Neubau ist nicht gleich Neubau
Grundsätzliches
Wohnraum ist weiterhin knapp und ältere Gebäude haben oftmals hohen Sanierungsstau, so dass sich auch unter Werterhaltungsgesichtspunkten oftmals ein Abriss des Altgebäudes und ein Aufbau eines Neubaus als lohnenswert erweist. Auch steuerrechtlich kann ein Mietwohnungsneubau attraktiv sein, weil neben der „normalen“ Gebäudeabschreibung nach Maßgabe von § 7b EStG eine Sonderabschreibung unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen möglich sein kann.
Eine Sonderabschreibung nach § 7b EStG kann im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren jährlich bis zu 5 % der Bemessungsgrundlage in Anspruch genommen werden.
Die Sonderabschreibung nach § 7b EStG kann in Anspruch genommen werden für
- eine neue Mietwohnung (§ 7b Abs. 1 Satz 1 EStG),
- die im entsprechenden Förderzeitraum (§ 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG) angeschafft oder hergestellt wird und
- bei der Nutzungsvoraussetzung erfüllt sind (§ 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG) und
- Baukostenobergrenzen eingehalten werden (§ 7b Abs. 2 Satz 2 EStG).
Folgende Förderzeiträume existieren:
Förderzeitraum 1: Begünstigt sind Baumaßnahmen für neue, bisher nicht vorhandene Wohnungen auf Grund eines nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige (§ 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Förderzeitraum 2: Wohnungen, die aufgrund eines nach dem 31. Dezember 2022 und vor dem 1. Oktober 2029 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellt werden, in einem Gebäude liegen, das die Kriterien eines „Effizienzhaus 40“ mit Nachhaltigkeits-Klasse erfüllt und dies durch Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude nachgewiesen wird.
Vom BFH zu klärende Frage
Der BFH musste die Frage entscheiden, ob die Sonderabschreibung nach § 7b EStG im Förderzeitraum 1 auch für einen Neubau gewährt werden kann, wenn zuvor ein noch nutzbares Wohngebäude abgerissen wurde.
Sachverhalt: Errichtung eines Ersatzneubaus
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur ESt veranlagt.
- Auf einem Grundstück stand bis Juni 2020 ein 1962 errichtetes EFH. Dieses wurde zu Wohnzwecken vermietet.
- Der Landkreis forderte die Kläger zur Sanierung der Abwasserrohre auf. Dies nahmen die Kläger zum Anlass, eine Baukostenschätzung zur Renovierung und Instandsetzung des gesamten Hauses einzuholen.
- Die Sanierungskosten für dieses Gebäude sollten rd. 106.000 EUR betragen.
- Die Kläger entschieden sich, das Gebäude (Restwert rd. 145.000 EUR) abzureißen und ein neues Gebäude zu errichten. Der Bauantrag wurde im Juli 2019 gestellt.
- Die Herstellungskosten für das Ende 2020 fertiggestellte EFH betrugen rd. 305.000 EUR.
- Mit der Einkommensteuer-Erklärung 2020 wurde eine Sonderabschreibung nach § 7b EStG (Förderzeitraum I) in Höhe von rd. 15.000 EUR geltend gemacht.
Das Finanzamt versagte die Gewährung der Sonderabschreibung nach § 7b EStG, weil durch den Neubau zwar neuer, aber kein zusätzlicher (bisher nicht vorhandener) Wohnraum geschaffen wurde. Das FG Köln lehnte ebenfalls die Gewährung der Sonderabschreibung nach § 7b EStG ab (Urteil v. 12.9.2024, 1 K 3306/21, EFG 2024, 401).
Entscheidung: Keine Sonderabschreibung für neue Mietwohnungen bei Abriss und Neubau
Der BFH hat die eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH begründet dies im Wesentlichen wie folgt:
- Voraussetzung für die Gewährung der Sonderabschreibung nach § 7b EStG ist im Förderzeitraum 1, dass eine „neue, bisher nicht vorhandene Wohnung“ hergestellt wird.
- Ein im Zusammenhang mit dem Abriss einer bereits vorhandenen Wohnung errichteter Neubau, der nur an Stelle der abgerissenen Wohnung tritt, erfüllt diese Voraussetzung nicht (Rz. 14). Es wird lediglich eine vorhandene Wohnung ersetzt (Rz. 24). Die Motive für den Ersatzneubau sind unerheblich (Rz. 27).
- Anders kann es sich verhalten, wenn der Abriss und der Neubau nicht in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang zueinander stehen und nicht Teil eines Gesamtplanes sind (Rz. 21). Hiervon war im Entscheidungsfall auch deshalb nicht auszugehen, weil bereits vor Abriss ein Bauantrag für den Neubau gestellt wurde und sich die Neubaumaßnahme unmittelbar an den Abriss angeschlossen hatte.
Praxisfolgen
Weder die Gesetzesbegründung noch die Finanzverwaltung äußerten sich zur Frage, ob für einen Ersatzneubau eine Sonderabschreibung nach § 7b EStG zulässig ist. Diese „Lücke“ schließt nunmehr der BFH mit der Rezensionsentscheidung für den Fall, dass ein bisheriges EFH durch ein neues EFH ersetzt wird. Offensichtlich kommt es nur auf die Identität der Gebäudeart, nicht aber auf die Wohnfläche vor und nach Abriss an. Nach der Gesamtplanrechtsprechung muss unterschieden werden, ob Abriss und Neubau in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (Förderausschluss) oder nicht. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls; beim zeitlichen Zusammenhang könnte auf die Drei-Jahresfrist bei den anschaffungsnahen Herstellungskosten zurückgegriffen werden.
Die Entscheidung ist zum Förderzeitraum 1 ergangen. Zwar verlangt der Förderzeitraum 2 nicht ausdrücklich eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung. Nach § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG ist aber Tatbestandsvoraussetzung eine „neue“ Wohnung, so dass auch hierfür die aktuelle BFH-Rechtsprechung bedeutsam ist. Hierauf deutet der BFH in seiner Urteilsbegründung versteckt hin (Rz. 18).
Der BFH ließ offen, ob und falls ja in welchem Umfang eine Begünstigung nach § 7b EStG in Frage käme, wenn ein ersetzender Neubau zu einer Vermehrung des Wohnbestands führen würde (z.B. Ersatz eines EFH/ZFH durch ein Mehrfamilienhaus). Mit weiteren Verfahren ist zu rechnen.
BFH, Urteil v. 12.8.2025, IX R 24/24; veröffentlicht am 23.10.2025
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