Benchmarking als Kanzleitreiber

Jeder Spitzensportler hat selbstverständlich einen persönlichen Coach und ein auf ihn abgestimmtes Trainingsprogramm. Genauso bietet Benchmarking für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ein optimales Trainingsumfeld: ambitionierte Kolleginnen und Kollegen, moderne Trainingsmethoden und eine laufende Erfolgskontrolle.

Seit den 1970er-Jahren ist Benchmarking ein gängiger Begriff in der Industrie, der jedoch lange Zeit nicht in direkte Verbindung mit der Branche der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung gebracht wurde. Josef Weigert erkannte 1993 diese Marktlücke und entwickelte ein maßgeschneidertes Benchmarking-Konzept für diese Berufsgruppe. Auslöser für diese Idee war eine Veranstaltung für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er stellte fest, dass sich die 30 teilnehmenden Kanzleiinhaber und Partner zum Thema Kanzleistrategie, -führung, -struktur, -organisation und -prozesse nur wenig zu sagen hatten; sie diskutierten meist aneinander vorbei.

Die Analyse des Workshops ergab: Die Gruppe war nicht homogen! Die Kanzleien hatten unterschiedliche Größenordnungen: Vom Einzelkämpfer mit drei Mitarbeitern bis zu hin zur partnerschaftlich geführten Kanzlei mit 30 Mitarbeitern war alles vertreten. Den jungen Kollegen mit drei Mitarbeitern beschäftigten Themen, die für den Kollegen mit 30 Mitarbeitern nicht oder nicht mehr relevant waren. Auch Einzelkämpfer und Partner zu kombinieren war schwierig. Bei einem Einzelberater stehen andere Schwerpunkte im Vordergrund als bei partnerschaftlich geführten Kanzleien. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand die Idee "Benchmarking für Steuerkanzleien".

Lernen Sie von den Besten!

In homogenen Gruppen mit gleicher Zielrichtung und der Bereitschaft, zu "geben und zu teilen", zeigen beim Benchmarking die Kanzleiinhaber/Kanzleien ihre Produkte, Prozesse, Strukturen und Strategien auf. Diese Offenheit schafft die Grundlage zu Vergleich, Austausch und zum Lernen von den Besten. Das gelingt, indem „Best Practices“ identifiziert, auf die eigenen Belange angepasst und entsprechend umgesetzt werden. Hierbei bedeutet Benchmarking nicht, den Erfolgreichsten zu imitieren, sondern die ständige Überprüfung der eigenen Prozessabläufe unter Beachtung der Best Practices anderer Kanzleien.

Dabei ist es eines der wichtigsten Prinzipien, Benchmarking als einen ständigen Prozess im Unternehmen zu etablieren. Nur so erzielen Sie langfristig Verbesserungen in allen Bereichen und können sich letztendlich im Wettbewerb behaupten. In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für Steuerkanzleien erheblich geändert. Sie kämpfen mit Gesetzesvorgaben, Informationsüberfluss, steigenden Anforderungen und bewegen sich ständig an der Grenze der Belastbarkeit. Beim Benchmarking werden die Informationen gefiltert, in konkret anwendbares Wissen für Kanzleiinhaber umgewandelt und in die Kanzleien transportiert. Die Kanzleiinhaber und Mitarbeiter profitieren von diesen auf das Wesentliche reduzierten Informationen und gewinnen dadurch Zeit. Benchmarking lebt von Unternehmerpersönlichkeiten, die ihre Hand am Puls der Zeit haben und bereit sind zu geben. Und sie bekommen beim Benchmarking ein Vielfaches zurück. Lohnende Trends werden sofort umgesetzt, nur modische Trends entzaubert.

Parameter vergleichen

Benchmarking für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ermöglicht einen branchenweiten Vergleich von Effizienz-Parametern der Kanzleien wie zum Beispiel:

  • Wie viele Stunden arbeitet der Kanzleiinhaber?
  • Welche Führungsinstrumente setzt er ein?
  • Wie ist die Struktur der Kanzlei?
  • Wie sind die Abläufe?
  • Wie ist der Spezialisierungsgrad?
  • Wie hoch ist die Leistung pro Vollzeit-Mitarbeiter?
  • Wie hoch ist die Produktivität?
  • Wie ist die Auslastung definiert?
  • Wie hoch ist die Leistung pro Stunde und Mitarbeiter?
  • Wie hoch ist der Umsatz pro angefallene und bezahlte Stunde (inkl. Urlaub, Feiertage, Krankheit)?
  • Wie hoch ist die Leistung pro verrechenbare Stunde?
  • Wie ist der Krankenstand in der Kanzlei im Vergleich zu den Benchmarking-Kanzleien und der gesamten Branche?
  • Wie viele Buchungen erledigt eine klar strukturierte, gut organisierte Kanzlei innerhalb einer Stunde?
  • Wie viele Minuten benötigt ein Mitarbeiter für eine Lohn- und Gehaltsabrechnung?

Dies sind nur einige Vergleichsparameter, mit denen sich die Effizienz von Steuerkanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften messen lässt. Die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Benchmarking ist dabei, homogene Gruppen zu bilden, die über Jahre – besser noch Jahrzehnte – hinweg erfolgreich zusammenbleiben. Die Herausforderung bei der Zusammensetzung der Gruppen ist, besondere Stärken und Fähigkeiten der Teilnehmer zu kombinieren, damit sie sich ergänzen und dadurch ein langfristiger Nutzen gewonnen werden kann. Benchmarking ist von hoher gegenseitiger Wertschätzung der Teilnehmer geprägt.

Offenheit lohnt sich

Benchmarking-Teilnehmer sind offene und veränderungsbereite Unternehmerinnen und Unternehmer, die erkannt haben, dass sich ihr Input mehr als rechnet. Die Formel lautet: "Aus eins mach zehn!" Damit ist gemeint: Eine Idee oder ein Vorschlag werden in die Runde gegeben und fünf bis zehn Anmerkungen, Bestätigungen oder Verbesserungen kommen immer zurück. Auch an konstruktiver Kritik wird nicht gespart. Ziel ist, Fehler und Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Beispiel: Im Benchmarking-Workshop wird vereinbart, dass die Prozesse zur "Mandatsannahme" und "Mandatsbeendigung" ausgetauscht werden. Jeder Teilnehmer gibt seinen Input in Umlauf. Im Klartext heißt das: Der Teilnehmer gibt seinen Prozess in die Runde und bekommt zahlreiche erprobte Prozesse anderer Kanzleien dafür zurück. Mit dem Austausch wächst automatisch die Möglichkeit zur Qualitätssteigerung der eigenen Leistung.

Die Zuordnung eines Kanzleiinhabers zu einer Benchmarking-Gruppe erfordert neben einer ausreichenden Kenntnis seines Unternehmens großes Fingerspitzengefühl und hohe Erfahrungswerte. Um nachhaltig einen effizienten Austausch zwischen den Mitgliedern zu gewährleisten, sollte eine Gruppe mit maximal 15 Teilnehmern besetzt sein. Zur Vermeidung einer unmittelbaren Wettbewerbssituation sollte festgelegt werden, dass die Kanzleien räumlich mindestens 50 km voneinander entfernt liegen; in Ballungsgebieten, wie z.B. München, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Hamburg, Hannover oder Berlin kann es nach Absprache mit den betroffenen Kanzleien auch Ausnahmen geben. Hard-Facts wie z.B. Jahresumsatz, Anzahl der Partner und Mitarbeiter, aber auch das Dienstleistungsangebot oder eine Spezialisierung spielen eine wichtige Rolle zur Definition einer homogenen Gruppe. Soft-Facts wie Mentalität, Visionen und Ziele der Teilnehmer, aber auch besondere Umstände in den Kanzleien (z.B. ein Generationenwechsel des Kanzleiinhabers) sind entscheidend für die Einordnung in eine Benchmarking-Gruppe. Grundsätzlich jedoch ist eine hohe Innovationsbereitschaft der Teilnehmer gefordert, d.h. die Akzeptanz von Veränderungen, aber auch die Bereitschaft zur Weitergabe von Wissen und persönlichen Erfahrungen innerhalb der Gruppe. Durch diese Kriterien ist es möglich, ein hohes Niveau in den Gruppen zu halten.

Regelmäßig am Unternehmen arbeiten

Nutzenorientierung und Kundenbindung sind dabei Schlagwörter, die das Benchmarking-Konzept wesentlich prägen. Benchmarking heißt, jeden Tag am eigenen Unternehmen zu arbeiten, sich regelmäßig mit den Besten der Branche zu treffen und sich über Fragen der Unternehmens- und Mitarbeiterführung und der internen Abläufe auszutauschen sowie sich mit dem aktuellen Thema der Digitalisierung und Automatisierung sowie der strategischen Ausrichtung des Unternehmens gezielt auseinanderzusetzen.

Nun mag diese sehr individuelle Auslegung des Benchmarking-Konzepts nicht vollständig konform mit der wissenschaftlich-theoretischen Definition sein. Dennoch beinhaltet das Kernprinzip der Benchmarking-Idee die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Organisation zur Erkennung von Verbesserungspotenzial, Schwachstellen sowie Wettbewerbsvorteilen und -nachteilen. Daraus resultierend können Maßnahmen für das eigene Unternehmen abgeleitet und innerbetriebliche Prozesse effizienter ausgerichtet werden. Um das System und die Qualität von Benchmarking-Workshops zu garantieren, sind die Einstiegshürden hoch anzusetzen, der Ausstieg dagegen leicht zu machen. Benchmarking funktioniert auf Dauer nur, wenn die Teilnehmer mehr Nutzen für sich und die Kanzlei mitnehmen, als sie an Zeit und Geld dafür aufwenden.

Dipl.-Betriebswirt (FH) Patrik Luzius ist Steuerberater mit eigener Kanzlei. Zusätzlich hat er die Akademie für Steuerkanzleioptimierung (AFS) gegründet, in der er durch sein KanzleiOptimierungsProgramm (KOP) in einem umfassenden Online-Videokurs und Live-Workshops anderen Steuerkanzleien hilft, sich optimal aufzustellen.

Der Beitrag entstammt dem bei Schäffer-Poeschel erschienenen Buch "Benchmarking in Steuerkanzleien - Wie Sie durch Digitalisierung Ihre Kanzleizahlen systematisch verbessern“.

www.patrikluzius.com

Sandra Weigert, MBA, und Petra Kunde, Dipl.-Finanzwirtin (FH) und Steuerberaterin, sind auf die Beratung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien spezialisiert. Mit Benchmarking führen sie ein seit 1998 bewährtes Workshop-System fort, das Josef Weigert speziell für diese Branche entwickelt und aufgebaut hat.

Der Beitrag entstammt dem bei Schäffer-Poeschel erschienenen Buch "Benchmarking in Steuerkanzleien - Wie Sie durch Digitalisierung Ihre Kanzleizahlen systematisch verbessern“.

www.weigertkunde.de