Fehlerhafte Verbraucherinformationen rechtfertigen Widerruf

Bei einem Verbrauchervertrag reicht es nicht, dass die Widerrufsbelehrung wirksam ist. Es muss auch ausreichend auf alle Kündigungsmöglichkeiten und die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen werden. Mängel hierbei ermöglichen weit über die 14-tägige Frist hinaus eine Rückabwicklung durch Vertragswiderruf.

Nicht nur die gefürchteten Fehler in der Widerrufsbelehrung ermöglichen dem Verbraucher den Ausstieg aus unattraktiv gewordenen Verträgen. Auch Fehler in den Pflichtangaben erlauben einen Widerruf.

Dem Landgericht Berlin lag folgender Fall eines Autokäufers zur Entscheidung vor:

Gebrauchtwagenkauf im Verbund mit einem Darlehensvertrag

Ein Privatmann erwarb bei einem Autohaus einen gebrauchten VW Touran. Der Pkw hatte zu dem Zeitpunkt 14.100 km auf der Uhr und kostete 22.800 EUR. 8.000 EUR konnte er gleich anzahlen, die restlichen 14.800 EUR finanzierte er über die Bank, die ihm das Autohaus vermittelte. In den Vertragsbedingungen fand sich

  • eine korrekte Widerrufsbelehrung und
  • eine ganze Reihe weiterer Hinweise und Informationen für den Verbraucher,

die der Käufer gegenzeichnete. Seine monatlichen Raten betrugen – inklusive Zins und Tilgung – ca. 450 EUR pro Monat. Mit dem Kfz war alles in Ordnung, dennoch entschied sich der Käufer knapp 2 Jahre und ca. 40.000 gefahrene km später den Darlehensvertrag zu widerrufen. Er verlangte Rückabwicklung und wollte im Austausch gegen den Touran sämtliche von ihm geleisteten Zahlungen zurück.

Widerrufsfrist beginnt nicht zu laufen, wenn Pflichtangaben fehlen

Als Grund für seinen Widerruf sollten mehrere fehlende bzw. unzureichende Hinweise an ihn als Verbraucher dienen. Mehr braucht es für einen Widerruf nicht. Sein anwaltlicher Vertreter pickte vermutete Unzulänglichkeiten heraus und monierte sie vor Gericht. In drei Punkten bekam er Recht und brachte damit den Vertrag zu Fall:

  • Es wurde nicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht des Käufers nach § 314 BGB hingewiesen.
  • Bei einer Kündigung durch die Bank stand nichts zu der von ihr einzuhaltenden Form.
  • Die Berechnungsmethode für eine Vorfälligkeitsentschädigung war nicht konkret genug angegeben.

Kündigungsrecht aus wichtigem Grund muss aufgezeigt werden

Die Bank hatte auf ihr eigenes Kündigungsrecht aus wichtigem Grund hingewiesen, dasselbe Recht des Darlehensnehmers aber verschwiegen. Die Frage, ob der Hinweis auf § 314 BGB zu den wesentlichen Angaben in einer Verbraucherinformation gehört, ist viel diskutiert und wird bundesweit auf Landgerichtsebene unterschiedlich beurteilt. Die Hauptstadtrichter halten diese Angabe für nicht entbehrlich.

Dem Darlehensgeber stehen Zinsen und Wertersatz zu

Im Ergebnis wurden dem Autokäufer seine Anzahlung von 8.000 EUR plus die gezahlten Raten in Höhe von knapp 9.500 EUR zugesprochen. Anrechnen lassen musste er sich

  • die bis zum Widerruf gezahlten Zinsen und
  • den Wertersatz für die Nutzung des Kfz.

Die Nutzung des Fahrzeugs über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren und 40.000 gefahrenen km wollte der Käufer gern unter den Tisch fallen lassen. Da machten allerdings die Richter nicht mit.

Wie wird der Nutzungswertersatz ermittelt?

Maßstab ist die Prüfung des Autos wie sie ansonsten in einem Ladengeschäft üblicherweise ermöglicht wird, also Probefahrt mit roten Kurzkennzeichen oder auf einem nicht-öffentlichen Gelände. Für alles was darüber hinaus geht, ist Wertersatz zu leisten.

Den hat das Gericht nach der sog. Wertverzehrmethode berechnet (gefahrene km x Kaufpreis ./. erwartete Restlaufleistung bei Kauf) und kam auf knapp 4.000 EUR.

Das letzte Wort ist in dieser Sache wohl noch nicht gesprochen. Die Rechtsmittelfrist läuft. Die nächste Instanz wäre das Kammergericht Berlin.

 (LG Berlin, Urteil v. 5.12.2017, 4 O 150/16).

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Praxistipp:  Das Urteil des Landgerichts Berlin zeigt wieder einmal, dass es sich bei Verträgen mit Verbrauchern lohnt, die Verbraucherinformationen akribisch zu erstellen. Der kleinste Fehler kann dem Unternehmer auf die Füße fallen. Vor allem durch den europäischen Einfluss sind die Belehrungs- und Hinweispflichten inzwischen so umfangreich und detailliert, dass es schwierig ist wasserdichte Bedingungen zu erstellen. Es macht hier sicherlich Sinn, die Erstellung einer Anwaltskanzlei zu übertragen. So lassen sich Rückabwicklungen Jahre nach dem Abschluss der Verträge und der damit verbundene Ärger vermeiden.