Leitsatz (amtlich)
1. Der Ergebnisabführungsvertrag im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses verpflichtet nicht zur Abführung des Abwicklungsgewinns.
2. Ein Ergebnisabführungsvertrag, nach dem die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinn an den Mehrheitsgesellschafter abzuführen hat, beeinträchtigt daher den Vermögenswert der Anteile des Minderheitsgesellschafters, deren gemeiner Wert bei der Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung zu ermitteln ist, grundsätzlich nicht.
2. Dagegen rechtfertigt die Ertraglosigkeit der Anteile des Minderheitsgesellschafters einen Abschlag vom Vermögenswert der Anteile.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Stpfl.) - eine AG -, deren Aktien zu rd. 97 % der V-AG gehören, erwarb durch notariellen Vertrag vom 18. Februar 1949 auf Grund einer Vereinbarung vom 12. Mai 1948 von einer anderen Tochtergesellschaft der V-AG einen Geschäftsanteil von 94 000 RM an der B-GmbH zum Preis von 30 000 RM. Der niedrige Kaufpreis wurde zum Teil mit den weitgehenden Kriegsschäden der B-GmbH, vor allem aber damit begründet, daß zwischen der B-GmbH und der V-AG, der die übrigen Geschäftsanteile an der B-GmbH gehörten, ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag (EAV) bestehe. Der EAV wurde in der Gesellschafterversammlung der B-GmbH vom 22. Mai 1951 erneut bestätigt, da die Urkunde des Vertrags in Verlust geraten war. Nach diesem Vertrag wird die B-GmbH ausschließlich für Rechnung der V-AG tätig und hat unter Ausschluß eigener Gewinne und Verluste die jeweiligen Gewinne oder Verluste an die V-AG zu übertragen.
Nach der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse anläßlich der Währungsreform betrug die Beteiligung der Stpfl. an der B-GmbH 314 000 DM und entwickelte sich weiter wie folgt:
bis 13.7.1956:
314 000 DM von 1 250 000 DM = 25,12 v. H.
14.7.1956 bis 3.7.1957:
314 000 DM von 1 750 000 DM = 17,94 v. H.
4.7.1957 bis 22.5.1958:
314 000 DM von 2 250 000 DM = 13,95 v. H.
ab 23.5.1958:
314 000 DM von 3 000 000 DM = 10,46 v. H.
Das Absinken des Beteiligungsverhältnisses ist darauf zurückzuführen, daß bei den Kapitalerhöhungen die V-AG mit Zustimmung der Stpfl. allein alle neuen Stammeinlagen übernahm.
Durch notariellen Vertrag vom 15. Februar 1960 veräußerte die Stpfl. die Beteiligung an der B-GmbH zum Buchwert von 300 000 DM, den sie bereits in ihrer DM-Eröffnungsbilanz angesetzt hatte, an die V-AG. Darin erblickte der Revisionsbeklagte (FA) eine verdeckte Gewinnausschüttung. Das FA schätzte den Wert der Beteiligung unter Berücksichtigung einer Mitteilung des für die B-GmbH zuständigen FA, nach der der gemeine Wert der Anteile zum 31. Dezember 1959 auf 200 v. H. festgesetzt wurde, auf 200 v. H. des Nominalbetrags = 628 000 DM. Den Unterschied zwischen diesem Betrag und dem Kaufpreis = 328 000 DM rechnete es als verdeckte Gewinnausschüttung dem erklärten Gewinn der Stpfl. hinzu.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Berufung hin änderte das FG den Körperschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung dahin, daß es die verdeckte Gewinnausschüttung auf 312 300 DM schätzte.
Das FG hat ausgeführt, der von der Stpfl. und der V-AG vereinbarte Kaufpreis von 300 000 DM könne nicht als zutreffender Tagespreis angesehen werden. Der Vermögenswert der Anteile, der nach der Berechnung des FA 130 v. H. betrage, erfahre durch Hinzurechnung des Geschäfts- und Firmenwerts eine wesentliche Erhöhung. Weiter sei zu berücksichtigen, daß auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung ein innerer Wertzuwachs bei den Anteilen an der B-GmbH in der Zeit zwischen dem 21. Juni 1948 und dem Verkaufstag eingetreten sei, der durch die erheblichen Gewinnsteigerungen, die die B-GmbH habe erzielen können, bestätigt werde. Andererseits wirke sich die schwere Verkäuflichkeit ertragloser Anteile in starkem Maße wertmindernd aus. Ihr werde zunächst dadurch Rechnung getragen, daß ein Ertragswert außer Ansatz bleibe. Darüber hinaus sei aber der Zinsverlust zu berücksichtigen, den ein Erwerber der Anteile durch den Einsatz des Kapitals laufend erfahre.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat es das FG für nötig, aber auch für ausreichend erachtet, den nach den Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften (AntBewR) ermittelten Vermögenswert von 130 v. H. um die Hälfte auf 195 v. H. heraufzusetzen.
Die Rb. (Revision) der Stpfl. rügt, daß das angefochtene Urteil auf einem Rechtsirrtum, auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten und auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruhe.
Den Rechtsirrtum sieht die Stpfl. darin, daß das FG die handelsrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung des zwischen der B-GmbH und der V-AG bestehenden EAV und die Auswirkung dieses Vertrags auf den gemeinen Wert der Anteile der Stpfl. an der B-GmbH verkannt habe. Die handelsrechtliche Wirkung eines EAV für das Organ bestehe darin, daß das Organ während der Laufzeit des Vertrags weder Gewinne erzielen noch Verluste erleiden könne. Das im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags vorhandene buchmäßige (handelsbilanzmäßige) Reinvermögen des Organs bleibe also von da an grundsätzlich unverändert. Für den Organträger habe das keine Auswirkung auf den Wert seiner Beteiligung, da ihm die Ergebnisse des Organs zwar nicht im Weg der Gewinnausschüttung, aber doch im Weg der Gewinnabführung zuflössen. Dagegen könnten die Anteile eines Minderheitsgesellschafters an dem Organ während der Dauer des EAV weder wertvoller noch weniger wert werden, als sie zu Beginn des Vertrags gewesen seien, wenn nicht etwa in der Zwischenzeit dem Minderheitsgesellschafter eine Dividende garantiert werde. Das gelte auch, soweit in dem Vermögen der B-GmbH stille Reserven oder ein Geschäfts- und Firmenwert oder sonst ein "innerer Wertzuwachs" enthalten seien. Denn solange diese Werte nicht realisiert würden, kämen sie der Stpfl. nicht zugute. Bei ihrer Realisierung träten sie als Teil des Gewinns in Erscheinung und seien auf Grund des EAV an die V-AG abzuführen. Dies gelte auch dann, wenn die Realisierung erst in der Liquidation der B-GmbH erfolge.
Aus diesen Gründen habe der Verkauf der Anteile an der B-GmbH zum Buchwert völlig der Sach- und Rechtslage entsprochen.
Erwerb und Veräußerung der Anteile müßten außerdem als Einheit gesehen und gewertet werden. Die Stpfl. habe die Anteile im Jahr 1949 nur im Interesse der V-AG und der B-GmbH erworben, um die Gefahr einer Beteiligung ostzonaler Stellen an der B-GmbH abzuwenden. Von diesem Standpunkt eines Gefälligkeitserwerbes aus sei es verständlich, daß die Stpfl. keine Einwendungen gegen den bestehenden EAV zwischen der B-GmbH und der V-AG erhoben habe, daß sie sich an den Kapitalerhöhungen nicht beteiligt habe und daß sie schließlich bei Veräußerung der Anteile an die V-AG für eine Gefälligkeit, die sie ganze 30 000 RM = 3 000 DM gekostet habe, jedenfalls nicht mehr als den Buchwert von 300 000 DM gefordert habe. Dieser Kaufpreis sei großzügig bemessen gewesen und auch von den Minderheitsgesellschaftern der Stpfl. gebilligt worden.
Den wesentlichen Verfahrensmangel sieht die Stpfl. darin, daß das FG den gemeinen Wert der Anteile ermittelt habe, ohne einen Sachverständigen zu hören.
Die Stpfl. beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zutreffend geht das FG davon aus, daß im Streitfall eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, wenn und soweit der Kaufpreis von 300 000 DM für die Anteile an der B-GmbH, die die Stpfl. an ihre Mehrheitsgesellschafterin, die V-AG, durch notariellen Vertrag vom 15. Februar 1960 veräußerte, unangemessen niedrig war (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG, § 19 Ziff. 6 KStDV). Die Prüfung dieser Frage setzt voraus, daß der Wert der veräußerten Anteile ermittelt wird. Dafür gelten, soweit die Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts nichts anderes bestimmen, die allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes (§ 1 BewG a. F.). Nach §§ 10, 13 Abs. 2 BewG a. F. ist bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften der gemeine Wert zugrunde zu legen. Dieser wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BewG a. F.). Da sich im Streitfall der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten läßt, ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der B-GmbH zu schätzen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F.). Das geschieht in der Weise, daß zunächst der Vermögenswert der Anteile ermittelt und dann im Hinblick auf die vorhandenen oder fehlenden Ertragsaussichten berichtigt wird.
Der Vermögenswert der Anteile wird durch den Wert des Gesamtvermögens der B-GmbH bestimmt, das auf die veräußerten Anteile in dem Verhältnis entfällt, in dem der Nennbetrag dieser Anteile zum Nennbetrag des Stammkapitals der Gesellschaft steht (§§ 5, 14 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Das folgt aus § 72 Satz 1 GmbHG, der bestimmt, daß das Vermögen der Gesellschaft im Fall der Auflösung unter die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zu verteilen ist. Der EAV zwischen der B-GmbH und der V-AG ändert daran nichts. Denn es ist nicht richtig, daß durch diesen Vertrag die Anteile der Stpfl. an der B-GmbH, was ihre Beteiligung am Vermögen dieser Gesellschaft betrifft, auf das bilanzmäßige Reinvermögen der B-GmbH im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des EAV beschränkt worden seien, weil das darüber hinausgehende Vermögen im Fall der Realisierung, sei es auch erst im Zeitpunkt der Abwicklung, auf Grund des EAV allein der V-AG zufließe.
Wird die Organgesellschaft aufgelöst, so bestehen zwar die von ihr abgeschlossenen Verträge und damit auch ein EAV weiter, da die Gesellschaft, wenn auch mit verändertem Zweck, im Zeitraum der Abwicklung fortbesteht (Scholz-Fischer, Kleinkommentar zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Anm. 2; Hachenburg-Schmidt, Kommentar zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Anm. 2). Die Verpflichtung der Organgesellschaft zur Abführung des Gewinns wird jedoch durch die Auflösung der Organgesellschaft beendet. Da der EAV zwischen Gesellschaften vor ihrer Auflösung (Erwerbsgesellschaften) geschlossen und der Fall der Auflösung der Organgesellschaft in der Regel nicht in Betracht gezogen wird, ist er so auszulegen (§§ 133, 157 BGB), daß er auf die Abführung des Gewinns einer Erwerbsgesellschaft gerichtet ist. Dafür spricht auch der Zusammenhang des EAV mit dem Organschaftsverhältnis, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch, gleich einer Geschäftsabteilung, in das andere Unternehmen eingegliedert ist (§ 3 GewStDV). Der EAV im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses ähnelt dem Fall, daß sich eine Gesellschaft verpflichtet, ihr gewerbliches Unternehmen für Rechnung der anderen Gesellschaft zu betreiben. Diese Verpflichtung steht auch handelsrechtlich einem Gewinnabführungsvertrag gleich, wie § 291 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 ausdrücklich klargestellt hat. Sie kann eine Gesellschaft nur treffen, solange diese überhaupt noch ein auf Erwerb gerichtetes Unternehmen betreibt. Das ist nach ihrer Auflösung nicht mehr der Fall. Durch die Auflösung wird aus der Erwerbsgesellschaft eine Abwicklungsgesellschaft. Ihr Zweck ist nicht mehr auf Erwerb, sondern auf "Selbstvernichtung in gesetzlich geregelter Weise" gerichtet (v. Godin-Wilhelmi, Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 203 Anm. II 1).
Hinzu kommt folgendes: Der auf Grund eines EAV abzuführende Gewinn wird in der Regel auf Grund des Jahresabschlusses der Organgesellschaft unter Beachtung der dafür geltenden handelsrechtlichen Vorschriften über den höchstzulässigen Wert ermittelt (§§ 41, 42 GmbHG). Dafür spricht auch die Bestimmung des vorliegenden EAV, daß die "Überschüsse aus der Jahresrechnung", "die jeweilige Gewinn- oder Verlustziffer aus ihrem Rechenwerk" auf die V-AG zu übertragen sind. Ein Gewinn oder Verlust nach den handelsrechtlichen Vorschriften über die Jahresbilanz wird aber im Zeitraum der Abwicklung nicht mehr ermittelt. Denn für die Abwicklungsbilanzen der Gesellschaft (§ 71 GmbHG) gelten, da sie nicht der Ermittlung des verteilbaren Gewinns, sondern der Ermittlung des verteilbaren Vermögens dienen, andere Bewertungsgrundsätze als für die Jahresbilanzen der Erwerbsgesellschaft (Adler, Die Abwicklungsbilanzen der Kapitalgesellschaft, 2. Aufl., S. 31 ff.). Insbesondere gelten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr als obere Grenze für die Bewertung. Die Vermögensgegenstände sind vielmehr mit ihrem voraussichtlichen Veräußerungswert anzusetzen oder können jedenfalls mit diesem Wert angesetzt werden. Das gleiche gilt, wie sich aus § 14 Abs. 2 KStG, §§ 1, 10 BewG a. F. ergibt, im Steuerrecht (vgl. auch Urteil des BFH I 246/62 U vom 14. Dezember 1965, BFH 84, 420, BStBl III 1966, 152).
Schließlich durfte der EAV zwischen der B-GmbH und der V-AG rechtlich gar nicht bestimmen, daß auch "der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn", wie ihn das Steuerrecht nennt (§ 14 Abs. 1 KStG), an die V-AG abzuführen sei. Denn dieser Gewinn, der sich vor allem aus der Auflösung stiller Reserven bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern im Zuge der Abwicklung ergeben kann, ist kein verteilbarer Reingewinn (§ 29 GmbHG), sondern gehört zu dem Vermögen der Gesellschaft, das nach §§ 72, 73 GmbH nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile an die Gesellschafter zu verteilen ist (Hachenburg-Schmidt, a. a. O., § 69 Anm. 8). Auf diese Abwicklungsquote haben die Gesellschafter einen Anspruch, der nur durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch nachträgliche Satzungsänderung mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter eingeschränkt werden kann (§ 72 Satz 2 GmbHG; Scholz-Fischer, a. a. O., § 72 Anm. 4; Hachenburg-Schmidt, a. a. O., § 72 Anm. 5). Handelsrechtlich ist daher der sog. Abwicklungsgewinn in Wahrheit kein "Gewinn", sondern "Vermögen", so daß auch begriffliche Erwägungen dagegen sprechen, auf ihn einen Gewinn abführungsvertrag zu erstrecken. Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags der B-GmbH über einen Ausschluß oder eine Beschränkung des den Gesellschaftern nach § 72 Satz 1 GmbHG zustehenden Rechts auf Verteilung des Vermögens nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile liegen unstreitig nicht vor. Da nicht anzunehmen ist, daß sich die B-GmbH und die V-AG als Vertragsparteien des EAV über das gesetzliche Gebot des § 72 Satz 1 GmbHG hinwegsetzen wollten, der Inhalt des EAV vielmehr gegen diese Annahme spricht, braucht der Senat nicht zu prüfen, welchen Einfluß die Verletzung dieser Vorschrift oder die Anwendung des § 310 BGB (vgl. Urteil des Reichsgerichts II 96/41 vom 30. März 1942, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 169 S. 65 [83]) auf die Wirksamkeit des EAV hätte.
Das neue AktG, auf das die Stpfl. verweist, spricht nicht für, sondern gegen die Auffassung, daß der EAV auch den im Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinn erfaßt. Nach § 301 AktG 1965 kann eine Gesellschaft als ihren Gewinn höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuß, vermindert um den Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der nach § 300 AktG 1965 in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, abführen. Aus dieser Umschreibung ergibt sich, daß nur ein Betrag gemeint sein kann, der nach den Vorschriften über den Jahresabschluß der Erwerbsgesellschaft ermittelt wird (§§ 148 ff. AktG 1965). Diese Vorschriften gelten aber im wesentlichen nicht mehr für die Eröffnungsbilanz und den Jahresabschluß der Abwicklungsgesellschaft (§ 270 AktG 1965). Insbesondere finden die Vorschriften über die Wertansätze in der Jahresbilanz keine Anwendung. § 301 AktG 1965 hat aber gerade den Sinn, die Abführung höherer Gewinne, als sie sich bei Anwendung der für die Jahresbilanz der Erwerbsgesellschaft geltenden Bewertungsvorschriften ergeben, zu unterbinden und damit einer Aushöhlung der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft vorzubeugen. Den Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG 1965) auch auf den im Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinn zu erstrecken, stünde daher mit dem Wortlaut und mit dem Zweck des Gesetzes im Widerspruch.
Eine andere Frage ist, ob der Vermögenswert der Anteile an der B-GmbH im Zeitpunkt der Veräußerung an die V-AG deshalb durch den EAV zwischen der B-GmbH und der V-AG beeinträchtigt war, weil die V-AG auf Grund dieses Vertrags und der Beherrschung der B-GmbH in der Lage war, in gewissem Umfange die stillen Reserven der B-GmbH im Laufe der Zeit aufzulösen und auf sich zu übertragen. Der Senat verneint auch diese Frage. Einmal waren die Möglichkeiten der V-AG in dieser Richtung dadurch beschränkt, daß nach dem Vertrag, wie ausgeführt wurde, das Ergebnis nach der Jahresbilanz abzuführen war, in der eine Auflösung stiller Reserven durch Zuschreibungen oder unterlassene Abschreibungen nur bis zur Höhe der Anschaffungsoder Herstellungskosten möglich gewesen wäre (§ 42 GmbHG, § 133 Nr. 3 AktG 1937, der insoweit als Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung auch für die GmbH gilt, § 6 KStG, § 6 EStG). Außerdem bestand im Streitfall nach den bisherigen Erfahrungen keine Gefahr, daß die V-AG die stillen Reserven der B-GmbH nach und nach durch Veräußerung auflösen und auf diese Weise den EAV als Mittel zur Aushöhlung der B-GmbH mißbrauchen werde. Soweit ersichtlich, hat die V-AG das Wachstum der B-GmbH in keiner Weise zu beeinträchtigen versucht, sie hat es vielmehr durch mehrere Kapitalerhöhungen gefördert.
Der Senat kommt somit zu dem Ergebnis, daß der EAV zwischen der V-AG und der B-GmbH am Tag der Veräußerung zu keiner Minderung des Vermögenswertes der Anteile der Stpfl. an der B-GmbH führt.
Dagegen kann dieser Vertrag nicht ohne Auswirkung auf den gemeinen Wert der Anteile bleiben, wenn wie es das Gesetz vorschreibt, auch die Ertragsaussichten berücksichtigt werden. Denn ein fremder Käufer der Anteile würde den Betrag, der dem Vermögenswert der Anteile entspricht, zum Erwerb dieser Anteile nur dann aufwenden, wenn die Anteile einen Ertrag versprechen, der mindestens der marktüblichen Verzinsung des Kapitals entspricht. Insoweit enthält Abschn. 79 VStR 1966 einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auf der wirtschaftlichen Erfahrung beruht und auch für die Bewertung im Rahmen der Ermittlung einer verdeckten Gewinnausschüttung gilt. Ein Erwerber der Anteile der Stpfl. an der B-GmbH hätte aber wegen des EAV auf längere Sicht keinen Ertrag erwarten können. Er wäre zwar an die Zustimmung der Stpfl. zu dem EAV nicht gebunden gewesen. Nur durch förmliche Änderung des Gesellschaftsvertrags und Eintragung dieser Änderung in das Handelsregister hätten die Anteile der Stpfl. an der B-GmbH auch mit Wirkung gegenüber jedem Erwerber von der Beteiligung am Gewinn der B-GmbH ausgeschlossen werden können (§§ 23, 54 GmbHG; Scholz-Fischer, a. a. O., § 14 Anm. 2; Ballerstedt, Der Betrieb 1956 S. 837 [839]). Daß dies geschehen sei, behauptet die Stpfl. selbst nicht, sie meint nur - im Widerspruch zu § 54 Abs. 3 GmbHG -, der EAV sei dadurch wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftsvertrags geworden, daß er von allen Gesellschaftern der B-GmbH unterzeichnet worden sei. Aber die rechtlichen Möglichkeiten für den Erwerber der Anteile, die Benachteiligung durch den EAV zu beseitigen, wären nach geltendem Recht so gering gewesen, daß jeder Erwerber der Anteile bei der Bemessung des Kaufpreises davon hätte ausgehen müssen, daß er - ebenso wie die Stpfl. selbst (BFH-Urteil I 261/63 vom 16. März 1967, BFH 89, 208, BStBl III 1967, 626) - längere Zeit vom Gewinn der B-GmbH ausgeschlossen sein würde (vgl. Ballerstedt, a. a. O.).
Daraus folgt, daß bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile der Vermögenswert eine Minderung wegen fehlender Verzinsung des im Kaufpreis festgelegten Kapitals erfahren muß. Die Besonderheit des Streitfalles, daß der Käuferin der Anteile deren Ertrag auf Grund des EAV schon bisher zufloß und weiterhin zufließen wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn der V-AG brachte die Hingabe des Kaufpreises für die Anteile jedenfalls keine zusätzliche Verzinsung, die sie aber hätte erzielen können, wenn sie das Kapital in anderer Weise angelegt hätte.
An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, daß die Ertraglosigkeit der Anteile an der B-GmbH auf einem Organschaftsverhältnis mit EAV beruht. Nach dem BFH-Urteil III 352/59 U vom 29. März 1963 (BFH 77, 19, BStBl III 1963, 324) führt die Verpflichtung einer Organgesellschaft zur Abführung ihres Gewinns nicht dazu, daß die Organgesellschaft bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an ihr als ertraglos anzusehen ist. Es kann auf sich beruhen, ob diese Auffassung dazu führt, daß auch bei der Bewertung der Anteile eines Minderheitsgesellschafters, der durch den EAV zwischen Gesellschaft und dem Mehrheitsgesellschafter ganz von der Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft ausgeschlossen ist, diese Tatsache - bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des gemeinen Wertes oder bei der Vermögensteuerveranlagung - unberücksichtigt bleibt. Denn die allgemeinen Vorschriften des BewG gelten, wie ausgeführt, nur, soweit das Körperschaftsteuerrecht nichts anderes bestimmt. Wenn nach § 19 Nr. 6 KStDV im Streitfall eine verdeckte Gewinnausschüttung insoweit vorliegt, wie die Stpfl. Anteile an der B-GmbH an ihre Gesellschafterin, die V-AG, zu einem "ungewöhnlichen" Preis verkauft hat, so wäre es mit den Tatsachen des Lebens unvereinbar, bei der Ermittlung des "gewöhnlichen" Preises, das heißt des Preises, der angemessen war, außer acht zu lassen, daß die Anteile wegen des EAV auf längere Sicht ertraglos waren.
Die besonderen Umstände und Beweggründe, die nach dem Vorbringen der Stpfl. zum Erwerb der Anteile an der B-GmbH durch die Stpfl. geführt haben, können den gemeinen Wert der Anteile nicht beeinflussen. Denn sie haben zu keinen rechtlichen Beschränkungen, die den erworbenen Anteilen anhafteten, geführt. Sie sind auch nicht geeignet, einen niedrigeren Kaufpreis, als er dem gemeinen Wert der Anteile entspricht, der V-AG gegenüber gerechtfertigt erscheinen zu lassen, da die Stpfl. nicht verpflichtet war, der V-AG bei der Bemessung des Kaufpreises entgegenzukommen.
Von diesen rechtlichen Grundsätzen ist im wesentlichen auch das FG ausgegangen. Insoweit ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Das FG hat jedoch den Vermögenswert und den Abschlag wegen Ertraglosigkeit der Anteile durch freie Schätzung ermittelt. Die dagegen erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Das FG hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 243 Abs. 1 AO a. F., § 76 FGO). Eine Schätzung nach § 217 AO ist dabei nicht ausgeschlossen, kommt aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung nur in Betracht, wenn die Möglichkeiten einer Beweisaufnahme über den gemeinen Wert der Anteile erschöpft sind. § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F. sagt zwar, der gemeine Wert der Anteile sei unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragslage der Gesellschaft zu schätzen. Das führt aber jedenfalls in einem Rechtsstreit über die Frage der verdeckten Gewinnausschüttung nicht zu einer Abweichung von dem Grundsatz, daß die freie Schätzung nach § 217 Abs. 1 AO nur ein subsidiäres Mittel der Tatsachenfeststellung darstellt.
Die Sache geht daher wegen Verletzung der §§ 243 Abs. 1, 217 Abs. 1 AO a. F. an das FG zurück. Das FG wird den Wert des Gesamtvermögens der B-GmbH und damit den Vermögenswert der veräußerten Anteile mit Hilfe eines Sachverständigen ermitteln und den Abschlag vom Vermögenswert wegen Ertraglosigkeit der Anteile genauer berechnen (Zinssatz, Dauer der Ertraglosigkeit), es sei denn, daß die Beteiligten unter Beachtung der rechtlichen Erwägungen dieses Urteils über den gemeinen Wert der Anteile übereinstimmende Erklärungen abgeben, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlaß besteht (vgl. BFH-Urteil I 82/56 U vom 14. August 1956, BFH 63, 322, BStBl III 1956, 321).
Fundstellen
BStBl II 1968, 105 |
BFHE 1968, 370 |