Sonstige Einkünfte

Zwangsversteigerung als Veräußerung im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts


Zwangsversteigerung als privates Veräußerungsgeschäft

Führt die Zwangsversteigerung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks unter den Voraussetzungen des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu einem privaten Veräußerungsgeschäft? Nachdem die Frage schon geklärt schien, macht sich aufgrund eines neuen Revisionsverfahrens wieder Rechtsunsicherheit breit.

Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Diese umfassen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG prinzipiell Veräußerungsgeschäfte bei

  • Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt.
  • anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 1 Jahr beträgt (ausgenommen sind Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs). 
  • denen die Veräußerung vor der Anschaffung erfolgt; hier spielen Fristen keine Rolle. 

Begriffe "Anschaffung" und Veräußerung

Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" erschließen sich aus den Bestimmungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 HGB und der §§ 135, 136 BGB. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S.d. § 23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen (BFH, Urteil v. 8.11.2017, IX R 25/15, BStBl 2018 II S. 518 Rn. 14; BFH, Urteil v. 26.9.2023, IX R 13/22, BStBl 2025 II S. 78 Rn. 16). Anschaffung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten, Veräußerung die entgeltliche Übertragung desselben Wirtschaftsguts auf einen Dritten (BFH, Urteil v. 10.11.2015, IX R 3/15, BStBl 2016 II S. 351 Rn. 19).

Keine "Spekulationsabsicht" oder sonstigen Gründe für Verkauf relevant

Für die Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts ist allein entscheidend, dass der objektive Tatbestand des § 23 EStG erfüllt ist. Auf die sog. Spekulationsabsicht oder den sonstigen Grund des Verkaufs, z. B. Krankheit, drohende Enteignung, sonstiger Zwang wie z.B. ein arbeitsplatzbedingter Ortswechsel, Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile usw., kommt es grundsätzlich nicht an. 

Eine Ausnahme gilt für eine Enteignung, d. h. der Entziehung von Eigentum an einem Wirtschaftsgut durch staatlichen Hoheitsakt. Hier fehlt es an einer willentlichen wirtschaftlichen Betätigung des Betroffenen, die im Anwendungsbereich des § 23 EStG zum Tatbestand der Veräußerung gehört (BFH, Urteil v. 23.7.2019, IX R 28/18, BStBl 2019 II S. 701 Rn. 23). Eine zwangsweise vorgenommene "Anschaffung" und "Veräußerung" reicht nicht aus, um eine für die Tatbestandsverwirklichung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu fordernde wirtschaftliche Betätigung anzunehmen.

Meistgebot im Rahmen einer Zwangsversteigerung

Die Abgabe eines Meistgebots in einer Zwangsversteigerung erfüllt nach der Rechtsprechung des BFH die Merkmale eines Anschaffungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG. Die Abgabe des Meistgebots entspricht nach Auffassung des BFH in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags über ein Grundstück und erfüllt damit den Anschaffungstatbestand i.S.d. § 23 EStG (BFH, Urteil v. 28.6.1977, VIII R 30/74, BStBl 1977 II S. 827; BFH, Urteil v. 29.3.1989, X R 4/84, BStBl 1989 II S. 652).

Ob das Meistgebot im Rahmen einer Zwangsversteigerung die Merkmale eines Veräußerungsgeschäfts erfüllt, war bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der IX. Senat des BFH hat jüngst entschieden, dass der Eigentumsverlust aufgrund einer Zwangsversteigerung als Veräußerungsvorgang i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu werten ist (BFH, Urteil v. 12.11.2024, IX R 6/24, BStBl 2025 II S. 350). Die Abgabe des Meistgebots entspricht – anders als die vorangegangene Beschlagnahme im Sinne von § 22 ZVG – in ihrer Wirkung wirtschaftlich dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags über ein Grundstück. Die Übertragung eines Grundstücks in der Folge einer Zwangsversteigerung lässt nach Ansicht des BFH eine willentliche wirtschaftliche Betätigung des Steuerpflichtigen nicht entfallen und ist nicht mit dem Eigentumsverlust in der Folge einer Enteignung vergleichbar.

Beispiel: Verkauf eines unbebauten Grundstücks

A hat 2020 ein unbebautes Grundstück für 150.000 EUR gekauft. Im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens wurde im Januar 2025 das Meistgebot von 180.000 EUR abgegeben. Der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt wurde, erfolgte im Termin im Februar 2025. 

Für den Fall der Zwangsversteigerung ist für die Fristberechnung und die Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts auf die Abgabe des Meistgebots abzustellen. Dieses ermöglicht die Ermittlung der Wertsteigerung oder des Wertverlusts. Der dem Meistgebot nachfolgende Zuschlag ist hingegen ein staatlicher Hoheitsakt, durch den nach § 90 Abs. 1 ZVG der (dingliche) Eigentumsübergang bewirkt wird. A hat 2025 ein privates Veräußerungsgeschäft verwirklicht. Der Veräußerungsgewinn von 30.000 EUR unterliegt nach der genannten BFH-Rechtsprechung als sonstige Einkünfte der Einkommensbeteuerung.

Überraschend: Neue Revision beim VIII. Senat des BFH anhängig

Ebenso wie der BFH hat das Niedersächsische FG entschieden (Urteil v. 7.12.2023, 10 K 239/20). Gegen das Urteil hat der Steuerpflichtige erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das Beschwerdeverfahren wird beim BFH unter dem Az. VIII R 25/24 als Revisionsverfahren fortgeführt. 

Steuerpflichtigen, die von der beschriebenen Thematik betroffen sind, ist anzuraten, ihre Steuerbescheide offenzuhalten, bis der VIII. Senat des BFH über die Revision entschieden hat.


Schlagworte zum Thema:  Zwangsversteigerung , Veräußerungsgewinn
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