Coaching hat einige unerwünschte Begleiterscheinungen

Business-Coaching liegt noch immer im Trend. In einer Studie der Stanford University wünschten sich fast hundert Prozent der befragten Top-Manager einen Coach an der Seite. Wie Professor Carsten C. Schermuly mit seiner Forschung belegt, können Coachings aber auch negative Effekte haben.

Haufe Online-Redaktion: Sie haben aber über negative Effekte im Coaching geforscht. Warum – was spricht für die Existenz von diesen negativen Effekten im Business-Coaching?

Carsten C. Schermuly: Aus sozialpsychologischer Sicht ist es eher unwahrscheinlich, dass es engere Beziehungen zwischen Menschen gibt, in denen keine negativen Effekte auftreten. Es ist also normal, dass Menschen nicht nur positive Erfahrungen miteinander machen. Dafür gibt es aus Bereichen, die dem Coaching in mancher Hinsicht ähneln, Belege. Im Mentoring hat man zum Beispiel nachweisen können, dass es zu negativen Effekten für den Mentee kommen kann.  Zusätzlich haben auch erste allgemeine Belege aus der Coachingforschung uns motiviert, dieses Phänomen genauer theoretisch und empirisch zu erfassen. Die Forschungsbemühungen lohnen sich, weil sie helfen, genauere Qualitätsstandards im Coachingbereich zu entwickeln. Weiterhin kann Wissen darüber, welche negativen Effekte auftreten und welche Ursachen diese haben, dabei helfen diese zu erkennen, zu verhindern oder gar produktiv im Coaching zu nutzen.

Haufe Online-Redaktion: Inwiefern kann man überhaupt die stark individuellen Coaching-Gespräche wissenschaftlich objektiv erfassen?

Schermuly: Kontrollierte Studien mit objektiven Maßen und Kontrollgruppen sind in solch einem jungen Forschungsbereich derzeit noch schwer möglich. Außerdem wollen und können wir aus ethischen Gründen in unserer Forschung keine negativen Effekte gezielt provozieren und dann untersuchen. Daher sind wir auf die Einschätzungen von Coachs und Klienten angewiesen und hier sind wir natürlich mit subjektiven Eindrücken konfrontiert. Wir versuchen dem Problem zu begegnen, in dem wir qualitative und quantitative Elemente in unserer Forschung verbinden sowie mittlerweile auch Coach und Klienten gleichzeitig zu demselben Coaching befragen.  

Haufe Online-Redaktion: Belegen Sie mit Ihrer Forschung, dass die Business-Coachings zwar beliebt sind, aber keinen Erfolg versprechen?

Schermuly: Definitiv nicht. Wir setzen auch negative Effekte nicht mit Misserfolg gleich. Wie bei einem erfolgreichen Medikament kann es aber zu Nebenwirkungen kommen. Und das zeigen auch unsere Ergebnisse. Coachs und Klienten sind überwiegend sehr zufrieden mit dem Erfolg ihrer Coachings und dennoch treten negative Effekte im Sinne von unerwünschten Begleiterscheinungen während des Coachings oder danach auf.

Haufe Online-Redaktion: Welche negativen Effekte treten laut Ihrer Forschung am häufigsten auf?

Schermuly: Besonders häufig tritt auf, dass beim Klienten Probleme angestoßen werden, die im Coaching nicht mehr bewältigt werden können. Auch wird häufig als negativ erlebt, dass der Coach gegen den Willen des Klienten die Ziele im Coaching verändert oder die Arbeitszufriedenheit oder die die Beziehungsqualität zur Führungskraft sich durch das Coaching verschlechtern. Weniger häufig treten Effekte wie zum Beispiel eine Verschlimmerung von psychischen Störungen oder ein unbeabsichtigter Arbeitsplatzverlust auf, doch geben dies immerhin noch  etwa zwei Prozent der Teilnehmer unserer Untersuchung an.

Haufe Online-Redaktion: Auf was sollten Coachs oder Unternehmen achten, um negative Effekte zu verhindern?

Schermuly: Zum einen haben wir die Anzahl  der behandelten Themen  als Einflussgröße identifizieren können. In Coachings, in denen wenige Probleme konzentriert behandelt werden, treten weniger negative Effekte auf. Auch scheinen sich Supervision und ausreichende Diagnostik günstig auszuwirken. Coachs, die sich mit einem erfahrenen Kollegen austauschen und/oder am Anfang des Coachings viele Informationen über den Klienten und seine Problemlage sammeln, haben weniger mit negativen Effekten zu tun.  Auch scheinen, laut Aussage der Coachs, gute Transfermöglichkeiten für das Gelernte in der Organisation negative Effekte zu verhindern. Aber auch eine hohe Motivation sowie realistische Vorstellungen des Klienten hinsichtlich des Coachings wirken günstig.

Prof. Dr. Carsten C. Schermuly ist Studiengangsleiter Wirtschaftspsychologie an der SRH Hochschule Berlin. Er leitet seit 2011 die Arbeitsgruppe zu Risiken und Nebenwirkungen von Business-Coachings an der SRH.

Das Interview führte Kristina Enderle da Silva, Redaktion Personal.