Die Vorgehensweise bei der Einführung von TCO-Analysen soll am Beispiel einer Fallstudie aus Sicht des Einkaufs verdeutlicht werden.[1]

[1] Vgl. dazu ausführlich Hurkens et al. (2006).

3.1 Ausgangssituation und Zielsetzung

Der Fall Carglass

Die Firma Carglass ist eine Tochterfirma von Belron International, einem Spezialisten für den Austausch oder die Reparatur von defekten oder beschädigten Windschutzscheiben, Heckscheiben und Glas für Fahrwerksteile. Die Reparaturwerkstätten von Carglass umfassen Standorte in mehreren Ländern Europas. Die Glasscheiben werden weltweit von sieben bevorzugten Lieferanten eingekauft, wobei der größte Anteil auf zwei Lieferanten entfällt. Die Lieferanten beliefern alle europäischen Verteilungszentren, von wo aus die Reparaturwerkstätten bedient werden. Aufträge, die während des Tages eingehen, werden am nächsten Morgen an die Werkstätten ausgeliefert. Aufgrund von Qualitäts- und Lieferproblemen hat Carglass seine rein auf dem Einkaufspreis basierende Lieferantenauswahl überarbeitet und eine Analyse der gesamten Wertschöpfungskette durchgeführt. Dabei konnten u. a. Kosten für Expresslieferungen auf mangelnde Glasqualität zurückgeführt werden. Daraufhin hat die Geschäftsleitung entschieden, TCO als Grundlage für die Entscheidungsfindung im Einkauf einzuführen. Zudem wurde TCO als Teil des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zur Reduzierung der gesamten Kosten in der Supply Chain genutzt.

Das Ziel des TCO-Projekts war die Erstellung eines Tabellenkalkulationswerkzeugs

  • zur Ermittlung der TCO beim Einkauf von Glas,
  • zur Unterstützung von Einkaufs- und Supply-Chain-Prozessverbesserungen sowie der jährlichen Quotenverteilung und Verhandlung mit den Hauptlieferanten.

Das Logistikzentrum wurde als Pilotprojekt für die Einführung von TCO ausgewählt. Als Projektleiter wurde der strategische Einkaufsleiter benannt und zusätzlich ein Business-Analyst dem Projekt beigestellt, um das Problem der Datenermittlung im Rahmen von TCO-Projekten zu lösen.

3.2 Ablauf

Ursprünglich sollte die gesamte Wertschöpfungskette vom Lieferanten bis zum Endkunden betrachtet werden. Bereits in einer ersten Voruntersuchung auf Basis von Supply-Chain-Performanceberichten wurde jedoch erkannt, dass der Abwicklungsprozess zwischen Logistikzentrum und Reparaturwerkstatt relativ einfach in Bezug auf logistische und administrative Abläufe sowie weitestgehend lieferantenunabhängig ist. Außerdem wurde erkannt, dass die meisten Kosten bei Lieferantenproblemen in der Beziehung zwischen Lieferant und Logistikzentrum entstehen und losgelöst von den Reparaturwerkstätten sind. Daher wurde die Untersuchung auf die Prozesse und entstehenden Kosten zwischen Lieferant und Logistikzentrum konzentriert.

Prozesslandkarte

Zunächst wurde eine Geschäftsprozessanalyse zur Ermittlung aller für den Glaseinkauf und die Glaslieferung an das Logistikzentrum relevanten physikalischen und administrativen Abläufe durchgeführt. Im nächsten Schritt wurden die Kostentreiber ermittelt, um die Kosten den Kostentreibern zuordnen und die Verrechungssätze der Kostentreiber berechnen zu können. Dies wurde u. a. durch Untersuchungen zur Ermittlung der physikalischen Abläufe mittels Interviews der verantwortlichen Mitarbeiter und Manager verschiedener Abteilungen und Vor-Ort-Studien der einzelnen Aktivitäten erreicht. Für Finanz- und Leistungsdaten wurden verschiedene Systeme und Datenbanken sowie Reports, z. B. Lieferantenbewertungssystem, ERP-System von Carglass, untersucht. Es wurde ein erstes Modell zur monetären Bewertung von TCO ermittelt. Die betrachteten Kosten im Einkaufsprozess umfassen dabei Akquisition, Erhalt, Besitz, Nutzung und Entsorgung der Ware. Der Bezugsrahmen beschreibt drei Aktivitätsebenen, auf denen die Kosten im Einkaufsprozess auftreten, zugeordnet und zusammengefasst werden können:

  • lieferantenbezogene Aktivitäten, z. B. Kosten der Lieferantenfindung und -qualifizierung,
  • auftragsbezogene Aktivitäten, z. B. Wareneingangskontrolle einer Lieferung,
  • stückbezogene Aktivitäten, z. B. Materialkosten.

Im vorliegenden Fall wurden nur die wesentlichen Kostenkategorien, die z. B. große Unterschiede zwischen den einzelnen Lieferanten aufweisen, berücksichtigt. Das Ziel ist es, alle wesentlichen zu berücksichtigenden Einflussfaktoren im Rahmen der TCO-Analyse in einem monetären Wert auszudrücken. Das resultierende Modell wurde anschließend im Rahmen einer internen "Roadshow" diskutiert und optimiert.

Das Modell wird zur Lieferantenverbesserung in Bezug auf Zeitvorlauf bei Markteinführung neuer Produkte "time to market" und Bestandsreduzierung genutzt. Weiterhin wurde es zur Kommunikation mit Lieferanten eingesetzt, um die Veränderung von Lieferquoten zu erklären und Verbesserungen anzuregen, sowie untergeordnet zur Verhandlung von Preisreduzierungen. Die Daten zur Aktualisierung des Modells wurden in den monatlichen Supply-Management-Bericht integriert, um Kosteneinsparungen verfolgen zu können.

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