Arbeitsklima: Häufiger Mobbing in hierarchischen Kulturen

Ist Mobbing auch eine Frage des kulturellen Hintergrunds? Eine Studie hat untersucht, in welchem Maß die Schikane am Arbeitsplatz in verschiedenen Teilen der Welt akzeptiert wird. Sie gibt außerdem Aufschluss darüber, in welchen Kulturen häufiger gemobbt wird - und warum.

Für die Studie hat die Audencia Nantes School of Management die Akzeptanz von Mobbing am Arbeitsplatz auf sechs Kontinenten verglichen. Um einen Überblick über die geografische Verteilung von Mobbing zu bekommen, wurden die 1.500 Befragten sechs verschiedenen Kulturräumen zugeordnet: Südasien (Indien),  angelsächsischer Raum (England, USA, Australien), konfuzianisches Asien (Singapur, Taiwan, Hong Kong), Lateinamerika (Kolumbien, Argentinien, Mexiko), Schwarzafrika (Nigeria) und Osteuropa (Griechenland, Polen, Ungarn).

Das Ergebnis: Im konfuzianischen Asien wird Mobbing am Arbeitsplatz eher akzeptiert als im angelsächsischen Raum, in Lateinamerika oder Schwarzafrika. Als Hintergrund für die Akzeptanz in Asien wird vermutet, dass die konfuzianische Tradition des Respekts für Hierarchie und Loyalität gegenüber Vorgesetzten Mitarbeiter dazu prädisponieren könnte, Mobbingverhalten von Vorgesetzten eher zu akzeptieren.

Einwohner der Kulturregionen Lateinamerika und Schwarzafrika schätzen der Studie zufolge Loyalität gegenüber der Familie. Die Mitarbeiter dort arbeiten demnach in kleinen Gruppen zusammen, sind aber weniger loyal gegenüber Unternehmen als Angestellte im konfuzianischen Asien. Für Lateinamerikaner stehen persönliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Vordergrund – es gilt also direkte Beleidigungen zu vermeiden um die Würde der Mitarbeiter zu erhalten.

Leistungsorientierte Kulturen akzeptieren Mobbing eher als zukunftsorientierte

Doch nicht nur Hierarchie und Loyalität beeinflussen den Erkenntnissen zufolge die Akzeptanz von Mobbing. Auch der Grad, in dem eine Kultur leistungs- und zukunftsorientiert ist, ist dabei ein Faktor: Gesellschaften mit hoher Leistungsorientierung tendieren demnach dazu, Motivationspraktiken anzuwenden, die sich eher auf Resultate als auf die Menschen konzentrieren. Werte wie Leistung, Dringlichkeit sowie direkte und explizite Kommunikation führen laut den Studienautoren dazu, dass  Mobbingverhalten wie Anschreien von Angestellten eher toleriert wird, wenn es zu besseren Ergebnissen führt. Kulturen mit einer hohen Zukunftsorientierung dagegen sind nicht so leicht bereit, Mobbing zu akzeptieren – sie glauben nämlich, dass das momentane Verhalten die Zukunft beeinflusse. Deshalb investieren Mitarbeiter aus diesen Kulturregionen eher in die Entwicklung und Aufrechterhaltung langfristiger Beziehungen am Arbeitsplatz, so die Theorie der Wissenschaftler. Da Mobbing zu gestörten Mitarbeiterbeziehungen und deshalb zu einer hohen Fluktuation führt, stehe die Beziehungspflege der zukunftsorientierten Kulturen im Einklang mit der Nicht-Akzeptanz von Mobbing.

Über die Studie

Die Wissenschaftler befragten rund 1.500 ehemalige und aktuelle MBA-Studenten aus 14 Ländern. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 32 Jahre. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer arbeiteten in Führungspositionen und waren im Durchschnitt fünf Jahre bei dem gleichen Arbeitgeber angestellt. Leider gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, inwieweit Mobbing in deutschen Unternehmen akzeptiert wird und welche kulturellen Prinzipien dahinter stecken könnten – denn Mitteleuropa stand nicht im Fokus der Untersuchung.

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