Anspruch auf Herausgabe der Lebensmittelkontrolldienstberichte

Behörden müssen Verbrauchern auf Anfrage die Kontrollberichte über eine gastronomische Betriebsprüfung herausgeben. Diese können dann auch über das Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Das Geheimhaltungsinteresse geprüfter Gastronomiebetriebe muss hinter dem Informationsinteresse zurückstehen. 

In dem zu entscheidenden Sachverhalt ging es um die Internetplattform „Top Secret“. Es wird gemeinsam von "FragDenStaat", einer Initiative des Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., und "foodwatch e.V." betrieben.

Anfragen nach Ergebnissen der Hygienekontrollen in Restaurants und Lebensmittelbetrieben

Über „Top Secret“ ist es für Verbraucher möglich, über ein Internetformular Anfragen im Hinblick auf die Ergebnisse der Hygienekontrollen in Restaurants und anderen Lebensmittelbetrieben an die Überwachungsbehörden zu stellen.

Berichte der Lebensmittelkontrolldienste werden veröffentlicht 

Die erhaltenen Berichte können auf der Internetplattform der auch Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ziel der Plattform ist es nach eigenen Angaben,

  • „gegen Geheimniskrämerei in Lebensmittelbehörden vorzugehen“
  • und Transparenz in der Lebensmittelüberwachung zu ermöglichen.

Anspruch der Verbraucher auf zeitnahe Zurverfügungstellung der Lebensmittelkontrollberichte

Der Landkreis Lüneburg gab einer im Rahmen dieser Kampagne gestellten Anfrage statt und kündigte die Herausgabe von Kontrollberichten eines in Lüneburg ansässigen Gastronomiebetriebes nach Ablauf von 14 Tagen an. Der betroffene Gastronomiebetreiber erhob daraufhin Klage und beantragte zugleich einstweiligen Rechtsschutz. Diesen Eilantrag lehnte daraufhin das VG Lüneburg ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies nun das OVG Lüneburg zurück, da die Entscheidung der 1. Instanz frei von Rechtsfehlern gewesen sei.

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG) haben die Verbraucher Anspruch auf Zugang zu den Kontrollberichten. Ausreichend, aber auch erforderlich sei es nach den Ausführungen des Gerichts, dass die zuständige Behörde die Verstöße unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt habe. Es müsse sich mithin um tatsächlich und rechtlich gewürdigte Informationen handeln, so das Gericht weiter.

Geheimhaltungsinteresse der Gastronomiebetriebe weniger schutzwürdig

Dem Informationsinteresse des Verbrauchers wird durch den Gesetzgeber durch das  Verbraucherinformationsgesetz ein höheren Stellenwert eingeräumt als dem Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Betriebes über Verstöße gegen lebens- bzw. futtermittelrechtliche Bestimmungen.

Für die Marktteilnehmer ist es, so das OVG Lüneburg, von entscheidender Bedeutung, sich über Unregelmäßigkeiten und Rechtsverstöße zu informieren, um ihre Verbraucherentscheidungen sodann abstimmen zu können. Dies gelte auch für Verstöße, welche nicht unmittelbar zu einer Gesundheitsgefährdung führen.

Das Interesse eines gegen lebensmittel- und futterrechtlichen Bestimmungen verstoßenden Betriebes, dass die Verstöße im Verborgenen bleiben, sei demgegenüber wenig schutzwürdig.

Verbraucherinformationsgesetz dient dem  ungehinderten Zugang zu Informationen

Ausweislich der Gesetzesbegründung diene das Gesetz der Transparenz staatlichen Handelns und dem ungehinderten Zugang zu Informationen, und zwar im Interesse der Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen der Verbraucher am Markt. Dies sehe der Gesetzgeber als wesentliches Element eines demokratischen Rechtsstaates an. Mit diesem Gesetzeszweck stehe es auch im Einklang, wenn die Verbraucher die erhaltenen Informationen mit anderen teilen und diese im Internet der Öffentlichkeit zugänglich machen.

(OVG Lüneburg, Beschluss v. 16.01.2020, 2 ME 707/19).

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Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Verbraucherschutz