
Die Zahl der Hartz IV-Aufstocker steigt kontinuierlich an. Nun werden die Jobcenter aktiv: Vor allem im Osten Deutschlands gehen Jobcenter gerichtlich gegen Arbeitgeber vor, die Niedriglöhne zahlen. Der Kampf gegen das Lohndumpung wird auch von der Politik unterstützt.
Viele Arbeitnehmer wie z. B. Aushilfen, Boten oder Service-Personal in der Gastronomie arbeiten unter dem ortsüblichen Tarif. Teilweise werden Stundenlöhne unter 2 EUR gezahlt. Gegenwind von den Jobcentern bekommen nun Firmen, die solche Niedriglöhne zahlen.
Die Jobcenter erhalten wiederum Rückenwind aus den laufenden Koalitionsverhandlungen: Union und SPD haben sich auf einen gesetzlichen Mindestlohn geeinigt.
Hartz IV muss häufig aufgestockt werden
Reicht das Entgelt aus einer Beschäftigung nicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, zahlen die Jobcenter den sogenannten Hartz IV-Aufstockern noch etwas hinzu. Diese Aufstockung wird aus Steuermitteln finanziert. In Berlin erhalten beipielsweise laut Behördensprecher Olaf Möller rund 100.000 Hartz IV-Empfänger eine solche Aufstockung, in Brandenburg erhalten etwa 60.000. Dass vom Amt aufgezahlt wird, wissen natürlich auch die Unternehmen.
Jobcenter prüfen bei Unternehmen mit Niedriglöhnen
"Wo die Löhne auffällig niedrig sind, wird geprüft", berichtet Möller von der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Verstärkt sich der Verdacht von sittenwidrig niedriger Bezahlung, z. B. im Vergleich von Tarifgefüge und ortsüblicher Bezahlung, landen diese Lohndumping-Fälle vor den Arbeitsgerichten.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) kann keine Auskunft über die Zahl solcher Verfahren geben.
Lohndumping: im Osten häufiger als im Westen
"Wir haben keinen Überblick, wie viele Prozesse wegen sittenwidrig niedriger Löhne bei Aufstockern geführt werden", sagt die BA-Behördensprecherin Ilona Mirtschin in Nürnberg. "Allerdings haben wir den Eindruck, dass es solche Verfahren im Osten häufiger gibt als im Westen."
Die Menschen im Osten seien wegen der teils schwierigen wirtschaftlichen Lage stärker sensibilisiert, wenn Unternehmen mit Steuergeldern subventioniert werden. Deswegen gebe es auch auffällig viele Gerichtsfälle in Brandenburg.
Arbeitsgerichtsprozesse wegen Niedriglöhnen sind keine Seltenheit
So wird am Arbeitsgericht Senftenberg am Freitag (29.11.) ein Fall verhandelt, bei dem ein Anwalt seine beiden Bürokräfte, die Hartz IV-Leistungen erhielten, mit einem Stundenlohn von etwa 1,70 EUR abgespeist haben soll. Erst im Oktober hatte dieses Gericht 2 Unternehmer aus Lübbenau zur Nachzahlung von 1.560 EUR verurteilt, weil sie einen Verkäufer für einen Stundenlohn von 2,84 EUR beschäftigten. Doppelt so viel hätten sie dem Mann zahlen müssen, befand der Richter. Bereits im August hatte das Jobcenter Uckermark erfolgreich gegen einen Pizza-Lieferservice geklagt, der seinen Mitarbeitern pro Stunde 1,59 EUR, 1,65 EUR und 2,72 EUR zahlte.
Arbeitgruppe gegen Lohndumping gegründet
Um ihren Einsatz gegen Lohndumping zu bündeln, haben die Jobcenter in Berlin und Brandenburg eine Arbeitsgruppe geschaffen. Ziel ist ein statischer Überblick - und ein gemeinsames konzentriertes Vorgehen gegen Arbeitgeber, die Niedriglöhne zahlen. Bereits Anfang 2014 soll eine erste Bilanz gezogen werden.
Frauen werden schlechter bezahlt als Männer
Für Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) befürwortet, dass immer mehr Jobcenter gegen sittenwidrige Löhne auch mit Klagen vorgehen wollen. Jeder 5. Vollzeitbeschäftigte in Brandenburg verdiene pro Stunde weniger als 8,50 EUR. Der Durchschnittslohn im Niedriglohnsektor liege in Ostdeutschland bei 6,52 EUR, vor allem Frauen seien betroffen.
Gesetzlicher Mindestlohn könnte Abhilfe schaffen
Wenn die neue Bundesregierung einen gesetzlichen Mindestlohn einführt, könnte Lohndumping eingedämmt werden. Union und SPD haben sich in zähen Verhandlungen auf einen Kompromiss zu einer Lohnuntergrenze geeinigt. Allerdings sind die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns und der Starttermin des verbindlichen unteren Stundenentgelts noch offen.
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