Zuflussbesteuerung auch bei Betriebsaufgabe?

Bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs gegen wiederkehrende Bezüge steht dem Veräußerer ein Wahlrecht zu. Er kann den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn sofort versteuern oder die Rentenzahlung als nachträgliche Betriebseinnahmen behandeln (sog. Zuflussbesteuerung). Fraglich ist, ob es das Wahlrecht auch bei der Betriebsaufgabe gibt.

Beispiel: Aufgabe eines Gewerbebetriebs

A ist Inhaber eines Gewerbebetriebs. Die wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehen aus 2 Betriebsgrundstücken, die einen Buchwert von 100.000 EUR (Grundstück 1) bzw. 200.000 EUR (Grundstück 2) haben. Das Grundstück 1 hat einen gemeinen Wert von 300.000 EUR und das Grundstück 2 von 600.000 EUR. 

A verkauft das Grundstück 2 an B gegen eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 3.000 EUR (mit Wertsicherungsklausel), die einen Kapitalwert von 600.000 EUR hat. Das Grundstück 1 überführt er mit dem gemeinen Wert von 300.000 EUR in sein Privatvermögen.

Sofortbesteuerung

Bei einer Sofortbesteuerung sind die Begünstigungsvorschriften der §§ 16, 34 EStG anwendbar. Aufgabegewinn ist nach § 16 Abs. 3 Sätze 6 und 7 EStG der Betrag, um den die Summe aus dem Veräußerungspreis für die im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter, aus dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und aus den in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufgabe angefallenen sonstigen Erträgen oder Aufwendungen nach Abzug der Aufgabekosten den (Buch-)Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Aufgabe übersteigt (BFH Urteil vom 25.04.2018 - VI R 51/16, Rn. 26). 

Der begünstigte Aufgabegewinn beträgt danach 600.000 EUR (Kapitalwert Rente 600.000 EUR + gemeiner Wert Grundstück1 von 300.000 EUR ./. Buchwert der veräußerten bzw. entnommenen Wirtschaftsgüter von 300.000 EUR).

Zuflussbesteuerung 

Alternativ zur Sofortbesteuerung kann bei einer Betriebsveräußerung der Veräußerer die Rentenzahlung als nachträgliche Betriebseinnahmen i.S.d. § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 EStG behandeln (R 16 Abs. 11 Satz 6 EStR 2012). In diesem Fall entsteht ein steuerpflichtiger Gewinn, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Bezüge das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zzgl. etwaiger Veräußerungskosten übersteigt; der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil stellt nach Verwaltungsauffassung bereits im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar (R 16 Abs. 1 Satz 7 EStR 2012). Wählt der Steuerpflichtige die Zuflussbesteuerung des Veräußerungsgewinns, kommt es – anders als im Fall der Sofortversteuerung – nicht zur Besteuerung der stillen Reserven im Veräußerungszeitpunkt. Es kommt vielmehr zu einer ratierlichen Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven, sobald das Kapitalkonto überschritten wurde.  

Barzahlung plus Leibrente

Wird ein Betrieb gegen Barzahlung und Leibrente veräußert, steht dem Verkäufer das Wahlrecht zwischen Sofortbesteuerung und Zuflussbesteuerung nur hinsichtlich der Leibrente zu. Der durch die Barzahlung realisierte Veräußerungsgewinn wird sofort, allerdings begünstigt versteuert (§ 34 Abs. 1 und 3 EStG), obwohl nicht alle stillen Reserven realisiert werden (BFH Urteil vom 28.09.1967 - IV 288/62).

Zuflussbesteuerung auch bei Betriebsaufgabe?

Trotz dieser BFH-Rechtsprechung vertritt das Schleswig-Holsteinische FG die Auffassung, dass das für den Fall einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge geltende Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung und der nachgelagerten Besteuerung in den Fällen der Betriebsaufgabe keine Anwendung findet (Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 24.01.2020 - 4 K 28/18). Bei einer Betriebsaufgabe, die mit der Überführung mindestens einer wesentlichen Betriebsgrundlage in das Privatvermögen verbunden ist, könne der Steuerpflichtige – anders als bei der Veräußerung des gesamten Betriebs gegen Rentenzahlung – über die entnommenen Wirtschaftsgüter ohne Rücksichtnahme auf betriebliche Erfordernisse verfügen und zur Begleichung der Steuer auf den Aufgabegewinn nutzen.

Revisionverfahren anhängig

Als Veräußerung gilt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Diese Gleichsetzung erfordert u.E. auch die steuerrechtliche Gleichbehandlung hinsichtlich des Wahlrechts. Gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG wurde Revision eingelegt (Az. des BFH: X R 6/20). Nun muss der BFH entscheiden. Ein Offenhalten entsprechender Fälle ist ratsam, wenn die Zuflussbesteuerung der Rente erreicht werden soll.

Schlagworte zum Thema:  Betriebsaufgabe, Einkommensteuer