Rückblick: So erlebten Steuerberater das Jahr 2023

Nach der Corona-Pandemie war 2023 das erste (halbwegs) normale Jahr in der Steuerbranche. Wir haben uns umgehört, wie Steuerberater das Jahr erlebt haben und was sie sich für 2024 wünschen.

Fortsetzung folgt: Darauf konnten sich Steuerberater nicht immer freuen. Obwohl die Corona-Pandemie ein Ende fand – zum Glück – mussten viele pandemiebedingte Herausforderungen ins Jahr 2023 „mitgeschleppt“ werden. „Die Nachwehen der Corona-Pandemie hatten die Steuerberatungsbranche auch 2023 fest im Griff“, sagt Steuerberater Torsten Lüth, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV). Den Schwerpunkt bildeten die Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen mit all ihren „Zipperlein“: Besonders herausfordernd für die Kolleginnen und Kollegen war die unterschiedliche Handhabung in den Bundesländern. 

„Zusätzlich zu dem coronabedingt ohnehin erhöhten Arbeitsaufkommen lag Anfang 2023 noch der schwere Brocken an Grundsteuererklärungen zum Abarbeiten auf den Kanzlei-Schreibtischen. Ich bin sehr gespannt, wie dieses Kapitel 2024 weitergeschrieben wird“, sagt Lüth. Stolz sei er darauf, dass man als Verband das nächste Bürokratiemonster „Gaspreisbremse“ noch vor dem Übertreten der Kanzleischwellen erfolgreich abräumen konnte „und dass die Kolleginnen und Kollegen in den Kanzleien trotz Fachkräftemangels und anderer Widrigkeiten stets die Nase in den Wind halten und alles geben, ihre Mandantinnen und Mandanten bestens zu beraten und unterstützen.“

Grundsteuer, Schlussabrechnungen und kein Ende

Die Arbeitsbelastung in der Steuerbranche war auch 2023 immens hoch. „Es ist immer eine große Herausforderung, die anfallende Arbeit mit den vorhandenen Mitarbeitenden fristgerecht zu erledigen“, sagt Lutz Phillipp Spieker. Der Steuerberater betreibt online die Kanzlei „Der-Steuerberater.com“. Auch für ihn waren besonders die Grundsteuererklärungen herausfordernd. Es wurde entschieden, dass diese digital abgegeben werden müssen. Da aber nicht jeder seiner Mandanten über einen eigenen Elster-Zugang verfügt, kamen sie damit zu seiner Kanzlei. Für die Mitarbeitenden bedeutete dies einen weiteren Aufwand, unter anderem in Form von Schulungen. Auch dadurch verzögerte sich die fristgerechte Bearbeitung der Steuererklärungen. Hinzu kam auch die Umstellung beziehungsweise der Systemwechsel bei den Photovoltaikanlagen. 

„Was uns 2023 allerdings am meisten nach hinten geworfen hat, waren die Schlussabrechnungen für die Überbrückungshilfe. Dieses Thema war und ist auch immer noch mit einem sehr großen Aufwand verbunden“, sagt Spieker. Er würde sich wünschen, dass die Frist für die Schlussabrechnungen nochmals verlängert wird und dass das Finanzamt von Verspätungszuschlägen absieht. Auch für Eva-Maria Hürholz, Steuerberaterin und Geschäftsführerin der ASCEN DUO Steuerberatungsgesellschaft, fällt das Fazit für 2023 eindeutig „sehr arbeitsreich“ aus. „Es sind mehr Aufträge und Auftragsanfragen, als wir bewältigen können“, sagt die Steuerberaterin, die sich für 2024 wünscht, dass der digitale Bescheid flächendeckend kommt, nicht nur bei der Einkommensteuer.

Weiterhin ein Problem: Fachkräftemangel in der Steuerberatung

Erschwerend hinzu kommt ein nach wie vor anhaltender Fachkräftemangel hinzu. Nichtsdestotrotz schaffen es Kanzleien, zu wachsen. Die ESM Schallschmidt-Mietzsch Steuerberatungsgesellschaft in Radebeul konnte in diesem Jahr beispielsweise fünf neue Mitarbeitende gewinnen. „Das bringt uns enorm weiter und bestätigt unseren Weg“, sagt Geschäftsführerin Ellen Schallschmidt-Mietzsch. Nach wie vor bereiten auch dieser Kanzlei die Überbrückungshilfen viele Schwierigkeiten, denn sie rauben enorm viel Zeit. „Insbesondere teilweise atypische FAQs und Grenzfälle nehmen viel Zeit in Anspruch, die wir gerne für Zukunftsthemen nutzen würden“, sagt die Steuerberaterin. Zusammen mit dem JAADE Recht & Steuern Verbund hat die Kanzlei ein Projekt zur Automatisierung von Prozessabläufen gestartet, das 2024 umgesetzt werden soll. Doch nicht allen Kanzleien gelingt es, Mitarbeitende für die wachsenden Aufgaben zu gewinnen. Einige Kanzleien sind mittlerweile zu Recruiting-Strategien übergegangen, mit denen sie sogar Quereinsteiger  für einen Kanzleiberuf gewinnen möchten. 

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Allerdings war Corona auch ein starker Katalysator. Für Kanzleien wie die Oehmann Steuerberatung in München ist es mittlerweile normal geworden, dass Besprechungen per Teams erfolgen, Mitarbeitende im Homeoffice arbeiten und Mandanten digital mit der Kanzlei zusammenarbeiten. „Dies eröffnet uns Fachkräfte nicht nur in Fahrdistanz zum Büro, sondern deutschlandweit, einstellen zu können“, sagt Steuerberater Stefan Oehmann und berichtet weiter: „Unsere Erfahrung ist außerdem, dass auch für potenzielle Neumandanten die räumliche Nähe kein Argument mehr ist. Dies eröffnet gerade im Bereich Spezialisierung neue Horizonte“. Weniger schön findet es der Kanzlei-Chef, dass die Steuerberaterbranche mehr und mehr von aggressiv werbenden Personalvermittlungsagenturen entdeckt wird. „Eine Instagram-Anzeige gleicht der anderen und vor lauter Benefits geht der eigentliche Reiz einer Karriere in der Steuerberatung unter. Die Vielfalt und der Anspruch unseres Jobs werden nicht vermittelt“, sagt Oehmann. 

Man darf gespannt sein, wie die Branche mit der wachsenden Arbeitsbelastung einerseits und dem Mangel an Fachkräften andererseits umgehen wird. Entwarnung kann noch nicht gegeben werden. „Das Thema Fachkräftemangel wird uns leider auch im kommenden Jahr nicht loslassen“, sagt DStV-Präsident Lüth. Aus diesem Grund haben DStV, BStBK und DATEV eine Initiative gestartet, um das Image des Berufs bei jungen Menschen zu verbessern und Kanzleien bei der Fachkräftegewinnung stärker zur Seite zu stehen. „Darüber hinaus müssen die Themen Digitalisierung und Bürokratieabbau mit höchster Priorität weiter vorangetrieben werden“, sagt Lüth. Viele Marktbeobachter sind sich sicher: Moderne Softwarelösungen und damit zusammenhängende Automatisierungen oder sogar künstliche Intelligenz (KI), könnten dazu beitragen, die vorhandenen Ressourcen wirkungsvoller zu nutzen.

ChatGPT – Quo vadis Taxulting?

Eines der großen Trendthemen dieses Jahres war zweifelsohne ChatGPT – auch in der Steuerbranche wurden und werden die Einsatzmöglichkeiten dieser generativen KI heiß diskutiert . Spätestens seit ChatGPT Anfang 2023 erstmals steuerfachliche Prüfungsaufgaben lösen konnte, wurde auch dem Letzten klar: Künstliche Intelligenz wird auch das Steuerberatungsgeschäft verändern. Von vielen Kanzleien wurden Chancen ausgelotet und Risiken abgewogen. „Klar spielt auch das Experimentieren mit Chat GPT bei uns eine Rolle, im kommenden Jahr werden wir einige spannende Pilotprojekte starten“, sagt Jens Henke, Steuerberater der DBB DATA in Berlin. Für die Kanzlei steht jedoch im Fokus, die Betreuung von Immobilieneigentümern und vermögenden Privatpersonen als Geschäftsfeld neben der Prozessberatung im Rechnungswesen noch weiter auszubauen. 

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„Das Thema Integration der eRechnung in die Unternehmensprozesse wird gerade bei KMU eine wichtige Rolle spielen“, sagt Henke. Damit gehe die Frage einher, wie Mitarbeitende aus den Kanzleien, die sich vorwiegend mit der Bearbeitung von Buchhaltungen befassen, zukünftig optimal eingesetzt und ausgelastet werden. Sie verfügen über ausgezeichnete Expertise im Rechnungswesen, die man in der Prozessberatung und Datenanalyse nutzen könne. Und dafür brauche es intensive Weiterbildung. „Natürlich wird auch generative KI und deren Einsatz eine Rolle spielen. Hierbei werden wir uns im Beruf nicht nur über Anwendungsfragen und Standards Gedanken machen, sondern auch über die Weiterentwicklung unserer Wertschöpfung und damit auch der Honorarmodelle“, erklärt Henke.

Digitalisierung als Dauerthema und Dauerhürde

Abseits der pandemiebedingten Nachwehen und des unerwarteten KI-Booms bleibt die Digitalisierung für die Steuerberaterbranche das Dauerthema Nummer Eins. Sie eröffnet nicht nur neue Beratungsfelder, sondern sorgt auch für effizientere Abläufe – sowohl innerhalb der Kanzleien als auch in der Zusammenarbeit zwischen Steuerkanzleien und Mandanten. Aufgrund seines Hanges zur Digitalisierung hat sich Steuerberater Marcus Dein weniger mit steuerrechtlichen Bereichen beschäftigt, dafür mehr mit Prozessen: Beispielsweise damit, wie seine Kanzlei effizienter mit Mandanten zusammenarbeiten kann, welche Tools dafür nötig sind und wo Prozesse bei den Mandanten genau unter die Lupe genommen werden. Bis hin zu Fragestellungen, welche Workflows man komplett überarbeiten oder sogar neu denken muss. 

Marcus Dein ist sowohl Steuerberater mit eigener Kanzlei, als auch Digitalisierungscoach für andere Steuerkanzleien und für Unternehmen im Rahmen ihrer Buchhaltungsprozesse. Auch er hat sich in diesem Jahr mit KI beschäftigt – und hat zum Beispiel ChatGPT dafür eingesetzt, um das Erstellen von Stellenanzeigen zu unterstützen oder um einen Mandanten-Support-Center initial aufzusetzen. Sogar bei der Beantwortung von Rückfragen der IHK zu beantragten Schlussabrechnungen der Coronahilfen konnte die KI helfen.

Viele Tools, nur eine optimale Lösung

Herausfordernd war für den Coach und Steuerberater im ablaufenden Jahr vor allem, aus der Masse an digitalen Tools genau jene herauszufiltern, die für die Kanzlei und vor allem für ihre Mandanten sinnvoll sind. „Hier ist es extrem wichtig, zu wissen, auf was es ankommt und welche Schnittstellen vorhanden sein müssen. Nur so ist es uns als Steuerkanzlei nämlich möglich, die richtigen internen wie auch externen Tools zu implementieren und auch gegenüber den Mandanten zu beraten“, sagt Dein. Für den Steuerberater und Coach war 2023 letztlich ein „grandioses Jahr mit ein paar wenigen Rückschlägen“ – und vielen Learnings. 

Nun rückt 2024 immer näher. So mancher dürfte sich in Anbetracht der Arbeitsbelastungen von der Regierung wirkliche Steuererleichterungen wünschen, und keine Hilfen, die nur mehr Verwaltungsaufwand produzieren, als sie Nutzen bringen. Dem würde auch Steuerberater Dein  zustimmen, aber eines ist ihm noch viel wichtiger: Er wünscht sich, dass sich seine Kollegen aus der Steuerberater-Branche dem digitalen Wandel annehmen. Sein Tipp lautet: „Besinnt euch auf das kollegiale Verhalten und bildet Netzwerke“. Denn dadurch könne man sogar als Einzelkämpfer wachsen und müsse nicht jedes Spezialgebiet beherrschen. „Wir Steuerberater:innen sollten uns mehr als Unternehmer:innen sehen und wirkliche Beratung liefern.“

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