer

Der Umgang mit nahezu unbegrenzter räumlicher und zeitlicher Mobilität erfordert im Gegenzug Disziplin und ein gutes Zeitmanagement. Die Entgrenzung von Arbeit erfordert Abgrenzung. Die Industriesoziologen Voß und Pongratz stellten bereits 1998 das Konzept des "Arbeitskraftunternehmers" vor und fassen die Anforderungen und Erwartungen an Mitarbeiter von heute und morgen zusammen: Der Erwerbstätige geht mit seiner Arbeitskraft um wie ein Unternehmer. Er plant, steuert und überwacht seine Tätigkeiten selbstständig. Wie die Arbeit ausgeführt wird, wann, zu welcher Zeit, an welchem Ort und mit welchen Kooperationspartnern entscheidet der Mitarbeiter. Die Auftraggeber stellen den Umgang mit ihren Beschäftigten unter die Devise: "Wie Sie die Arbeit machen, ist uns egal – Hauptsache das Ergebnis stimmt!".[1]

Work-Life-Balance

Mit Arbeiten 4.0 kann das Credo "Work-Life-Balance" überdacht werden. Arbeit und Arbeiten wird nicht mehr vom Leben abgegrenzt und als Mühseligkeit oder notwendiges Übel zur Sicherung der Existenz angesehen, sondern als selbstbestimmte und selbstgesteuerte Aktivität wahrgenommen.

Arbeit gibt dem Leben Sinn und Bedeutung und bringt Anerkennung, Autonomie und Erfüllung mit sich. Paradoxerweise erinnern die Auswirkungen der Digitalisierung an frühere Arbeitsbräuche, als Handwerker von zu Hause aus mit ihrer Tätigkeit ihr Leben organisierten. "Work-Life-Balance" kann, um die digitale Sprache aufzugreifen, abgeändert werden in "Work – Not Work".

Gesundheitskompetenz

Gesundheitskompetenz wird neben fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen eine große Bedeutung im Selbstmanagement bekommen. Die Fürsorgepflicht, die bislang der Unternehmer seinen Mitarbeitern gegenüber wahrgenommen hatte, liegt nun primär in den Händen des Beschäftigten selbst. Er muss Sorge tragen, Arbeits- und Freizeiten so zu gestalten, dass er bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsleben arbeitsfähig bleiben kann. Selbstbestimmtes Arbeiten heißt auch: gesundheitsgerechte Tagesarbeitszeiten, Pausen, freie Zeit ohne Arbeit und Urlaub ohne Arbeit. "Aus der Möglichkeit des "Anytime – Anyplace" darf für Beschäftigte nicht das Diktat des "Always and Everywehere" werden.[2]

Selbstmotivation

Die weitgehend eigenständige Regulierung des Arbeitslebens erfordert neben der Notwendigkeit, auf die eigene Gesundheit zu achten, auch die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren. Die unmittelbare Rückmeldung über das Arbeitsergebnis entfällt, der Austausch mit Kollegen findet nicht statt. Fragen und Probleme klärt man alleine, Kantine und Kaffeepausen strukturieren nicht mehr den Arbeitstag. Die Eigenmotivation ohne kurzfristige externe Steuerungsmechanismen dauerhaft aufrechtzuerhalten, gelingt nicht jedem.

Crowdworking

Selbst wenn es gelänge, dauerhaft intrinsisch motiviert zu sein – kein Crowdworker ist zu jeder Zeit hochgradig kreativ und leistungsfähig. Wenn interne Crowdworker oder Solo-Selbstständige fortwährend gefordert oder gezwungen sind, aufgrund des firmeninternen Benchmarkings, der Konkurrenzsituation innerhalb oder außerhalb des Unternehmens oder aufgrund einer prekären Arbeitsmarktsituation Höchstleistungen zu erbringen, sind selbst jüngere, hochmotivierte Alleinarbeiter irgendwann überfordert und erschöpft. Burnout wird in der Arbeitswelt 4.0 um weitere Facetten ergänzt werden.

Demografischer Wandel

Arbeiten 4.0 ermöglicht Arbeitnehmern, auch jenseits der 60 am Arbeitsleben teilzunehmen, und bietet Unternehmen Chancen, dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel proaktiv zu begegnen. Für ältere Arbeitnehmer ist flexibles Arbeiten eine Option, ihr Wissen und ihr Know-how entsprechend ihren Möglichkeiten selbstbestimmt einzubringen – für Unternehmen die Chance, auf implizites Wissen und Erfahrung zurückzugreifen, ohne sich arbeitsrechtlich dauerhaft binden zu müssen.

Digitale Inklusion

Die Arbeitswelt 4.0 ermöglicht auch Gruppen von potenziellen Arbeitnehm...

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