Autoren: Jörg Hanken, Ron Dorward

Am 3. Dezember 2020[1] und am 14. Juli 2021[2] veröffentlichte die deutsche Finanzverwaltung zwei neue BMF-Schreiben, mit denen sie ihre Interpretation der Gesetzesänderungen (z. B. § 1 AStG) darlegt und mit denen sie einige "alte" BMF-Schreiben ersetzt hat. Einzelne Passagen stellen Verschärfungen dar. Auch wenn die BMF-Schreiben für Gerichte und Steuerpflichtige rechtlich nicht bindend sind, enthalten sie dennoch auch für Steuerpflichtige viele praxisrelevante Hinweise.

Was sind die wesentlichen praxisrelevanten Änderungen der VG 2020?

Inhaltlicher Schwerpunkt der VG 2020 sind die allgemeinen und erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abgabenordnung (AO) sowie die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO. Ebenfalls wurden durch die neuen VG 2020 die Verfahrensregelungen der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005 zum Teil aufgehoben.

Die – nach unserer subjektiven Einschätzung – wesentlichen und teilweise sehr weitreichenden Änderungen in den neuen BMF-Schreiben werden im Folgenden kurz tabellarisch vorgestellt und kritisch gewürdigt.

 
BMF-Schreiben Wesentliche Inhalte Kritische Würdigung
VG 2020
Mitwirkungspflichten (Tz. 1 bis 8) Überblick über die allgemeinen Mitwirkungspflichten (§ 90 AO) sowie deren gesonderte verfahrensrechtliche und gesetzliche Ausgestaltungen. Im Wesentlichen im Einklang mit bisheriger Praxis. Interessant ist der Hinweis, dass ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nicht von den Mitwirkungspflichten entbindet.
Erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten (Tz. 9 bis 24) Weitere Einzelheiten zu den Anforderungen an Steuerpflichtige, Informationen über grenzüberschreitende Transaktionen zu liefern, auch wenn diese Informationen von einer ausländischen verbundenen Partei besessen werden. Zu den wichtigsten Aspekten gehört die Erörterung der Art von Informationen, die bereitgestellt werden müssen (d. h., dass dies auch E-Mails und andere Formen der elektronischen Kommunikation umfassen kann), dass Steuerzahler sicherstellen sollten, dass sie relevante Informationen erhalten, sowie Kommentare zu Situationen, in denen der Steuerzahler ein Anteilseigner des ausländischen Unternehmens ist oder eine Einzelperson Funktionen in beiden Unternehmen innehat usw. Die Tatsache, dass die Steuerpflichtigen bei der Beschaffung von Informationen über solche grenzüberschreitenden Transaktionen mitwirken müssen, ist nicht neu. Eine wichtige Änderung ist die weit gefasste Definition der relevanten Kommunikation, die auch E-Mails und andere elektronische Nachrichten umfasst. In Anbetracht der potenziell riesigen Datenmengen, des Datenschutzes und des Konzepts der Verhältnismäßigkeit sollte im Einzelfall unbedingt geprüft werden, welche rechtlichen Maßnahmen man gegen zu hohe Informationsanforderungen umsetzen kann.
Mitwirkungspflichten – VP-Dokumentation (Tz. 25 bis 66) Kommentare zu den Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation im Allgemeinen sowie im Besonderen in Bezug auf die Sachverhalts-, die Angemessenheitsdokumentation und das Master File. Danach wird auch auf den Zeitpunkt und die Vorlage der VP-Dokumentation eingegangen. In Tz. 35 steht, dass für die Erstellung der Aufzeichnungen die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse in dem Zeitpunkt maßgeblich sind, in dem der Vertrag für den Geschäftsvorfall abgeschlossen worden ist. Tz. 41 enthält Beispiele für Funktionswerte und Risiken, die für bestimmte Tätigkeiten besonders relevant sein können, wobei zu berücksichtigen ist, wer die entsprechenden Risiken tatsächlich verwaltet. In Tz. 46 wird davon ausgegangen, dass die Finanzverwaltung selbst über die richtige Methode entscheiden kann und der Steuerpflichtige die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen muss. In Tz. 52 wird davon ausgegangen, dass die Verrechnungspreisleitlinien ebenfalls Teil der Verrechnungspreisdokumentation sind. Die meisten Anmerkungen weichen nicht wesentlich von dem bisherigen BMF-Schreiben ab. Die Konzentration auf einen Ex-ante-Ansatz ist ebenfalls nicht neu, schließt aber einen Outcome-testing-Ansatz zum Nachweis des Fremdvergleichscharakters der Verrechnungspreise nicht völlig aus. Die Annahme, dass die Finanzverwaltung die richtige Methode auswählen kann und der Steuerpflichtige die notwendigen Informationen liefern soll, ist sehr weitreichend. Es ist unklar, wie genau eine Methode der BP als wahrscheinlich richtiger charakterisiert werden kann. Darüber hinaus sieht die GAufzV explizit vor, dass ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen für nur eine Methode erstellen soll. Ebenfalls sieht die GAufzV nur ein Wahlrecht bzgl. der Aufnahme der VP-Richtlinie vor. Es erscheint daher fraglich, inwieweit einige Anforderungen in der VG 2020 gesetzlich gedeckt sind.
Schätzung von Besteuerungsgrundlagen und Zuschlägen (Tz. 67 bis 91) Erörterung der Umstände, unter denen die deutsche Finanzverwaltung das zu versteuernde Einkommen schätzen kann, einschließlich Beispielen, wann die VP-Dokumenta...

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