Neu in der Steuerberatung: Jetzt Quereinsteiger gewinnen

Corona-Schlussabrechnungen, Grundsteuer, neue Zusatzaufgaben: Die Steuerberaterbranche ächzt unter der Arbeitslast und leidet gleichzeitig unter dem Fachkräftemangel. Karsten Zunke erklärt, warum der Quereinstieg ein probates Mittel sein kann, um die Leistungsfähigkeit von Kanzleien zu verbessern.

Steigende Anforderungen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel sind ein unangenehmer Doppelpack. Laut einer Studie des Branchenverzeichnisses Gelbe Seiten betrachten 42 Prozent der befragten Steuerberaterinnen und Steuerberater den Fachkräftemangel als zentrale Herausforderung bei der künftigen Bewältigung ihrer Arbeit. Ein Grund ist unter anderem die demografische Entwicklung. Umso wichtiger wird es, Berufseinsteiger für die Steuerberatung zu begeistern. Doch der Weg zum Steuerberater ist bekanntlich lang: Nach der Steuerfachangestelltenausbildung besteht nach 10 Jahren Berufserfahrung in diesem Bereich die Möglichkeit, das Steuerberaterexamen abzulegen. Doch Personal-Mangel herrscht in allen Bereichen vieler Kanzleien. Immer öfter werden daher in Stellenausschreibungen auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in die Steuerbranche gesucht.

Der Quereinstieg in die Branche ist zum Beispiel über eine dreijährige Ausbildung zum Steuerfachangestellten oder über ein duales Studium möglich. Grundsätzlich ist auch eine Umschulung denkbar. Die Tätigkeitsfelder sind vielseitig. Je nach Interessensgebiet können sich Quereinsteiger auf Teilbereiche spezialisieren, zum Beispiel auf Finanzbuchführung, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen oder Lohnbuchführung. 

Jemand mit einer kaufmännischen Ausbildung und Erfahrungen im Rechnungswesen könnte in der Kanzlei für die Finanzbuchhaltung zuständig sein und dabei helfen, Bücher zu führen und Steuererklärungen für Mandantinnen und Mandanten zu erstellen. Wirtschaftsprüfer, die sich mit Jahresabschlüssen und der Prüfung von Unternehmenskennzahlen auskennen, könnten sogar in der steuerlichen Beratung eingesetzt werden und dort beispielsweise Due-Diligence-Prüfungen begleiten. Aber egal, welche Voraussetzungen jemand mitbringt: Ein Gespür für Zahlen, Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen, analytisches Denken und ein gutes Kommunikationsvermögen erleichtern generell den Quereinstieg.

Quereinsteiger von der Steuerkanzlei überzeugen

Die Branche kann verschiedene Maßnahmen ergreifen, um Fachfremde zu gewinnen. Beispielsweise lassen sich Weiterbildungsprogramme auf solche Kandidaten zuschneiden. Immer öfter werden auch Seminare explizit für Quereinsteiger angeboten. Bei öffentlichen Informationsveranstaltungen und Workshops können sich Interessierte ebenfalls über die Möglichkeiten in der Steuerberatungsbranche informieren. 

Doch wer Fachkräfte tatsächlich gewinnen möchte, muss diese zunächst von seiner Kanzlei überzeugen und begeistern. Der Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt hat aus diesem Grund die Auszeichnung „Exzellenter Arbeitgeber“ ins Leben gerufen. Um als „Exzellenter Arbeitgeber“ ausgezeichnet zu werden, müssen Kanzleien ihren Mitarbeitenden ein hervorragendes Arbeitsumfeld bieten. Beim Verband ist man sich sicher: Eine solche Auszeichnung kann den Unterschied machen, wenn mit anderen Steuerkanzleien um die qualifiziertesten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die talentiertesten Nachwuchskräfte gewetteifert wird. 

„Der Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke soll helfen, die richtigen Mitarbeiter für die eigene Kanzlei zu begeistern. Dies führt auch zu einer hohen Identifikation der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber“, sagt Christian Böke, Präsident des StBV Niedersachsen Sachsen-Anhalt. Weitere wichtige Auswirkungen habe eine Arbeitgebermarke aber auch auf interne Größen wie Leistungsmotivation, Unternehmenskultur oder Mitarbeiterbindung. „Die notwendige Sichtbarkeit am Arbeitsmarkt muss heute wichtiger Bestandteil der Kanzleistrategie sein“, betont Böke. 

Branchenfremde Bewerber ansprechen, Einarbeitung einplanen

Neben einer guten Reputation sollte eine Kanzlei offen für Quereinsteiger sein. Deshalb braucht es auch die Bereitschaft, längere Einarbeitungszeiten in Kauf zu nehmen und entsprechende Schulungssysteme zu schaffen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so sind nach Einschätzung von Michael Wohlfart, Geschäftsführer Strategie und Beratung der Kanzlei-Beratung Kanzleibooster, Quereinsteiger vergleichsweise einfach zu gewinnen – beispielsweise über Jobportale. „Der ‚Trick‘ besteht dabei darin, Bewerberinnen und Bewerber anzusprechen, die bislang noch überhaupt nicht darüber nachgedacht haben, in einer Steuerberatungskanzlei zu arbeiten“, sagt Wohlfart. Dies kann gelingen, indem man beispielsweise den Stellentitel „Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation (m/w/d)“ wählt und erst im Fließtext auf das Aufgabengebiet oder die Umschulungsmöglichkeit hinweist. So setzen sich Kandidatinnen und Kandidaten aus den gewünschten Bereichen erstmalig mit dieser Möglichkeit auseinander. 

Die Kundinnen und Kunden des Dienstleisters haben mit Bürokaufleuten sowie Betriebswirten bisher die besten Erfahrungen gesammelt, da diese schon eine Vielzahl der erforderlichen Kompetenzen mitbringen und die Arbeit im Büro gewöhnt sind. „Quereinsteiger sind dem Grunde nach für alle Tätigkeiten in der Kanzlei geeignet, für die man kein ausgewiesener Steuerexperte sein muss. Darunter fällt der komplette Bereich des Backoffice, alles rund um das Thema IT und Prozesse, Controlling und mitunter auch das Thema betriebswirtschaftliche Beratung“, erläutert Wohlfart. Führt der Quereinstieg zu einer Umschulung – zum Beispiel zur Steuerfachangestellten oder Lohnbuchhalterin – stehen auch die klassischen Tätigkeiten innerhalb der Kanzlei offen.

Zukunft der Steuerberatung: Den Wert von Quereinsteigern erkennen

Letztlich kann der Quereinstieg bis zum Beruf des Steuerberaters führen. „Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass dies Zeit und Engagement erfordert, um das erforderliche Fachwissen und die notwendigen Qualifikationen aufzubauen“, sagt Lukas Lierk, Gründer und Geschäftsführer der Personalmarketing-Agentur Kanzlei Brands. Er verweist darauf, dass ein Quereinsteiger, der beispielsweise bereits über einen wirtschaftlichen Hintergrund verfügt, durch berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahmen wie das Steuerberaterexamen den erforderlichen theoretischen Wissensstand erreichen kann. 

Um sich auf das Steuerberaterexamen vorzubereiten, können solche Quereinsteiger beispielsweise Fernlehrgänge oder Abendkurse besuchen oder an Seminaren teilnehmen. „Nicht nur Akademiker können in die Steuerberaterbranche quereinsteigen. Es gibt auch viele erfolgreiche Steuerberater, die ihre Karriere als Quereinsteiger starteten, indem sie zum Beispiel eine kaufmännische Ausbildung absolvierten und sich kontinuierlich in steuerlichen Themen fortbildeten“, sagt Lierk. 

Auf der anderen Seite ist es dem Branchenkenner zufolge aber wichtig, dass Kanzleien den Wert von Quereinsteigern erkennen und ihnen die Möglichkeit geben, sich in der Branche zu beweisen und erfolgreich zu sein. Für die Zukunft geht Lierk davon aus, dass sich der Fachkräftemangel in der Branche weiter verschärfen wird. „Die Strategie, Quereinsteiger relativ zügig fit zu bekommen und sie durch sehr gute Schulungssysteme in die eigenen Infrastrukturen zu integrieren, wird in den nächsten Jahren über Sieg oder Niederlage in vielen Kanzleien entscheiden“.

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