Die große Verletzlichkeit globaler Lieferketten zwingt den Einkäufer dazu, die Situation rund um die Versorgung mit Gütern aus fernen Teile der Welt intensiv zu beobachten. Nur wenn frühzeitig erkannt wird, dass der Lieferfluss gestört sein könnte, kann ebenso frühzeitig reagiert werden. Wer dies schneller tut als seine Mitbewerber, der hat auf dem Markt bessere Chancen. Die Kennzeichen einer drohenden Störung müssen also für jede Lieferkette individuell bekannt sein, um mit Controllinginstrumenten eine wirksame Überwachung aufbauen zu können.

Indikator Preise

Wenn sich auf dem globalen Markt Nachfrage oder Angebot verändern, reagiert der Preis. Wird z. B. das Angebot aufgrund von politisch angeordneten Fabrikschließungen verknappt, steigt der Preis. Sinkende Preise deuten auf eine entspannte Marktsituation hin. Der aktuelle Marktpreis für ein Gut zeigt die aktuelle Lage. Diese Information kommt jedoch bereits zu spät. Aussagefähiger sind die Preise, die in Verträgen mit zukünftiger Lieferung verlangt werden. Dort zeichnet sich die Erwartung aller Marktteilnehmer an die kommende Entwicklung ab. Steigen für zukünftige Lieferungen die Preise wesentlich und stärker als üblich an, ist das ein Zeichen für eine erwartete Störung.

 
Hinweis

Weite Datenbasis

Bei der Preisbeobachtung nur auf eigene Preisverhandlungen zu setzen, ist unzureichend. Die Informationen kommen zu spät und sind bestimmt durch die individuelle Beziehung zwischen Lieferant und Einkäufer. Die Datenbasis muss weiter sein, ein umfassendes Bild des Marktes abgeben, also auch Börsenpreise, Erfahrung von Mitbewerbern und Handelsnotierungen umfassen.

Indikator Verfügbarkeit

In vielen Fällen kommt es bereits lange vor einer allgemeinen Knappheit von Gütern zu Unregelmäßigkeiten in der Verfügbarkeit:

  • Abgesprochene Liefermengen werden reduziert,
  • die bestellten Mengen werden verspätet geliefert,
  • die vereinbarte Qualität wird durch Produkte mit niedrigeren Qualitätseinstufungen nicht erreicht.

Solche Ereignisse deuten auf Mengenprobleme hin. Dabei ist es gleichgültig, ob die Ursachen für die mangelnde Verfügbarkeit in schlechten Ernten, politischen Einflussnahmen auf Produktions- und Liefermengen oder fehlenden Lieferkapazitäten liegen.

Über diese eigenen Erfahrungen des Einkäufers hinaus spielt die Marktbeobachtung eine wichtige Rolle. Ernteberichte lassen Rückschlüsse auf die Verfügbarkeit von natürlichen Rohstoffen oder deren Verarbeitungsprodukte zu. Berichte über Fabrikschließungen, Katastrophen im Liefergebiet oder Veränderung der Ausrichtung von bisherigen Lieferanten führen zu Einschätzungen der Liefersituation.

Die Verfügbarkeit von Gütern ist allerdings nicht nur von der Angebotsseite bestimmt. Veränderungen der Nachfrage haben ebenso einen Einfluss. Gibt es z. B. neue Anwendungsmöglichkeiten für einen Rohstoff, wird sich die Nachfrage vergrößern. Solche Veränderungen gibt es auf allen Ebenen der Lieferketten. Aktuell steigt die Nachfrage nach Halbleitern auf der ganzen Welt, weil die Nachfrage nicht nur nach E-Autos, sondern auch nach vielen anderen elektronischen Geräten gestiegen ist. Solche Entwicklungen fließen in die Beurteilung der Verfügbarkeit ein.

Indikator Umfeld

Die Beobachtung von Preisen und Verfügbarkeiten gehört zum Tagesgeschäft des Einkäufers. Für eine globalisierte Beschaffung müssen diese wesentlich intensiviert und systematisiert werden. Neu dagegen ist, dass sich auch das Umfeld der Lieferbeziehungen negativ auf die Zuverlässigkeit der Belieferung auswirken kann. Dabei spielt die Politik eine wichtige Rolle, denn viele interessante Partner auf den globalisierten Märkten produzieren in Ländern mit "nicht westlichen" Regierungssystemen. Totalitäre Staaten setzen ihre weltpolitischen Strategien gerne auch durch Druck auf die eigene Wirtschaft um. Immer wieder drohen politisch begründete Sanktionen.

 
Praxis-Beispiel

Krieg in Europa

Welchen Einfluss die Politik auf Lieferketten hat, zeigt aktuell der Krieg in der Ukraine. Die von der EU und anderen westlichen Ländern gegenüber Russland umgekehrt verhängten Sanktionen zerstören Lieferkette, z. B. durch den Ausschluss wichtiger russischer Banken aus dem SWIFT-System. Geschäfte mit Russland sind fast vollständig verboten, der Krieg macht Lieferungen vieler Waren aus der Ukraine schwer bis unmöglich. Obwohl fast niemand mit diesem Ausmaß gerechnet hat, gab es offensichtliche Hinweise auf diese Entwicklung mit der Möglichkeit, Störungen der Lieferungen vorherzusehen.

Hinzu kommt, dass aufgrund gesellschaftspolitischer Entwicklungen in westlichen Industrienationen immer mehr Gesetze die europäischen und vor allem die deutschen Unternehmen in die Pflicht nehmen. So werden mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) deutsche Unternehmen ab dem 01.01.2023 verpflichtet, "menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten mit dem Ziel, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren oder die Verletzung menschenrechtsbezo...

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