Ende des De-riskings? Deutsche Industrie hält an China als Hauptlieferant fest
Deutsche Unternehmen setzen in der Mehrheit weiter auf Beschaffung aus China
Auch wenn ein gewisser Anteil von deutschen Unternehmen das De-risking eingeleitet hat und fortsetzen will, bekennen sich mehr als die Hälfte zum Beschaffungsmarkt China! Das ist das Kernergebnis einer Studie des Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) an der Frankfurt School of Finance & Management. Fast 57% der Firmen gaben an, dass man in 2024 mindestens ein ähnliches Beschaffungsvolumen (bewertet in Euro) aus China bezogen hat wie in 2020. Davon hat jedes zweite Unternehmen sogar deutlich mehr Waren oder Rohstoffe aus China beschafft als noch vor fünf Jahren. Und auch bis 2030 soll sich daran wohl wenig ändern. 53,4% der Studienteilnehmer wollen dann mindestens einen ähnlichen Umfang an Gütern aus China beziehen, darunter sogar 26,2%, die etwas bzw. deutlich mehr in China einkaufen wollen. Das Thema De-risking hat also deutlich an „Schwung“ verloren.
Abhängigkeit von China weiter vorhanden
Es überrascht daher nicht, welchen Anteil die Beschaffung aus China am Gesamteinkauf inzwischen bei den Studienteilnehmern ausmacht.
- In 2024 beschafften knapp 40% der von uns befragten Unternehmen (39,4%) 20% oder mehr des gesamten Einkaufsvolumens (bewertet in Euro) aus China.
- Ein knappes Drittel (32,4%) der Teilnehmer bezogen sogar mehr als 25%.
- Fast ein Fünftel (19,7%) deckten 30% und mehr des gesamten Einkaufsvolumens mit Waren aus China ab!
Chinesische Unternehmen sind daher die wichtigsten Wertschöpfungspartner für viele deutsche Unternehmen der produzierenden Industrie.
Mit Blick auf die geplanten Beschaffungsvolumina von 2025 bis 2030 dürfte sich an den Zahlen nicht viel ändern. Auch deshalb nicht, weil viele Teilnehmer ähnliche Trends („hin zu China“) bei den Wettbewerbern sehen. An der Stelle noch der Hinweis, dass die o.g. Prozentzahlen nur eine erste, relativ grobe Indikation für Abhängigkeit darstellen. Denn daraus geht nicht hervor, wieviel Prozent im Notfall relativ schnell auf andere Regionen verlagert werden könnte. Für eine genaue Bewertung der „China Abhängigkeit“ bedarf es unternehmensindividueller Analysen.
Nachholbedarf bei Risikomanagement und Resilienz
In der Studie ging es konkret auch um die Frage, ob und welche De-risking Strategien die Unternehmen hinsichtlich Abhängigkeiten von chinesischen Unternehmen verfolgen. Auch wenn eine breitere Mehrheit diverse De-risking-Massnahmen eingeleitet und umgesetzt hat, gaben knapp ein Viertel der Teilnehmer (23,3%) an, über keine De-risking Strategie zu verfügen. Mit Blick auf die Wertschöpfungskette kam diese Antwort sogar von 28,4% der sog. OEM (Original Equipment Manufacturer), also den Unternehmen, die am Anfang der Zulieferkette stehen wie zum Beispiel Maschinenproduzenten!
Abhängigkeiten von Regionen oder einzelnen Ländern oder Unternehmen bezüglich der Supply Chain prägt auch die Resilienz der Lieferketten. Daher wundert es nach den oben beschriebenen Studienergebnissen nur wenig, dass nach Einschätzung der Studienteilnehmer sich die Resilienz der eigenen Lieferketten in den letzten Jahren nicht verbessert hat. Bei fast einem Drittel der Firmen (31,4%) hat sich die Resilienz der Lieferkette von 2020 bis 2024 sogar verschlechtert, was sicher auch zum Teil durch die nach wie vor großen Abhängigkeiten von chinesischen Unternehmen erklärt werden kann.
Zum Hintergrund
In den frühen 2020er Jahren wurde den Verantwortlichen in der deutschen Wirtschaft mit einem Schlag klar, wie abhängig man hinsichtlich der Lieferketten von China wirklich war. Viele Güter kamen aufgrund von Krisensituationen wie der Corona-Pandemie oder der Sperrung des Suez-Kanals verspätet und zu deutlich höheren Kosten in Europa an. Versorgungsengpässe, etwa bei bei Industriechips wurden mehr und mehr zur Regel. Der Russland-Ukraine Krieg löste dann noch eine politische Diskussion um Abhängigkeiten Deutschlands aus (Stichwort Energieversorgung bzgl. Russland), mit dem allgemeinen Tenor, dass man dies in Zukunft doch verhindern müsse. Trotz Krisen und Abhängigkeitsdebatten erreichte der Handel mit China (inklusive Handelsdefizite) jedoch ausgerechnet in den Pandemiejahren 2020 bis 2022 einen Höchststand und in vielen Bereichen deuteten sich Abhängigkeiten an (bzw. bestanden bereits wie bei seltenen Erden).
Vor diesem Hintergrund formulierte die damalige Bundesregierung im Jahr 2023 eine China-Strategie für Deutschland, in deren Kern es um das sogenannte De-risking geht, also um Maßnahmen zur Verringerung der Abhängigkeit vom „systemischen Rivalen“. Unternehmen prüften und initierten dann auf der Beschaffungs- und Lieferkettenseite Maßnahmen zur Reduzierung der Abhängigkeiten von chinesischen Herstellern. Das Ziel war hierbei Wertschöpfungsschritte oder die Teilebeschaffung in andere Regionen außerhalb Chinas zu verlagern (sog. China+1 Ansatz) bzw. komplett nach Europa oder sogar nach Deutschland zurückzuholen (sog. re-shoring oder auch near-shoring).
Über die Studie
Aus Sicht von Wissenschaft und Praxis stellte sich in 2025 folgende Frage: Was wurde mit dem De-risking erreicht? Hat sich die deutsche Industrie signifikant neu aufgestellt und die China-Abhängigkeiten reduziert oder siegte der Pragmatismus sowie das Effizienzstreben und man hat tatsächlich trotz aller Beteuerungen und Strategien wenig verändert?
Genau hier setzt die neueste Studie des Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) an der Frankfurt School of Finance & Management an. Die Studie hat den Fokus auf den Stand der Beschaffung und der Lieferketten im Kontext China und der geplanten Entwicklung bis ins Jahre 2030. An der Studie nahmen 137 Manager aus produzierenden Unternehmen aus dem deutschen Sprachraum teil, und zwar von Kleinunternehmen unter 500 Mitarbeitern bis hin zu großen Konzernen.
Die Autoren:
Prof. Dr. Ronald Gleich ist Academic Director des Centre for Performance Management & Controlling der Frankfurt School of Finance & Management, Leiter der Ideenwerkstatt des Internationalen Controller Vereins sowie Mitgründer der Podcastreihe „Controlling-Vordenker“.
Kontakt: r.gleich@fs.de
Dr. Nils Gimpl ist wissenschaftlicher Assistent am Centre for Performance Management & Controlling der Frankfurt School of Finance & Management.
Kontakt: n.gimpl@fs.de
Dr. Holger Schober ist Mitglied der Geschäftsführung der Fa. Hiteco Limited und dort verantwortlich für Verkauf und Hiteco International und externer Partner des Centre for Performance Management & Controlling der Frankfurt School of Finance & Management.
Kontakt: holger.schober@hiteco.com.cn
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