Inzwischen ist die Registrierung unter REACH abgeschlossen, wobei alle Stoffe zu registrieren waren, die in Mengen von mehr als 1 t/a in Verkehr gebracht werden sollen. Am 10.12.2020 waren in der ECHA-Datenbank 101.361 Dossiers zu 23.118 Einzelstoffen verzeichnet.

Interessant ist die Frage, wie sich die "offiziellen" Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW, MAK) zu den veröffentlichten DNELs verhalten, wenn es für einzelne Stoffe Werte aus beiden "Welten" gibt.

Der Arbeitskreis "DNEL-Liste" beim Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat im Dezember 2013 in der Zeitschrift "Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft"[1] eine ausführliche Analyse der bis Mitte 2012 bei der ECHA veröffentlichten DNELs vorgenommen. Neuere Untersuchungen liegen leider nicht vor.

Da zur Ermittlung von Grenzwerten für die dermale Belastung nur wenige Erfahrungen vorliegen und standardisierte Messverfahren und Messstrategien fehlen, beschränkte sich der Arbeitskreis auf arbeitsplatzrelevante Grenzwerte für die Langzeitinhalation.

Die wesentlichen Ergebnisse dieser Evaluation lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Arbeitsplatzbezogene DNEL lagen zu dieser Zeit nur für einen Teil der (voll) registrierten Stoffe vor. Andererseits waren oftmals auch für Stoffe, die nicht als gesundheitsschädlich einzustufen sind, DNEL-Werte angegeben, z. B. für Bariumsulfat, Natriumchlorid, Acetylen, Ammoniumacetat, Natriumsulfat, Natriumacetat, Cyclopentan, 1,1,1-Trifluorethan, Schwefelhexafluorid oder Kaliumnatriumtartrat.
  • Zwischen 28 % (DFG-MAK ohne AGW in der TRGS 900) und 75 % (EU-IOEL) der DNEL für Inhalation stimmten mit bestehenden (deutschen) Grenzwerten überein; es gab jedoch Abweichungen nach unten und oben um den Faktor 10 oder mehr (bis zu > 400):

     
    Praxis-Beispiel

    Große Abweichungen von DNEL vom zugehörigen AGW (Stand: Oktober 2016)

    • Trimellitsäureanhydrid (CAS 552-30-7): DNEL systemisch 17,5 mg/m³, AGW 0,04 mg/m³ (Faktor 437,5)
    • Tetraethylblei (CAS 78-00-2): DNEL systemisch 0,00058 mg/m³ (mittlerweile findet sich in der IFA-Datenbank ein Wert von 0,16 mg/m³), AGW 0,05 mg/m³ (Faktor 0,012)

      Bei größeren Abweichungen hat der AGS die betreffenden Grenzwerte in der TRGS 900 überprüft; alle AGW konnten dabei bestätigt werden.

  • Bei 2 % der überprüften Stoffe fand man mehrere teilweise erheblich differierende DNEL-Einträge für dieselbe Expositionskategorie (nach REACH besteht keine Verpflichtung, DNEL-Werte zur Registrierung abzustimmen).
  • Die Angaben zur Inhalation und zum Hautkontakt – soweit überhaupt vorhanden – waren teilweise inkonsistent und in sich widersprüchlich.
  • Für ca. 100 Stoffe wurde für die inhalative Langzeit-Exposition an Arbeitsplätzen der Hinweis "Exposure based waiving" (dies ist nur bei nicht relevanten Expositionen erlaubt) eingetragen, darunter auch für einige geläufige Stoffe, wie Borsäure, 2-Ethylhexylmethacrylat, 1,1-Dichlorethen oder Maleinsäure, die durchaus relevante inhalative Expositionen am Arbeitsplatz erzeugen.
  • Bei etwa 50 Stoffen wurde für lokale Wirkungen "Waiving" geltend gemacht, für systemische Wirkungen hingegen wurde ein DNEL-Wert eingetragen und umgekehrt.
  • In einer Reihe von Fällen wurden bestehende Luftgrenzwerte, z. B. aus nationalen Regelwerken als DNELs übernommen. Dies ist nach der einschlägigen ECHA-Leitlinie aber nur zulässig, wenn eine Evaluierung zeigt, dass aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse diesen Grenzwert stützen. Solche Evaluierungen fehlen aber i. d. R.
  • Für einige Stoffe wurden sowohl für die lokale als auch für die systemische inhalative Langzeitexposition identische Arbeitsplatz-DNEL angegeben. Dies ist toxikologisch wenig plausibel, da sich in den meisten Fällen der empfindlichste Gesundheitseffekt nach Einatmen einer Substanz entweder in den Atemwegen (meist als Reizung) oder an einem entfernten Organ manifestiert, selten jedoch bei derselben Expositionshöhe sowohl lokal als auch systemisch.

Wie schon bei früheren Gelegenheiten beklagte die ECHA auch in ihrem REACH-Fortschrittsbericht 2018 die mangelhafte Qualität der eingereichten Dossiers, wobei die Prüfung von DNELs wohl nur unter "ferner liefen" erfolgte. Dieser Mangel ist nicht zuletzt auch auf das Fehlen eines wirksamen Qualitätssicherungssystems für die eingereichten Dossiers zurückzuführen.

Auch auf dem REACH-Kongress am 6. und 7.12.2018 in Dortmund wurde von vielen Vortragenden die teilweise mangelhafte Qualität der Registrierungsdossiers beklagt.

Die Mängel scheinen sich damit nahtlos an die unzureichende Qualität der IUCLID-Daten für HPV-Stoffe ("High Production Volume" = > 1.000 t/a) aus dem Jahr 2000 sowie die Klagen über mangelhafte Sicherheitsdatenblätter anzuschließen.

Jedenfalls haben sich die euphorischen Erwartungen einiger Fachleute – auch auf der Tagung in Dortmund im Mai 2007 – hinsichtlich der Menge und v. a. der Qualität der DNELs nicht erfüllt.

Mittlerweile ist zumindest der Anteil von DNELs bei den voll registrierten Stoffen > 100 t/a offenbar deutlich angestiegen: ca. 97 % (Stand: Oktober 2016...

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