von Siegfried Gänßlen, Vorstandsvorsitzender des Internationalen Controller Vereins

Verrechnungspreise (›VP‹) sind für jede international aufgestellte Firmengruppe auch aus Managementsicht ein sehr bedeutsames Thema. Erstens, weil die konzerninternen Liefer- und Leistungsverrechnungen im Vergleich zum Konzernaußenumsatz eine relevante Größenordnung erreichen und steuerlich unangemessene VP zu empfindlichen Steuer- und Zinsnachzahlungen sowie zu Strafen führen können. Zweitens, weil es herausfordernd ist, interne Strukturen (z. B. Unternehmenssteuerungs-/Anreizsysteme) so aufzubauen und nachhaltig weiterzuentwickeln, dass es gelingt, den Konzerndeckungsbeitrag zu maximieren, um im weltweiten Wettbewerb tagtäglich, aber auch langfristig zu bestehen und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern. Und drittens, weil die aus betriebswirtschaftlicher Sicht richtigen und sinnvollen Entscheidungen im Rahmen der internen Steuerung immer stärker von den weltweit uneinheitlichen Steuergesetzgebungen/-regimen beeinflusst oder sogar konterkariert werden. Dies tritt vor allem bei VP-Themen zutage, bei denen man immer mehr den Eindruck gewinnt, es keinem Staat ›recht machen‹ zu können. Am Ende des Tages sind die Unternehmen der Doppelbesteuerung ausgesetzt, deren Beseitigung äußerst langwierig und kostspielig ist. Hier besteht akuter Handlungsbedarf der Regierungen. Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, dass die OECD im Rahmen der aktuellen BEPS[1]-Diskussion viel stärker auf die doppelte Nichtbesteuerung von Geschäften fokussiert als auf die Entwicklung von praxistauglichen und wirksamen Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Insgesamt ist zu wünschen, dass die Finanzverwaltungen den OECD-Grundsatz ›transfer pricing is not an exact science‹ ernst nehmen, mit Augenmaß prüfen, Zumutbarkeitsgrenzen beachten und keine überzogenen Erwartungen an die Präzision von täglichen konzerninternen Verrechnungen und deren Dokumentation stellen.

Die Planung und die tägliche Umsetzung von VP ist im Unternehmen eine wichtige Aufgabe, die eine enge Zusammenarbeit des Business mit dem Controlling und der Steuerabteilung voraussetzt. Die erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert ein Grundverständnis füreinander, eine gemeinsame ›Sprache‹ und den Willen, die Herausforderungen gemeinsam zum Wohle der Firmengruppe zu lösen. Dies entspricht dem Berufsverständnis des modernen Controllers als Business-Partner. Soweit ersichtlich, befasst sich die Literatur entweder aus Controllingsicht oder aus der steuerlichen Perspektive mit dem Thema VP. Daher ist es sehr erfreulich, dass sich die beiden Autoren, die sich aus langjähriger Zusammenarbeit als Trainer des gemeinsamen Fachseminars ›Verrechnungspreise‹ der Controller Akademie AG kennen, dieses Themas angenommen haben. Das Buch beginnt mit einer ganzheitlichen Betrachtung des VP-Managements von der Strategieentwicklung über den Aufbau der Organisation und Implementierung bis zur Dokumentation und Verteidigung der VP. Hierbei stellen die Autoren einige sehr interessante Fragen, die zum Nachdenken anregen und gleichzeitig zum Verständnisgewinn beitragen. Die VP-Grundlagen werden von Herrn Hanken im Teil B aus steuerlicher Sicht und von Herr Kleinhietpaß im Teil C aus Controllingsicht anhand einer Vielzahl anschaulicher Beispiele erläutert. Teil D ist besonders interessant, weil er auf die Frage der Harmonisierbarkeit von Controlling- und steuerlichen VP eingeht, Steuerungsumsetzungsvarianten anhand von vier konkreten Unternehmen aufzeigt und unterschiedliche VP-Sachverhalte synoptisch aus Controlling- und steuerlicher Sicht gegenüberstellt.

Insgesamt leistet dieses Buch einen großen Beitrag für das bessere Verständnis der VP-Schnittstelle zwischen Controlling und Steuern und es trägt den Untertitel zu Recht, weil durchaus Zielkonflikte bestehen, die teilweise nicht oder nur mit unzumutbar großem systemtechnischem Aufwand gelöst werden können. Ich wünsche dem mutigen Buch, das eine Vielzahl von praxisrelevanten VP-Themen sowohl aus Controlling- als auch aus steuerlicher Sicht beleuchtet, großen Erfolg und dem Leser hohen Erkenntnisgewinn und viel Spaß bei der Lektüre!

Siegfried Gänßlen

CEO Hansgrohe SE

Vorstandsvorsitzender des Internationalen Controller Vereins

[1] BEPS = Base Erosion and Profit Shifting. Der OECD geht es um die Bekämpfung von (aggressiver) Reduzierung der Steuerbemessungsgrundlagen und von Gewinnverlagerungen.

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