Privates Veräußerungsgeschäft nach unentgeltlicher Übertragung eines Grundstücks
Hintergrund: Grundstücksverkauf als privates Veräußerungsgeschäft
Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Hierzu gehören Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Im Fall des unentgeltlichen Erwerbs ist dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des Wirtschaftsguts durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG).
Vom BFH entschiedener Fall: Unentgeltlicher Grundstückserwerb ohne Übernahme der abgesicherten Darlehen
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts für den Veranlagungszeitraum 2007. Die Klägerin erwarb 2004 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter unter Übernahme eingetragenen Grundschulden ein Grundstück. Nicht übernommen wurden die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen. Diese wurden weiterhin von der Mutter bedient. Mit der Übertragung bestellte die Klägerin ihrer Mutter ein lebenslanges dingliches Wohnrecht. Die Mutter hatte das Grundstück zuvor 1998 erworben. 2007 veräußerte die Klägerin das Grundstück. Die Veräußerung erfolgte lastenfrei. Von dem auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis wurden die durch die Grundschulden besicherten Darlehen bedient. Der Restkaufpreis wurde an die Klägerin ausgekehrt.
Entscheidung: Klägerin muss privates Veräußerungsgeschäft versteuern
Im Streitfall hat die Mutter das Grundstück 1998 erworben. Die unentgeltliche Übertragung erfolgte 2004 nach Ansicht des BFH (Urteil vom 03.09.2019 - IX R 8/18) mit der Folge, dass die Klägerin in die noch laufende Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eintrat. Die durch die Klägerin erfolgte Veräußerung fand 2007 und damit noch innerhalb der 10-Jahresfrist statt.
Grundstücksübertragung von der Mutter auf die Tochter erfolgte unentgeltlich
Bei der Grundstücksübertragung handelte es sich um einen unentgeltlichen Erwerb. Denn die Tochter (Klägerin) hat lediglich die dingliche Belastung übernommen, nicht aber die zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen. Die Klägerin hat mithin keine Gegenleistung erbracht. Vielmehr hat sie das Grundstück, gemindert um den Wert der dinglichen Belastungen, erworben. Daran ändert auch die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts nichts. Der Wert des zurückbehaltenen Wohnrechts ist nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen. Die Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts (§ 1093 BGB) führt zivilrechtlich und steuerlich zu einem unentgeltlichen Erwerb. Das dingliche Wohnrecht mindert vielmehr von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens.
Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten keine nachträglichen Anschaffungskosten
Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat. Die Belastung eines unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsguts mit einer Grundschuld führt nicht zu Anschaffungskosten (vgl. BFH Urteil vom 14.04.1992 - VIII R 6/87).
Entsprechendes gilt für die Löschung der Grundschuld. Das (wirtschaftliche) Eigentum und der Besitz sind bereits bei (unentgeltlichem) Erwerb des Grundstücks übergegangen. Die spätere Zahlung auf das Darlehen, das die Grundschuld besichert, hat hierauf keine Auswirkung. Sie erweitert nicht die Verfügungsbefugnis des Grundstückseigentümers.
Die streitigen Aufwendungen der Klägerin sind auch nicht durch die Veräußerung veranlasst. Vielmehr hat die Klägerin private Verbindlichkeiten ihrer Mutter mit dem Veräußerungserlös getilgt. Diese Verwendung der erlangten Mittel steht mit der Veräußerung weder unmittelbar noch mittelbar in Zusammenhang.
Praxis-Tipp: Aufwendungen zur Befreiung von Nießbrauch/Wohnrecht können demgegenüber Anschaffungskosten sein
Erwirbt ein Steuerpflichtiger einen mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Gegenstand, so erhält er zunächst um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum. Löst er das Nutzungsrecht ab, so verschafft er sich die vollständige Eigentümerbefugnis an dem Gegenstand. Daher sind Aufwendungen zur Befreiung von einem Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten einzustufen (vgl. u.a. BMF, Schreiben v. 30.09.2013, IV C 1 - S 2253/07/10004, Rz 59, "Nießbrauchserlass").
Die Zahlung auf ein Darlehen zwecks Ablösung einer Grundschuld muss nach Ansicht des BFH im Urteilsfall jedoch anders behandelt werden. Anders als bei der Ablösung eines Nutzungsrechts kommt es hier nicht zur Übertragung eines Vermögenswerts vom Berechtigten auf den Grundstückseigentümer. Die Löschung der Grundschuld führt nicht zu einer (weitergehenden) Verschaffung der (dinglichen) Verfügungsmacht über das Grundstück und erweitert auch nicht die Nutzungsbefugnisse. Bei wirtschaftlicher Betrachtung entfällt die Ablösezahlung allein auf die Tilgung der den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten und nicht auf die Anschaffung des Grundstücks.
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