Zuweisung der Wertbeiträge muss "gerecht" sein

Die angemessene Aufteilung der monetären Ergebnisse einer Wertschöpfungspartnerschaft unter den Kettenmitgliedern ist die vielleicht anspruchsvollste Aufgabe für den Value Chain Controller. Denn nur wenn die geschaffenen Werte auf die Mitglieder "gerecht", also entsprechend der Verursachung oder zumindest einvernehmlich, zugerechnet werden können, macht die Wertschöpfungskette wirklich Sinn: Wie schon ausgeführt, erlaubt es prinzipiell erst eine solche Zurechnung jedem Kettenmitglied, seinen Beitrag zum wirtschaftlich besseren Abschneiden einer Wertschöpfungskette gegenüber herkömmlichen Organisationsformen klar zu erkennen. Kein wirtschaftlich Handelnder wird sich einer Wertschöpfungskette anschließen (wollen), sich ihr gar unterstellen, wenn dies nicht mit der Aussicht auf einen materiellen Vorteil für ihn verbunden ist. Dieser kann nur in einer eindeutigen Zurechnung, und i. d. R. auch in einem kassenmäßigen Zufluss, der Wertbeiträge beim Einzelnen ausgedrückt werden.

 
Praxis-Beispiel

Value Chain Management bei Benetton

Ein praktisches Beispiel für eine Gewinn- bzw. Wert-Zurechnungsphilosophie liefert der italienische Modebekleider Benetton: Er delegiert arbeitsintensive Teile des Produktionsprozesses an etwa 350 "Subkontrakt-Unternehmen", die zwar rechtlich selbstständig, aber von Benetton wirtschaftlich abhängig sind, weil sie kein vollständiges Produkt liefern. Zusätzlich kontrolliert Benetton weiterhin den gesamten Produktionsprozess durch die Durchführung der zentralen und technologisch anspruchsvollen Phasen. Im Unterschied zu anderen Herstellern garantiert er jedoch den Netzwerk-Lieferanten einen vereinbarten Anteil am erwirtschafteten Gewinn der von ihm gesteuerten Wertschöpfungskette.[1]

Überzeugende Ansätze fehlen

Die Fachliteratur bietet bisher zur Aufteilung der Wertbeiträge nur wenige bis keine Lösungsansätze. Das Grundproblem ist, dass es keine Marktpreise für den Beitrag eines einzelnen Kettenglieds gibt und eine Abkehr von der Denkweise im Zusammenhang mit klassischen Verrechnungs- bzw. Transferpreisen notwendig ist. Auch "cost plus"-Ansätze passen nicht mehr ins Bild. Zu beachten ist zusätzlich, dass – insbesondere bei langen Wertschöpfungsketten – noch nicht am Markt realisierte Gewinne bzw. Wertbeiträge eine Rolle spielen können: Erst wenn ein Produkt an den Endkunden verkauft ist, hat es im Idealfall Wert für die gesamte Kette geschaffen. Erst dann ist theoretisch eine Verteilung der geschaffenen Werte möglich.

In der Praxis wird man – schon zur Lösung der Finanzierungsproblematik bei den einzelnen juristischen Einheiten der Wertschöpfungskette – nicht darum herumkommen, die Verteilung des geschaffenen Werts in zwei Stufen vorzunehmen: Zunächst eine, ggf. recht willkürliche, Zurechnung und Bezahlung kalkulatorisch vorläufig ermittelter Erträge und später eine "Korrektur" durch Ab- und Nachschläge, um die "richtigen" Wertbeiträge widerzuspiegeln, wenn sie denn berechnet werden konnten. Ein Grenzfall wäre sicherlich die Erstattung der (einheitlich definierten) Vollkosten an jeden Teilnehmer einer Wertschöpfungskette im ersten Schritt und eine spätere Verteilung bzw. Verrechnung positiver oder negativer Wertbeiträge. Denkbar sind solche Verrechnungen und Zahlungen in den verschiedensten Formen, z. B. auch im Rahmen eines "Pools", der nach Auszahlung aller Wertbeiträge aufgelöst wird, der aber auch der gezielten Überkreuzfinanzierung der Teilnehmer dienen könnte.

 
Achtung

Verteilung des Cashflows

Zu bedenken ist hier, dass unter Cashflow-Gesichtspunkten eine schnelle, ggf. vorläufige Verteilung der Erlöse bzw. Roherträge an die Ketten-Beteiligten oder aber eine Vorab-Verteilung der Erträge mit nachfolgender Adjustierung notwendig ist. Sollte ein Pool als gesellschaftsrechtliche Einheit konzipiert werden, wären die Folgen steuerrechtlicher Art für die Beteiligten zu bedenken, z. B. bei einer Gewinnzurechnung mit Steuerpflicht bei den Beteiligten.

Aufteilungskriterien noch zu entwickeln

Solche Vorschläge sind aber nur "Technik", denn es bleibt zunächst die Frage nach der gerechten Aufteilung des geschaffenen Werts innerhalb der Kette zu beantworten. Wie gesagt, gibt es hierfür bisher nur rudimentäre Vorstellungen. Kraus gibt z. B. ein zweidimensionales Schema für eine Aufteilung der Gewinne im Automobilsektor als Ex-ante-Vorstellung wieder.[2] Es ist zu vermuten, dass in der Praxis ein solches Schema von der Verhandlungsstärke der Teilnehmer beeinflusst würde – und damit könnte es Akzeptanzprobleme bei den "schwächeren" Kettenmitgliedern verursachen (s. Abb. 2).

Abb. 2: Profit-Pool in der automobilen Wertschöpfungskette[3]

 
Achtung

Wenn starke Partner ihre Position ausnützen …

Fachlich unschön und wenig motivierend ist es, wenn die führenden Partner einer Value Chain den anderen Mitgliedern Preise für ihre Leistungen "einräumen", die diesen eine auskömmliche "Marge" lassen und eine etwaige restliche Wertschöpfung vom führenden Partner vereinnahmt wird. Diese ...

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