Introvertierte Mitarbeiter: "Schmunzeln statt Schenkelklopfen"
Haufe Online Redaktion: Woran erkennt eine Führungskraft introvertierte Mitarbeiter?
Chris Wolf: In Meetings hören introvertierte Mitarbeiter lieber erst einmal zu und mischen sich – wenn überhaupt – erst spät ein. Sie treten nicht besonders dominant auf, obwohl sie oft Leidenschaft für die Themen mitbringen. Ihr emotionaler Ausdruck ist oft ein wenig sparsam. Smalltalk ist nicht ihre Stärke, und sie ziehen sich zurück, um Energie zu tanken: Beim Feierabendbier sitzen sie lieber hinter ihrem Bierglas und schauen zu.
Haufe Online Redaktion: Welche Stärken haben Introvertierte?
Wolf: Introvertierte können sich thematisch intensiv einbringen, gut zuhören und sie durchdenken Dinge, bevor sie reden. Bei Präsentationen bereiten sie sich gerne gut vor und legen Leidenschaft in die Themen. Introvertierte haben oft auch einen feinen Humor, der sich durch Schmunzeln statt durch Schenkelklopfen auszeichnet.
Haufe Online Redaktion: Wo haben sie Nachholbedarf?
Wolf: Diskussionen und Meetings sind eine gewisse Herausforderung. Während sich Extravertierte oft durch ihren Auftritt schon einprägen, müssen Introvertierte sich sichtbar machen.
Haufe Online Redaktion: Wie können Führungskräfte ihre introvertierten Mitarbeiter dabei unterstützen?
Wolf: Führungskräfte sollten Introvertierte ermutigen, mit ihrer leisen Art eigene Wege zu finden. Sie können introvertierte Mitarbeiter etwa zum Reden motivieren, indem sie geeignete Fragen stellen und ihnen Zeit lassen zu antworten. Führungskräfte sollten auch das Timing beachten und etwa in einer hitzigen Diskussion den Mitarbeiter nicht zu einem spontanen Beitrag auffordern. Besser ist es, ihn später, etwa nach einer Kaffeepause, nach seiner Meinung zu fragen. Führungskräfte sollten außerdem die Leidenschaft von Introvertierten, in die Tiefe zu gehen, wahrnehmen und anerkennen. Sie sollten auch den feinen, leisen Humor wertschätzen und den Mitarbeiter damit motivieren und inhaltlich anregen. Da Introvertierte zu intensiven Beziehungen neigen, sind ihre Kontakte mit Kunden oft viel authentischer und emotionaler. Eine Führungskraft sollte auch dies wertschätzen und nutzen.
Haufe Online Redaktion: Wie verhindert eine Führungskraft, dass die Extravertierten im Team die Introvertierten übertönen?
Wolf: Führungskräfte sollten angemessen moderieren, damit die leisen Beiträge die lauten ergänzen. Außerdem sollten sie die beiden Extreme Introversion und Extraversion thematisieren: So lernen Extravertierte, wie Introvertierte funktionieren und umgekehrt, und wie man gemeinsam erfolgreich agiert. Denn ein gutes Team braucht sowohl Extra- als auch Introvertierte.
Haufe Online Redaktion: Viele Stellenausschreibungen verlangen jedoch nach Extravertierten: "kommunikationsstark, sicheres Auftreten, durchsetzungsfähig". Wie können sich Introvertierte hier durchsetzen?
Wolf: Indem sie die Themen auf ihre Art angehen. Das gelingt zum Beispiel, wenn Introvertierte beim Smalltalk Arbeitsthemen nutzen, anstatt "Wetter" oder "Urlaub" als Themen einzuspielen. Sie können das mit ihrer Zuhörfähigkeit koppeln, indem sie einfach dem Gegenüber eine Frage stellen. So entwickelt sich ein flüssiger Smalltalk.
Haufe Online Redaktion: Dennoch würden Personaler und Führungskräfte für eine Verkäuferstelle wohl eher jemanden mit ausgeprägter Extraversion wählen…
Wolf: Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass Nicht-Extravertierte die besseren Verkäufer sind. Es gibt sicherlich Bereiche, die ihnen unangenehm sind. Dennoch glaube ich, dass ein Introvertierter jeden Job machen kann, wenn er will und motiviert ist. Beispielsweise kann eine Introvertierte erfolgreich als Messehostess arbeiten, wenn ihr etwa die Inhalte des Messestands gut gefallen.
Haufe Online Redaktion: Ist man sein Leben lang auf eine der beiden Ausprägungen festgelegt?
Wolf: Es sind Präferenzen und man kann lernen, entgegen der eigenen Vorlieben zu handeln, um daraus einen Nutzen zu ziehen – aber die Präferenzen bleiben. Ein Introvertierter, der gut als Redner oder Präsentator agiert, möchte nach der Rede oder Präsentation wieder still hinter seinem Bierglas sitzen.
Chris Wolf ist Diplom-Psychologin und Buchautorin.
Das Interview führte Andrea Kraß, Redaktion Personal.
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber beachten müssen
2.738
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
1.603
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
1.488
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
1.367
-
Krankschreibung per Telefon nun dauerhaft möglich
1.289
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
1.202
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
1.038
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
652
-
Pflicht zur psychischen Gefährdungsbeurteilung
591
-
Datenschutz und Mitbestimmung bei Mitarbeiterbefragungen
412
-
Erfolgsfaktor Planbarkeit: Mitarbeitende trotz Mehrarbeit motiviert und gesund halten
04.10.2024
-
"Marktführend zu sein, heißt nicht, den Euro zu zählen"
02.10.2024
-
Warum sollte das Recruiting digitaler werden?
02.10.2024
-
Social Recruiting: Mitarbeitergewinnung mit Social Media
02.10.2024
-
Das Potenzial automatisierter Recruitingprozesse
02.10.2024
-
Die gängigsten Kennzahlen und KPIs für das Recruiting
02.10.2024
-
Künstliche Intelligenz im Recruiting: Werkzeuge und Tools
02.10.2024
-
Herausforderungen im HR Application Management
30.09.2024
-
bAV-Verwaltung: Wie entkommen Personalabteilungen dem Papierdschungel?
30.09.2024
-
Fünf Recruiting-Maßnahmen, die garantiert abschrecken
27.09.2024