Erfolgreiche Positionierung für Steuerkanzleien

Die meisten Kanzleien haben momentan keine Probleme, Mandanten zu gewinnen. Im Gegenteil: Aufnahmestopp und D-Mandanten heißt vielerorts die Devise, wenn die Arbeit immer mehr wird und die Kapazitäten wegen des Fachkräftemangels fehlen. Doch wegen Kapazitätsengpässen jeden kategorisch abzulehnen, ist zu kurzfristig gedacht.

Denn die Welt verändert sich schnell und zunehmend unvorhersehbar, wie die letzten 3 Jahre gezeigt haben. Das bunte Sammelsurium an Mandanten, die viele im Laufe der Jahre "angehäuft" haben, führt in Zeiten zunehmender Komplexität genau zu der Arbeitsüberlastung, über die jetzt viele stöhnen. Deshalb lohnt es sich, genau jetzt den Fokus auf die richtigen Mandanten zu lenken und die Kanzlei zukunftsrobust aufzustellen.

Eine klare Positionierung hilft Ihnen weiter, denn:

  1. Sie gestalten den Auswahl- und Annahmeprozess strukturierter und professioneller, sodass von vornherein die Erstgespräche nur mit passenden Mandanten geführt werden.
  2. Sie können passgerechte Angebote schnüren und aufgrund der Spezialkenntnisse höhere Honorare abrechnen (Prinzip: Fachärzte verdienen mehr als Hausärzte). Eine amerikanische Steuerberaterin hat in ihrem Vortrag aktuell von 3-mal höheren Honoraren in den USA berichtet, die von spezialisierten Kanzleien abgerechnet werden.
  3. Die Mandanten haben einen höheren Nutzen und schätzen Ihre Themen- bzw. Branchenexpertise.
  4. Die Arbeitsprozesse und Fortbildung sind wesentlich effizienter und zielgerichteter.

Und um es gleich vorwegzunehmen: Sie dürfen Ihre bestehenden Mandanten gerne behalten, doch im Laufe der Zeit werden sich Schwerpunkte herausbilden und eine neue Kanzleistruktur entsteht.

Wichtig: Die Begriffe "Positionierung", "Spezialisierung" und "Nische" werden gerne gleichgesetzt. Dabei sind es 3 unterschiedliche Paar Schuhe:

  • Positionierung ist die Wahrnehmung der Kanzlei aus Mandanten- und Interessentensicht. Sie beantwortet die Frage "Für wen bin ich der/die Richtige?" unabhängig davon, ob Sie diese Art Mandanten schon haben oder nicht. Nach außen zeigen Sie Flagge und schärfen Ihr Profil, um Ihre künftigen Mandanten anzusprechen. Ihre bestehenden Mandanten betreuen Sie wie gehabt weiter. Und kein bestehender Mandant wird erschrecken, wenn er sich auf Ihrer Webseite nicht direkt angesprochen fühlt – falls er oder sie überhaupt auf Ihre Webseite schaut.
  • Spezialisierung beginnt, wenn Sie mit einer bestimmten Dienstleistung oder Zielgruppe mehr als 25 % Umsatz machen. Dieser Prozentwert ist ein Erfahrungswert aus unserer Beratungspraxis. Denn dann hat Ihre Positionierung – egal ob bewusst gesteuert oder nicht – Wirkung gezeigt und Sie haben Kapazitäten und Know-How, um für diese Zielgruppe maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Aus unserer Sicht ist das die Kanzlei der Zukunft, denn mit zunehmender Automatisierung und KI haben die Beraterinnen und Berater mit Tiefenwissen die Nase vorn.
  • Eine Nische besetzen Sie, wenn Sie sich voll und ganz, zumindest 75% und mehr auf ein Thema oder eine Zielgruppe konzentrieren.

In den meisten Fällen ist es ein schrittweiser Prozess, den Sie gehen können, jedoch nicht bis zur Nische gehen müssen – und schon gar nicht von heute auf morgen. Je nach Kapazitäten und Vorlieben können Sie auch mehrere Positionierungen oder Spezialisierungen haben. Und eine einmal gewählte Positionierung ist auch nicht auf ewig in Stein gemeißelt. Die Welt verändert sich und wir uns mit. Und es kann ja auch vorkommen, dass bestehende Positionierungen ihren Zweck erfüllt haben oder nicht mehr gefragt sind. Wenn beispielsweise alle Mandanten nur noch digital arbeiten (und der Tag wird kommen), ist die Positionierung als "Digitale Kanzlei" hinfällig.

Schritt 1: Wen oder was wollen Sie nicht? Legen Sie die Ausschlusskriterien fest!

Es fällt vielen leichter, erst mal zu überlegen, was man nicht will. Nehmen Sie sich ein Blatt Papier oder Ihr digitales Notizbuch und schreiben Sie einfach mal auf, was und wen Sie nicht betreuen wollen. Gehen Sie dazu in Gedanken Ihre Mandantenliste durch.

Gibt es Branchen, Umsatzgrößen, Rechtsformen, Leistungsarten oder auch Typen, die für Sie nicht passen? Oder wo sträubt sich grundsätzlich das Nackenhaar? Für den einen ist es die Gastronomie, für die anderen sind es Lehrer. Es kann auch eine Leistungsart sein, z.B. wir machen keine privaten Einkommensteuererklärungen, ausschließlich digital oder nur Unternehmen, die eine Verfahrensdokumentation haben bzw. im ersten Jahr eine mit Ihnen erstellen.

Und für viele hilfreich ist es, ein Mindestjahreshonorar festzulegen entweder nach Leistungsart oder Sie fassen es in einem Unternehmerhonorar zusammen mit Buchführung, Jahresabschluss und Steuererklärungen. Sie werden erstaunt sein, wie anders plötzlich Erstgespräche verlaufen, wenn Sie relativ zu Beginn sagen: "Übrigens, rechnen Sie für Buchführung bitte mindestens 250 Euro pro Monat."

Schritt 2: Die ABC-Analyse

Schauen Sie sich an, mit wem Sie Geld verdienen und wer Ihre Kanzlei weiterempfiehlt. Und werfen Sie auch nochmal den kritischen Pareto-Blick auf die Mandantenliste, also mit wieviel Prozent Ihrer Mandanten machen Sie wieviel Umsatz und Gewinn? Denn wie heißt es so schön: Umsatz macht Arbeit, Gewinn macht Freude. Hier finden Sie auch Anhaltspunkte für das Mindesthonorar aus Schritt 1.

Schritt 3: Chancenfinder bestehende Mandanten

Nehmen Sie sich Ihre ABC-Analyse und füllen Sie für jeden einzelnen Ihrer 10 bis 15 Lieblingsmandanten einen Steckbrief mit folgenden Punkten aus und schauen Sie, wo die Gemeinsamkeiten sind. Der Begriff "Lieblingsmandanten" bezieht sich dabei nicht zwangsläufig nur auf den Deckungsbeitrag, also die klassischen A-Mandanten, sondern berücksichtigen Sie auch, wie gerne Sie mit diesen Mandanten zusammenarbeiten.

  • Branche/Sparte
  • Mandanten: Umsatz/Gewinn/Familieneinkommen
  • Demographie: Alter, Geschlecht, Familienstand, Kinder, Alter der Kinder
  • Region
  • Anzahl Mitarbeiter
  • Rechtsform
  • Digitalisierungsgrad/Vorsysteme
  • Leistungsumfang Kanzlei
  • Interessen
  • Mindset/Zukunftsorientierung

Mit den folgenden Fragen finden Sie dann heraus, was diese Zielgruppe bewegt und welches Beratungsangebot passt:

  • Wo gibt es Schwerpunkte und welche Themen und Fragestellungen sind für diese Gruppe wichtig?
  • Was bedeutet für diese Gruppe Erfolg? Beruflich und persönlich?
  • Was lässt diese Menschen nachts nicht schlafen? Wo suchen sie Hilfe? Was erleichtert ihnen das Leben?

Sie können natürlich auch einen Blick auf die gesamte Mandantenliste werfen und nach Gemeinsamkeiten suchen, die dann in die eine oder andere Richtung zeigen, die als Positionierung ausbaufähig ist. Haben Sie jetzt vielleicht schon viele Do-It-Yourself-Unternehmer, die mit Lexoffice buchen? Oder Familienunternehmen, in denen die Juniorgeneration in den Startlöchern steht oder gerade in den Betrieb mit einsteigt. Sie sehen, es geht nicht darum eine Branche zu finden, sondern in ausbaufähigen Gemeinsamkeiten zu denken.

Schritt 4: Wo steckt Zukunftspotenzial?

Wenn Sie Ihre Schwerpunkte gefunden habe, machen Sie den Zukunfts-Check. Hat diese Branche, diese Dienstleistung, dieser Typ Mandant Zukunftspotenzial? Und wollen bzw. können Sie Spezialwissen dafür auf- und ausbauen? Hier 3 Inspirationsquellen:

Solche Inspirationsquellen haben den zusätzlichen Nutzen, dass Sie mehr über die Entwicklung Ihrer bestehenden Mandanten erfahren und in Beratungsgesprächen mit Tiefenwissen punkten und auf die zukünftigen Herausforderungen eingehen können.

Schritt 5: Kurzprofil Zielmandant

Fassen Sie jetzt Ihre Ergebnisse in einem Kurzprofil zusammen.

Schritt 6: Angebot für Zielmandanten

Je besser Sie Ihren Zielmandanten definiert haben, desto eher finden Sie heraus, welche Dienstleistungen diese Art Mandanten braucht und wertschätzt. Hier helfen Ihnen auch wieder die 3 Fragen:

  1. Vor welchen Herausforderungen steht diese Zielgruppe?
  2. Was wünscht sich diese Zielgruppe?
  3. Was lässt sie nachts nicht schlafen?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es den einen oder die andere Mandantin, auf die das Profil aus Schritt 5 passt. Laden Sie ihn oder sie zum Essen ein und stellen Sie genau diese und weitere vertiefende Fragen. Oder fragen Sie ChatGPT - diese KI hat auch auf solche Fragen ziemlich hilfreiche Antworten.

Schritt 7: Der magische Moment

Wenn Sie jetzt mit Ihrem Angebot an die Öffentlichkeit gehen, fehlt Ihnen nur noch ein kleiner doch entscheidender Schritt: Ihr Zielmandant muss auf den ersten Blick erkennen, dass er oder sie bei Ihnen genau richtig ist. Wir nennen das den magischen Moment, wenn jemand beispielsweise zum ersten Mal auf eine Webseite kommt und dort sofort denkt: "Genau das habe ich gesucht. Genau das ist mein Problem. Genau das will ich haben." Neudeutsch können Sie auch sagen, dass es den Mandanten triggert. Und das ist nicht Buchhaltung, Jahresabschluss oder Steuererklärungen.

Diesen magischen Moment erzeugen Sie mit einer emotionalen Ansprache. Dazu sind die Schritte 5 und 6 erfolgsentscheidend. Je besser Sie Ihre Zielgruppe kennen, desto genauer treffen Sie in deren Herz. Und wenn diese emotionale Ansprache polarisiert, haben Sie es richtig gemacht. Denn genau das ist die Kunst und der Charme von Positionierung. Sie ist wie ein Magnet und erzeugt bei den richtigen Mandanten einen Sog, während sie bei den anderen abprallt.

Tipp: Wenn Sie die 7 Schritte durchlaufen sind, können Sie das in einer 5, 7 oder 10-Punkte Checkliste zusammenfassen und auf Ihrer Webseite prominent auf der Startseite platzieren oder beim ersten Telefonat kurz durchgehen. So fühlen sich die Richtigen sofort angesprochen und die anderen melden sich erst gar nicht. Und jedes Mal, wenn ein Zielmandant vor der Tür steht, können Sie einen der bestehenden Mandanten, der die Ausschlusskriterien erfüllt oder aus einem anderen Grund weniger passt, guten Gewissens gehen lassen. So entwickeln Sie sukzessive Ihre Kanzlei in Ihre Zielkanzlei.

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