Fachkräfte und Führung

Jede dritte Fachkraft hat schon einmal wegen ihres Chefs gekündigt. 20 Prozent der Fachkräfte bewerten ihre Vorgesetzten nur mit der Schulnote vier ("ausreichend") oder schlechter. Diese alarmierenden Zahlen gehen aus einer aktuellen Studie hervor und rufen nach besserer Führungskräfteentwicklung.

Im Schnitt bewerten Fachkräfte in Deutschland ihre Vorgesetzten auf einer Schulnotenskala von eins bis sechs mit einer 3+ (2,67) wie eine aktuelle Untersuchung zeigt. Das Marktforschungsinistut Respondi hat im Auftrag von Meinetstadt.de rund 2.000 Fachkräfte mit Berufsausbildung im Alter von 25 bis 65 Jahren befragt. Die Studienautoren stellen dabei infrage, ob diese "befriedigende" Bewertung der Vorgesetzten in Zeiten des Fachkräftemangels wirklich gut genug ist. Auch dass 30,2 Prozent der Befragten schon einmal wegen ihrer Führungskraft den Job gewechselt haben, wirft kein gutes Licht auf die Führungskultur.

Wolfgang Weber, Geschäftsführer von Meinstadt.de, meint deshalb, dass Arbeitgeber ihre Führungskultur reflektieren und in die Führungsqualität investieren müssten. Denn: "Gute Führungskräfte machen einen Arbeitgeber für Fachkräfte mit Berufsausbildung attraktiv, schlechte Führungskräfte unattraktiv."

Schilderungen negativer Führungserlebnisse geben zu denken

Besonders alarmierend sind die konkreten Beschreibungen von negativen Führungserlebnissen, die in der Studie zusammengetragen wurden. Viele Fachkräfte schildern dabei ein beachtliches Maß an Wutausbrüchen und Gewalt seitens einzelner Führungskräfte. In der Studie werden Schilderungen von cholerischen Anfällen "bis an den Rand der Gewalttätigkeit", vom Werfen mit Ordnern und anderen Gegenständen oder vom Anschreien "vor versammelter Mannschaft und Kunden" zitiert. Auch Homophobie oder bewusst eingesetzte psychologische Gewalt werden in der Studie problematisiert: Ein Teilnehmer erzählt von "persönlichen Beleidigungen, weil ich schwul bin". Auch vom Zwang, "21 Tage ohne Pause zu arbeiten", oder von der Verweigerung von Toilettenpausen durch Abschließen der Toilette berichtet die Studie.

Als besonders positiv erleben es die Befragten der Studie hingegen, wenn Führungskräfte Rücksicht auf persönliche Stresslagen oder Nöte nehmen und wenn die Arbeit der Fachkräfte geschätzt wird. So freut sich eine Fachkraft beispielsweise, als sein Vorgesetzter "vor allen anderen sagt, dass er weiß was er an mir hat." Andere Stimmen freuen sich darüber, dass "Stress und Arbeit ferngehalten" werden, wenn die gesundheitliche oder psychische Situation das erfordert, oder darüber, dass für Todesfälle auch außergewöhnlich lange Abwesenheitszeiten ("drei Wochen unvorhergesehenes Fernbleiben") akzeptiert werden.

Branchenvergleich Führung: besondere Probleme in Logistik

Bezüglich der "Benotung" von Führungskräften stellt die Studie einen Branchenvergleich auf. Auch wenn sich alle Durchschnittsnoten zwischen einer Zwei und einer Drei befinden, zeigen sich Unterschiede: Im Handwerk werden die Führungskräfte mit einer 2,43 am besten bewertet. Am hinteren Ende stehen die Führungskräfte im Handel und in der Logistik. Die durchschnittliche Bewertung in der Handelsbranche schafft es auf 2,73, in der Logistikbranche erhalten die Chefs von ihren Fachkräften nur eine 2,77.

Was wünschen sich Fachkräfte von Führung?

Die Frage, was Führungskräfte konkret verbessern müssen, um in Zukunft besser abzuschneiden, lässt sich nicht eindeutig bewerten. Die Studie hat Empfehlungen an Führungskräfte vonseiten der Befragten gesammelt, diese weisen aber in zwei unterschiedliche Richtungen. Auf der einen Seite zeigen sich Forderungen nach klaren Entscheidungen, Konsequenz und einem Vorbild-Charakter der Führungskräfte – Empfehlungen die für die Studienautoren auf ein klassisches, hierarchisches Führungsverständnis hindeuteten. Auf der anderen Seite finden sich auch Empfehlungen, die eine Führung auf Augenhöhe einfordern wie eine Balance zwischen "motivieren, kritisieren und fördern" oder "Wertschätzung, Zuhören"  und "echtes Interesse an meiner Arbeit zeigen". Auch ein selbstkritisches und reflektiertes Führungsverhalten wird in diesem Kontext erwartet. Somit deute sich ein künftiger Führungsspagat zwischen klassischer Durchsetzungsstärke auf der einen und Selbstreflektion und Empathie auf der anderen Seite an, meinen die Studienautoren. Bei diesen unterschiedlichen Ansprüchen und Wünschen zeige sich, dass es keine "ideale Führung" gebe.

Dennoch empfehlen die Studienautoren, auf die problematischen Ergebnisse zu reagieren, indem Unternehmen ihre Führungskultur stärker reflektieren und in die Führungsqualität investieren. Dazu müsse zunächst die Führungswirklichkeit im Unternehmen und die Führungserwartung von Fachkräften zur Kenntnis genommen und diskutiert werden.


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