Diversity Equity & Inclusion im Nachhaltigkeitsmanagement

Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „(Quer-) Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement“, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch. |
Was bedeutet für mich DE&I?
Aufgrund meines Berufs (bzw. meiner Berufung) beschäftige ich mich seit 2006 mit vielfältigsten Menschengruppen, teils Minderheiten, deren Unterstützungsbedarf sehr heterogen ist. Somit hatte und habe ich über meine Arbeit die großartige Chance, diese facettenreiche Vielfalt von Menschen und ihren Bedürfnissen in einer anderen Art kennen- und verstehen zu lernen. Dies ist nicht jedem Mitarbeitenden in einem Unternehmen möglich und daher empfinde ich es umso wichtiger, dass sich dieses wegweisende Thema vom Buzzword-Bingo zur integralen Unternehmensstrategie wandelt. Denn die früheren bunten DE&I-Unternehmensprogramme mit Unterhaltungscharakter können ein ernstzunehmendes Managementinstrument werden und damit alle Stakeholder des Unternehmens erreichen.
DE&I in a Nutshell
Diversity, Equity & Inclusion (DE&I) sind Begriffe bzw. Konzepte, die sich auf die Förderung, Gleichstellung und Integration verschiedener Gruppen von Menschen in Organisationen und Gesellschaften beziehen.
Es gibt verschiedene Dimensionen im Leben eines Menschen, in denen sich seine Vielfältigkeit widerspiegelt. Diese Four Layers of Diversity (frei nach Lee Gardenswartz und Anita Rowe) unterscheiden die Persönlichkeit in innere Dimensionen oder Kerndimensionen, äußere Dimensionen und organisationale Dimensionen.
Diversity (Vielfalt) bezieht sich auf die Vielfalt der Menschen in Bezug auf die eigenen Merkmale, wie z. B. Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Religion oder Behinderung. Diese Vielfalt soll nicht nur anerkannt und respektiert, sondern auch aktiv gefördert werden.
Equity (Gleichberechtigung) zielt darauf ab, gerecht zu handeln, indem gleicher Zugang zu Ressourcen, Chancen, Bildung und Rechten vorhanden ist, unabhängig von den individuellen Hintergründen oder Unterschieden.
Inclusion (Integration) bedeutet, eine Umgebung zu schaffen, in der sich alle Menschen willkommen, respektiert und unterstützt fühlen. Es geht darum, eine Kultur zu fördern, in der alle Menschen aktiv einbezogen werden.
Unconsious Bias – der Ursprung des Problems?
Unconscious Bias (unbewusste Vorurteile) sind Vorurteile, die eine Person aufgrund unbewusster Denkmuster und Prägungen hat. Diese Vorurteile können aufgrund von Evolution, sozialer Prägung und persönlichen Erfahrungen entstehen und beeinflussen häufig unsere Entscheidungen, Meinungen und Verhaltensweisen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese unbewussten Vorurteile nicht notwendigerweise absichtlich oder böswillig sind.
Hier stellt sich die Frage, warum es diese Vorurteile überhaupt gibt. Man kann sich diese Voreingenommenheit am besten wie einen Programmierfehler unseres Gehirns vorstellen. Unconscious Bias sind mentale Abkürzungen bzw. Mechanismen, die unser Gehirn aufgrund der hohen Komplexität ständig fließender Informationen benötigt, um schnelle, effiziente und automatische Entscheidungen zu treffen und die Gehirnressourcen zu schonen. In der menschlichen Evolution war es oft lebenswichtig, schnell zu beurteilen und zu kategorisieren, um Gefahren zu erkennen oder sich der sozialen Gruppe zugehörig zu fühlen.
Die Gesellschaft prägt diesbezüglich den Menschen bereits in jungen Jahren. Stereotype und Vorurteile werden durch Familie, Schule, Medien und andere soziale Einflüsse weitergegeben. Diese Vorurteile können im Unternehmen z. B. Auswirkungen auf Entscheidungsprozesse, Einstellungsentscheidungen, Leistungsbewertungen und andere Bereiche des zwischenmenschlichen Miteinanders haben.
Unabhängig von Unternehmen oder Branche gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit Unconscious Bias umzugehen. Dies kann durch Selbstanalyse und Selbstreflexion erfolgen, aber auch durch den Austausch mit anderen Menschen oder die Teilnahme an Schulungen oder Workshops. Entscheidend ist hier, aktiv daran zu arbeiten und diese zu überwinden, um eine gerechtere und inklusive Gesellschaft zu schaffen und zugleich Diskriminierung zu reduzieren.
Beispiele für eine Selbstreflexion wären:
- Altersbias: Warum werden ältere Menschen als weise und erfahrene Führungspersönlichkeiten angesehen? Aber dafür als weniger technisch versiert oder energetisch?
- Geschlechterbias: Warum stellt man sich bei gefährlichen Berufen, wie z. B. bei der Feuerwehr oder in der Raumfahrt, eher starke und kluge Männer vor?
- Erscheinungsbias: Warum werden attraktive Personen als kompetenter oder freundlicher eingeschätzt, unabhängig von ihren tatsächlichen Fähigkeiten?
- Rassenbias: Warum werden bei Straftaten Personen bestimmter ethnischer Gruppen eher als verdächtig betrachtet?
- Sozialer Klassenbias: Warum nimmt man an, dass Menschen mit höherem sozialen Status intelligenter sind und mehr verdienen?
Die strategische Umsetzung in vier Schritten
Eine Studie von McKinsey zeigt eindeutig, dass der demografische Wandel, Fachkräftemangel und kulturelle Diversität weiter zunehmen. 50 Prozent der befragten deutschen Unternehmen geben an, nicht genügend qualifiziertes Personal und geeignete Fachkräfte für sich gewinnen zu können (McKinsey 2023, Erfolgsfaktor kulturelle Diversität und faire Teilhabe, S. 8).
Auch die Unternehmen erkennen langsam, dass die Förderung von DE&I nicht nur moralisch richtig ist, sondern auch eine große Hebelwirkung auf die Angestellten und Kunden hat, verbunden mit einem großen Mehrwert und Chancen für das Unternehmen.
Um DE&I erfolgreich in die Unternehmensstrategie zu integrieren und sogar als Managementtool einzusetzen, dürfen nicht nur die Aspekte der Gewinnmaximierung oder die Erfüllung gesetzlicher und regulatorischer Richtlinien gesehen werden. Die soziale Nachhaltigkeit und die damit verbundene Verantwortung des Unternehmens der Gesellschaft gegenüber muss hier eindeutig im Fokus stehen. Es erfordert daher einen tiefgreifenden kulturellen Wandel, der von der Unternehmensführung bis zu den Mitarbeitenden auf allen Ebenen getragen wird. Die Werte und der Purpose des Unternehmens spielen hier eine entscheidende Rolle. DE&I im Unternehmen dürfen daher keine isolierten Projekte sein, sondern es bedarf einer Integration in die Unternehmens-DNA. Denn es geht nicht darum, Produkte mit Regenbogenfahnen zu versehen oder der Ausverkauf von Minderheiten, indem man diverses Personal rekrutiert. Vielmehr sollte man an die Offenheit derer appellieren, die schon im Unternehmen sind, und sie dabei unterstützen, diese Veränderungen zuzulassen.
Die im Folgenden beschriebenen Schritte helfen, DE&I fest in der Unternehmenskultur zu verankern. Voraussetzung hierfür ist, dass die Geschäftsführung und Führungskräfte nicht nur intellektuell die Wertigkeit von Diversität und Inklusion verstehen, sondern auch eine emotionale und geschäftliche Verpflichtung dafür übernehmen.
- Einer der ersten Schritte sollte daher die Auseinandersetzung der Geschäftsführung mit dem »Wie« sein: Hier muss klar reflektiert werden, was »wie« im Unternehmen getan wird. Kein Unternehmen fängt in dem Thema bei null an und das Bewusstsein und Wissen darüber zeigt gleichzeitig auch viele Potenziale auf. Hierzu sollte man unbedingt die Stimmen der Angestellten hören, z. B. über anonyme Umfragen oder persönliche regelmäßige Kaffee-Chats oder Meetings, und diese wichtigen Insights dann in die nächsten Schritte einbeziehen.
- Als zweiter Schritt ist es wichtig, klare inhaltliche und zeitliche Ziele zu definieren und mit KPIs zu versehen. Das geht einher mit den Bereitstellungen von Ressourcen, Einrichten von Mechanismen zur Verantwortungsübernahme und der Förderung einer Kultur der Offenheit und Akzeptanz.
- Der daraus resultierende dritte Schritt ist die Bestimmung von Ansprechpartnern, z. B. aus der HR-Abteilung oder einfach engagierte Mitarbeitende im Unternehmen. Auch bereits bestehende Netzwerke oder Pilotbereiche wie z. B. Frauen- oder LGBTQIA*-Gruppen in der Belegschaft sind hier von großer Bedeutung, sollten aber auf keinen Fall die alleinige Verantwortung haben bzw. die Thematik sollte damit nicht als erledigt angesehen werden. Das theoretische Verständnis bedarf einer gemeinsamen Übersetzung in erlebbare Maßnahmen, welche die ganze Belegschaft erreichen.
- Der vierte Schritt ist sicherlich zeitlich wie arbeitstechnisch der aufwendigste. Denn erst durch zielgerichtete und stetige Schulungen von allen Mitarbeitenden, Sensibilisierungskampagnen, Vorträgen, Impulsen und regelmäßigen Überprüfungen der Maßnahmen wird eine Veränderung bewirkt. Dieser Schritt hinterfragt alte Überzeugungen, erweitert die eigenen Perspektiven und deckt neue Möglichkeiten auf. Hieraus ergeben sich dann gegebenenfalls auch Ableitungen für das Kerngeschäft, wie neue Produkte oder Services. Es ist ein wichtiger Weg für Innovationen, bringt neue Lösungen für Probleme und den damit verbundenen Unternehmenserfolg.
DE&I verändert nachhaltig
Die Gesellschaft war schon immer vielfältig und das Bewusstsein hierfür hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Dadurch dass nicht mehr allein die Unternehmen Angebot und Nachfrage bestimmen, sondern der Mensch und seine Bedürfnisse die Wirtschaft formen, entsteht ein Perspektivenwechsel und damit einhergehend ein Kulturwandel. Statt früherer Defizitmodelle oder Förderprogramme für Mitarbeitende, entsteht nun eine Entwicklung, in der Vielfalt als Stärke verstanden wird. Für die Unternehmen bedeutet dies konkret: Eine vielfältige Belegschaft wird zu kreativeren Lösungen und innovativen Ideen führen. Durch eine gerechte und inklusive Kultur wird das Engagement und die Zufriedenheit der Angestellten gesteigert, was langfristig zu weniger Fluktuation, höherer Produktivität und somit positiven Geschäftsergebnissen führt. Darüber hinaus hilft die Umsetzung von DE&I dabei, Unternehmensimage und Reputation zu verbessern und die Attraktivität für talentierte Fachkräfte zu steigern.
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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „(Quer-) Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement“, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch.
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