Rechtsbehelfsbelehrung: nicht wortlautgemäße Wiedergabe § 122 AO

Das Sächsische FG hat in einem Fall entschieden, in dem § 122 AO in einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht wortlautgemäß wiedergegeben wurde.

Im Streitfall sette das Finanzamt die Einkommensteuer 2019 sowie ab dem 2. Quartal 2022 Einkommensteuer-Vorauszahlungen fest. Dieser Bescheid ging dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1.4.2022 per Post zu. Am 2.5.2022 legte der Prozessbevollmächtige Einspruch gegen den Verwaltungsakt "Einkommensteuer-Vorauszahlungen" für das Jahr "2022" ein.

Einspruch und Rechtsbehelfsbelehrung

Nachdem das Finanzamt den Prozessbevollmächtigten im Juli 2022 aufgefordert hatte, den Einspruch wegen der Einkommensteuer-Vorauszahlungen 2022 zu begründen, legte dieser am 19.8.2022 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 ein und machte geltend, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des Einkommensteuerbescheids unrichtig sei.

Dort heiße es zur Einspruchsfrist: "Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen dieser Bescheid bekanntgegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, …". Dem gegenüber laute die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F.: "Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekanntgegeben bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, …".

Das Finanzamt hat die Auffassung vertreten, die Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht mangelhaft, und den Einspruch als unzulässig verworfen.

Wann eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist

Das FG hat die Auffassung des Finanzamts bestätigt und entschieden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung zu einem Steuerbescheid nicht deshalb unrichtig im Sinne des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ist, weil dort entgegen der Formulierung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO a. F. erklärt wird, dass der Bescheid bei Zusendung mit einfachem Brief "mit" dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt gilt.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO vorgeschriebenen Angaben nicht vollständig enthält oder diese unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich wiedergibt, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit der Fristwahrung gefährdet erscheint. Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung noch andere als die notwendigen Angaben, müssen auch diese Angaben richtig, vollständig und unmissverständlich sein.

Ob das der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung oder ergänzende Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste. Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten gehen zu Lasten der Behörde.

Im Streitfall ist die Rechtsbehelfsbelehrung zum Einkommensteuerbescheid 2019 nicht, wie der Prozessbevollmächtigte meint, deshalb unrichtig, weil dort entgegen der Formulierung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO alte Fassung erklärt wird, dass der Bescheid bei Zusendung durch einfachen Brief "mit" dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt gilt. Denn im Kontext der einen Fristbeginn regelnden Vorschriften des Prozess- und Verfahrensrechts werden die Präpositionen "mit" und "am" synonym verwendet.

Bekanntgabe eines Bescheids

Es ergeben sich für die Berechnung der Einspruchsfrist auch dann keine Unklarheiten, wenn man die Formulierung "mit dem dritten Tag" dahingehend versteht, dass ein schriftlicher, durch die Post übermittelter Verwaltungsakt mit Beginn des dritten Tages nach Postaufgabe als bekanntgegeben gilt. Die Bekanntgabe ist – abstrakt gesehen – ein Ereignis im Sinne von § 108 Abs. 1 AO i. V. mit § 187 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass für den Fristbeginn der Tag nicht mitgerechnet wird, in den das Ereignis fällt, und zwar auch dann nicht, wenn das für den Fristbeginn maßgebende Ereignis auf den Beginn des Tages fallen sollte.

Sächsisches FG, Urteil v. 21.8.2025, 8 K 870/23


Schlagworte zum Thema:  Rechtsbehelfsbelehrung , Einspruch
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