Der Grundrentenzuschlag als janusköpfige Hybridleistung
Ziel des Grundrentenzuschlages ist es, einen „nachsorgenden sozialen Ausgleich“ zu schaffen. Dazu zählt
- ein Zuschlag auf die durch Beitragsleistung geschaffenen Rentenanwartschaften,
- die Sicherstellung einer Leistung oberhalb der Grundsicherung sowie
- ein Alterseinkommen deutlich über dem Grundsicherungsniveau.
Finanzierung der Grundrente
Die Finanzierung der Grundrente erfolgt aus Steuermitteln. Eine zusätzliche Belastung der Beitragszahler soll vermieden werden. Wer mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten belegt hat, kann in den Genuss dieser neuen Fürsorgeleistung kommen.
Wer profitiert vom Grundrentenzuschlag?
Gewährt wird der Grundrentenzuschlag nur bei einem Jahresverdienst, der mindestens 0,3 Entgeltpunkten bis maximal 0,8004 Entgeltpunkten entspricht. Bei dem Wert von 0,3 Entgeltpunkten handelt es sich um mindestens 30 % des jeweiligen Durchschnittsverdienstes.
Auf unterdurchschnittliche Arbeitseinkommen wird kein Grundrentenzuschlag geleistet. Dazu zählen beispielsweise Entgelte, die lediglich die Bedeutung eines ergänzenden Einkommens haben. Das ist insbesondere bei „Minijobbern“ der Fall.
Oberhalb der Grenze von 0,8004 Entgeltpunkten besteht die unwiderlegbare Vermutung, dass der betroffene Rentner nicht auf die Grundrente angewiesen sein wird.
Wie zahlt sich der Grundrentenzuschlag aus?
Im Jahr 2020 beträgt der monatliche Durchschnittsverdienst rund 3.379 EUR. Der Grundrentenzuschlag kann daher Rentenanwartschaften nahezu verdoppeln und teilweise im günstigsten Fall zwischen 300 EUR und 400 EUR ausmachen. Der höchste Grundrentenzuschlag kann ausgehend von einem jährlichen Durchschnittswert von 0,4 Entgeltpunkten den Betrag von knapp 420 EUR erreichen. Die Regelung hat große praktische Relevanz. Die Deutsche Rentenversicherung geht davon aus, dass etwa 1,3 Millionen Rentner von der Regelung profitieren werden. Das Gesetz tritt am 1.1.2021 in Kraft.
Wann kommen Rentner in den Genuss des Grundrentenzuschlags?
Das Verfahren zum digitale Datenabgleich zwischen Finanzbehörden und Rentenversicherungsträger muss erst noch eingerichtet werden; nur so wird die Einkommensanrechnung zur Ermittlung des Grundrentenzuschlags möglich sein. Für den Grundrentenzuschlag soll kein Antrag notwendig sein. Ohne funktionierende technische Umsetzung ist die Administrierung des Gesetzes den Rentenversicherungsträgern aber nicht möglich. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) geht deshalb davon aus, dass frühestens Ende Juli 2021 die ersten Grundrentenbescheide verschickt werden. Dabei handelt es sich zunächst um Grundrentenbescheide an Neurentner. Erst danach erfolgt eine gestaffelte Abarbeitung des Rentenbestandes. Für diese Aufgabe plant die DRV ein Zeitfenster bis Ende 2022 ein. Es gibt viel zu tun: Knapp 26 Millionen teils sehr alte Versicherungskonten sind zu prüfen. Rentennachzahlungen für Bestandsrentner können im Einzelfall 10.000 EUR und mehr ausmachen. Es ist fraglich, ob die Rentenversicherungsträger diese zeitlichen Vorgaben einhalten können? Selbst der Gesetzgeber geht davon aus, dass es bei der Administrierung zu weiteren erheblichen zeitlichen Verzögerungen kommt, falls die technische Infrastruktur nicht rechtzeitig bis Juli 2021 zur Verfügung steht.
Folgen der Nachzahlung einer Grundrente auf Sozialhilfeleistungen
Was bedeutet das für „Grundrentner“, also den Personenkreis, der in der Regel neben einer beitragsbezogenen Rente Sozialhilfeleistungen bezieht? Die meisten Rentner verfügen mutmaßlich über kein zusätzliches Einkommen, weshalb sie auch solche Fürsorgeleistungen zu einer angemessene Sicherung des Alterseinkommen beziehen. Die Auswirkungen der Nachzahlung des Grundrentenzuschlags auf solche Leistungen hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Lediglich durch eine neu eingefügte Regelung (§ 82a SGB XII) wird ein höherer monatlicher Betrag bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt. Ansonsten bleibt es bei der Grundregelung, dass das Einkommen und das Vermögen in gewissen Umfang berücksichtigt werden.
Rückwirkende Verrechnung mit Sozialhilfeleistungen?
Eine rückwirkende Verrechnung mit seit dem 1.1.2021 bezogenen Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII scheidet aus, da es sich hierbei um bedarfsdeckende Leistungen handelt. Rentennachzahlungen stellen im Zeitpunkt ihres Zuflusses, also im Zeitpunkt der Rentennachzahlung selbst, Einkommen dar und führen daher zur Anrechnung auf die Sozialhilfeleistungen. Im Folgemonat stellen Rentennachzahlungen Vermögen dar. Selbst der Gesetzgeber geht davon aus, dass nicht in allen Fällen das mit dem Grundrentenzuschlag verfolgte ordnungspolitische Ziel erreicht wird, Rentner aus dem Bezug von Fürsorgeleistung zu lösen. Gerade in Regionen Deutschlands mit einem hohen Mietniveau kann der Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung, die „nur“ im Rahmen der Angemessenheit übernommen werden, den Grundrentenzuschlag faktisch aufzehren. So kann es dazu kommen, dass trotz Grundrentenzuschlag aufstockende Leistungen aus dem Fürsorgesystem notwendig werden können. Rentner, die auch mit Grundrentenzuschlag zusätzliche Unterstützung benötigen, dürfte die Rentennachzahlung keine monetären Vorteile bringen.
Folgen des Grundrentenzuschlags für den Steuerzahler
Der Grundrentenzuschlag ist eine Hybridleistung in der Landschaft des deutschen Sozialversicherungsrechts. Der Zuschlag ist geprägt von Elementen der Beitragszahlung und der Steuerfinanzierung. Damit betritt der Grundrentenzuschlag im Rentenversicherungssystem praktisch Neuland und vereint Mischelemente, die sich zwischen Äquivalenzprinzip und Elementen des sozialen Ausgleichs bewegen. Die Kosten des sozialen Ausgleichs trägt der Steuerzahler - insbesondere in der Übergangszeit, bis alle Neu- und Bestandsrentner einen Bescheid erhalten haben.
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