Was sind die Prüfungspflichten eines Hostproviders?

Massiv negative Äußerung über Unternehmen oder Selbständige im Netz können geschäftsschädigend, ja existenzbedrohend sein. Einen Hostprovider treffen spezifische Prüf- und Verhaltenspflichten, wenn ihm gegenüber ein Rechtsverstoß wie üble Nachrede im Netz beanstandet wird. Das gilt insbesondere, wenn die Unzulässigkeit der Äußerung gut belegt ist. 

In einer Grundsatzentscheidung hat das OLG Hamburg betont, dass an die Prüfpflichten eines Hostproviders bei behaupteten Rechtsverstößen höhere Anforderungen zu stellen sind als an den Betreiber einer Internet-Suchmaschine, der regelmäßig in keinem rechtlichen Verhältnis zum Verfasser des beanstandeten Beitrags steht.

Mandantin verbreitet im Netz negative Äußerungen über den Rechtsanwalt

Im konkreten Fall war der Antragsteller ein Rechtsanwalt. Über eine vom Antragsgegner bereitgestellte Internet-Konnektivität (Web-Hosting) verbreitete eine Mandantin des Anwalts negative Äußerungen über den Rechtsanwalt. Sie behauptete sinngemäß,

  • der Anwalt habe gewusst, dass sie als seine Mandantin rechtlich keine Chance gehabt habe und deshalb nie vorgehabt, einen von ihr angestrebten Prozess überhaupt zu führen,
  • er habe versucht mit ihrem Namen Geld zu machen und vermutlich 100.000 EUR an Spenden abkassiert,
  • einer „Nazidame“ habe er für einen „erfolglosen Sinnlosprozess“ finanzielle Unterstützung verschafft.

Host-Provider verweigert die Abgabe einer Unterlassungserklärung

Der Rechtsanwalt forderte den Hostprovider auf, diese Äußerungen aus dem Netz zu entfernen. In einer eidesstattlichen Versicherung erklärte er, dass die Äußerungen der Mandantin in vollem Umfange unrichtig seien. Zur Glaubhaftmachung fügte er eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg bei, die seiner Mandantin die Wiederholung der gerügten Äußerungen untersagte. Die vom Hostprovider geforderte Erklärung, zukünftig Veröffentlichungen gleichen oder ähnlichen Inhalts zu unterlassen, gab der Provider nicht ab.

Persönlichkeitsrechte des Antragstellers verletzt

Nach der Bewertung des OLG hatte der Antragsteller mit den gegebenen Hinweisen eine Prüfpflicht des Host-Providers ausgelöst. Sämtliche von dem Antragsteller angegriffenen Äußerungen seien geeignet, den Antragsteller als Rechtsanwalt in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Dies gelte sowohl hinsichtlich der aufgestellten, teils wirren Tatsachenbehauptungen als auch in Bezug auf die herabwürdigenden Meinungsäußerungen, die eine klare Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Antragstellers enthalten hätten.

Hostprovider hätte den Beanstandungen nachgehen müssen

Da die Rechtsverletzungen auf Grundlage der konkreten Angaben des Antragstellers und der vorgelegten einstweiligen Verfügung für den Antragsgegner ohne weiteres erkennbar gewesen seien, hätte er nach der Entscheidung des Senats den Vorwürfen nachgehen und gegebenenfalls eine Stellungnahme der für den Beitrag Verantwortlichen hätte einholen müssen. Der Antragsgegner habe auf die Abmahnung durch den Antragsteller aber erkennbar nichts unternommen, um den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Behauptungen zu überprüfen.

Wiederholungsgefahr durch Erstveröffentlichung indiziert

Das OLG bejahte auch die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese werde durch die rechtswidrige Erstveröffentlichung indiziert. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung waren die Äußerungen größtenteils zwar wieder gelöscht, dies schließt nach Auffassung des OLG aber die Wiederholungsgefahr nicht aus, zumal der Antragsgegner auch die vom Antragsteller geforderte Unterlassungserklärung verweigert habe.

Unterlassungsantrag begründet

Im Ergebnis war der Unterlassungsanspruch des Antragstellers daher gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt.

(OLG Hamburg, Beschluss v. 2.4.2020, 7 W 120/19)

Hintergrund:

Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung die Prüfpflichten des Betreibers einer Internetsuchmaschine (Google) deutlich begrenzt. Diesen träfen erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er

  • durch einen konkreten Hinweis
  • Kenntnis von einer offensichtlichen und
  • auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt.

Ein Rechtsverstoß kann in diesem Sinne auf der Hand liegen bei Fällen von Kinderpornographie, Aufrufen zur Gewalt gegen Personen, offensichtlichen Personenverwechslungen oder bei eindeutiger Schmähkritik (BGH, Urteil v. 27.2.2018, VI ZR 489/16). Für Hostprovider hat das OLG Hamburg die Prüfpflicht in seiner Entscheidung grundsätzlich nach ähnlichen Kriterien, im Ergebnis aber strenger ausgelegt und dies u.a. mit der in der Regel bestehenden Vertragsbeziehung zwischen Hostprovider und dem für die eingestellten Beiträge Verantwortlichen begründet.

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