Zusammenfassung

 
Begriff

Wer ein gewerbliches Unternehmen kauft, erwirbt damit i. d. R. auch einen dem Unternehmen innewohnenden Wert, den sog. Geschäftswert, auch Goodwill oder Unternehmenswert genannt. Dieser Wert verkörpert eine Reihe von Faktoren, die die Gewinnaussichten des Unternehmens entscheidend mitbestimmen, wie z. B. den Ruf des Unternehmens, seine Kundenbeziehungen oder seine Betriebsorganisation. Entsprechendes gilt beim Kauf einer freiberuflichen Praxis. Hier wird der über den Substanzwert des Betriebs hinausgehende Mehrwert als Praxiswert bezeichnet.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen über die handelsrechtliche Behandlung eines Geschäfts- oder Firmenwerts finden sich in §§ 246, 253, 266, 285, 301 HGB. Steuerrechtlich enthält § 5 Abs. 2 EStG für einen originären Geschäfts- oder Firmenwert ein Aktivierungsverbot. Die Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts in der Handelsbilanz ist in § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB geregelt, die Abschreibung in der Steuerbilanz in § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG. Verwaltungsseitige Erläuterungen finden sich in R 5.5 EStR 2012 und H 5.5 "Geschäfts- oder Firmenwert/Praxiswert" EStH 2022.

1 Geschäfts- oder Firmenwert, Goodwill

Der Wert eines Unternehmens beruht nicht allein auf seiner Vermögenssubstanz, also den materiellen und immateriellen Einzelwirtschaftsgütern (abzüglich der Betriebsschulden). Über diesen Substanzwert hinaus gibt es einen dem Unternehmen als solchem innewohnenden Wert, der im Geschäftsleben als selbständiges Wirtschaftsgut anerkannt und bei Unternehmensveräußerungen entsprechend honoriert wird. Als Synonym für den Begriff "Geschäfts- oder Firmenwert" hat sich in der deutschen Bilanzierungspraxis die aus der internationalen Rechnungslegung adaptierte Bezeichnung "Goodwill"[1] etabliert.

Der Geschäftswert ist Ausdruck der Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind, sondern durch den Betrieb eines lebenden Unternehmens gewährleistet erscheinen. Er wird durch die Gewinnaussichten bestimmt, die losgelöst von der Person des Unternehmers aufgrund besonderer, dem Unternehmen eigener Vorteile (z. B. "guter" Ruf, Kundenstamm, Lieferantenkreis, Einkaufs- und Absatzorganisation, Know-how des Managements und des Personals, Standortvorteile usw.) höher oder gesicherter erscheinen als bei einem anderen Unternehmen mit sonst vergleichbaren Wirtschaftsgütern.[2]

2 Geschäfts- oder Firmenwert in der Handelsbilanz

2.1 Bilanzierungspflicht für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert

Nach § 246 Abs. 1 Satz 4 EStG "gilt" ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2009 beginnen, als zeitlich begrenzt abnutzbarer Vermögensgegenstand. Anders als in den Jahren davor normiert § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB eine Bilanzierungspflicht für den derivativen, also den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB definiert den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert als den "Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt". Mit § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB wird der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert im Wege einer Fiktion ("gilt") zum zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstand erhoben.[1]

Zum selbst geschaffenen – im Unternehmen entstandenen – Geschäfts- oder Firmenwert äußert sich das HGB nicht explizit. Nur der derivative Geschäftswert wurde zum Vermögensgegenstand erklärt. Daraus wird geschlossen, dass ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert nach wie vor einem Aktivierungsverbot unterliegt. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da der Gesetzgeber ansonsten keine Differenzierung zwischen dem entgeltlichen und dem unentgeltlichen bzw. selbst geschaffenen Firmenwert hätte vornehmen müssen.

[1] BT-Drucks. 16/10067 v. 30.7.2008 S. 47.

2.2 Abschreibung in der Handelsbilanz

Aufgrund der Fiktion des § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, wonach ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert als Vermögensgegenstand gilt, unterliegt der derivative Geschäfts- oder Firmenwert auch den Bewertungsregeln des § 253 HGB. Das bedeutet, dass er nach § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB planmäßig und außerplanmäßig nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB abzuschreiben ist.[1]

 
Wichtig

Abschreibungsdauer

Durch das BilRUG[2] wurde eine spezielle Regelung für die Geschäftswertabschreibung in das HGB aufgenommen: Kann in Ausnahmefällen die voraussichtliche Nutzungsdauer eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens nicht verlässlich geschätzt werden, sind planmäßige Abschreibungen auf die Herstellungskosten über einen Zeitraum von 10 Jahren vorzunehmen.[3] Diese Vorschrift findet auf einen entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert entsprechende Anwendung.[4] Diese Regelung ist verpflichtend anzuwenden für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen, also für Geschäftswerte, die nach dem 31.12.2015 erworben wurde...

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