Hygiene und Infektionsprävention

Seit Auftreten des Coronavirus und der damit einhergehenden Pandemie gibt es sie fast überall: Schilder an den unterschiedlichsten Orten mit Hinweisen, dass auf die Hygiene geachtet werden soll und der Mindestabstand einzuhalten ist. Hinweise zur Hygiene gab es bereits vor dem Coronavirus und doch hat sich einiges verändert.

Die Haufe-Redaktion sprach mit Dr. med. Ernst Tabori, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene über Infektionsprävention, Hygiene und was jeder einzelne tun kann, um damit das Coronavirus einzudämmen.

Was ist Hygiene?

Haufe Online Redaktion: Herr Tabori, als Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Infektiologe (DGI) beschäftigen Sie sich nicht erst seit dem Coronavirus mit dem Thema Hygiene. Was bedeutet denn für Sie Hygiene?

Dr. Ernst Tabori: Die Hygiene ist ein sehr vielfältiges medizinisches Fachgebiet. Eine kurze Antwort auf Ihre Frage ist: Hygiene ist in erster Linie Infektionskontrolle und Infektionsprävention und verfolgt stets das Ziel, Menschen im Krankenhaus und generell in ihrer sozialen Umgebung, ob beruflich oder privat, vor präventablen negativen Einflüssen von außen zu bewahren, um ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit sowie die Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu fördern.

Konkret sind damit insbesondere Maßnahmen gemeint, mit denen Infektionen übertragbarer Krankheiten verhütet und bekämpft werden, unabhängig davon, ob deren Auslöser Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten oder infektiöse Proteine sind.

Infektionsprävention

Haufe Online Redaktion: Die Infektionsprävention gewinnt momentan immer mehr an Bedeutung. Doch auch vor Auftreten des Coronavirus sollte darauf geachtet werden, Infektionen zu vermeiden. Was hat sich nun verändert?

Dr. Ernst Tabori: Infektionsprävention und Hygiene sind eine sehr große medizinische Fachrichtung mit sehr komplexen Zusammenhängen und Vorgängen, die fast alle Felder des Gesundheitssektors, ebenso der gesellschaftlichen und persönlich-privaten Bereiche berühren, jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung meist wenig bewusste Beachtung findet.

Durch die Pandemie getriggert wurde ein allgemeines Interesse am Coronavirus geweckt und damit rücken seit Beginn des Jahres die Mikrobiologie, Virologie und Hygiene als nachgefragte ärztliche Kompetenzen in den Fokus der Medien. Doch selbstverständlich war und ist Infektionsprävention unabhängig vom Coronavirus wichtig und wird es darüber hinaus bleiben – ganz unbeeindruckt davon, ob die Medien sich demnächst ein neues Thema suchen werden oder nicht. SARS-CoV-2 ist im Gesamtkontext letztlich nur ein weiterer viraler Krankheitserreger.

Leider sind der Corona-Pandemie zum Trotz, die anderen, bereits bekannten Infektionskeime, nicht verschwunden oder setzen ihre „Arbeit“ dieses Jahr aus. Spätestens gegen Jahresende werden Grippe, Schnupfen und Co. vollzählig wieder auf der Matte stehen.

Infektionsprävention an unterschiedlichen Orten

Haufe Online Redaktion: Was gibt es zur Infektionsprävention speziell im Büro zu beachten?

Dr. Ernst Tabori: Sofern jemand die aufgetragene Arbeit unabhängig vom Büro-Arbeitsplatz gut erledigen kann, ist Homeoffice der effektivste Infektionsschutz für Beschäftigte und sollte wenn möglich weiterhin beibehalten werden. Selbst wenn man gelegentlich oder zu regelmäßigen Zeiten immer wieder auch vor Ort im Büro ist, senkt jede Reduktion von physischen Kontakten das potentielle Infektionsrisiko.

Ansonsten gilt im Büro prinzipiell alles das, was auch sonst für Aufenthalte in geschlossenen Räumen empfohlen wird. Allen voran mindestens 1,5 m Distanz wahren, Mund-Nasen-Schutz tragen, wenn der nötige Abstand nicht gewährleistet werden kann und die Hände stets am Bedarf orientiert konsequent und mit Seife waschen. Die Räume sind regelmäßig gut zu lüften. Ganz wichtig ist: Jede und jeder, der krank ist oder das Gefühl hat, dass eine Erkältung im Anflug ist, soll unbedingt von zu Hause arbeiten. Den größten Einfluss auf die Infektionsprävention hat der infizierte Mitarbeiter selbst, in dem er in dieser Zeit konsequent so viele Kontakte wie nur möglich vermeidet.

Haufe Online Redaktion: Ist es von Bedeutung, wie der Mund-Nasen-Schutz getragen wird?

Dr. Ernst Tabori: Wie der Name sagt: Mund-Nasen-Schutz. Es müssen Mund UND Nase bedeckt sein. Nur dann entfaltet die Maske ihre volle Schutzfunktion. Es zeugt nicht gerade von einem ausgeprägten Sachverständnis oder großer sozialer Verantwortung, wenn – wie leider sehr häufig zu beobachten ist – Masken albern am Kinn oder mit entblößter Nase getragen werden.

Haufe Online Redaktion: Was gibt es zur Infektionsprävention speziell in der Produktion zu beachten? Inwiefern unterscheidet sich das zum Büro?

Dr. Ernst Tabori: In der Produktion ist Homeoffice in der Regel keine realistische Option. Und selbst die Abstandsregeln können in vielen Situationen tätigkeitsbedingt nicht in ausreichendem Maße befolgt werden. Da gilt es selbstverständlich, stets den Mund-Nasen-Schutz korrekt und ggf. auch ein Gesichtsvisier zu tragen. Unterhaltungen sind einzustellen und auf das wirklich erforderliche Maß zu beschränken. Ganz wichtig: Wer krank ist, muss konsequent zu Hause bleiben.

Missverständnisse bezüglich Hygiene

Haufe Online Redaktion: Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler oder Missverständnisse bezüglich Hygiene?

Dr. Ernst Tabori: Die erforderlichen Hygieneregeln werden den Menschen oft nicht richtig erklärt und der persönliche oder soziale Nutzen nicht personengezielt verständlich vermittelt. Leider mangelt es nicht selten auch am Verständnis und an Sachkompetenz der vermittelnden Stellen. Dann wird nur etwas herunter geleiert oder ein laminiertes Blatt an die Wand gehängt, weil man es muss, aber die Botschaft kommt nicht und schon gar nicht authentisch rüber. Am folgenschwersten ist, wenn Regeln zwar aufgestellt werden, deren Nichtbeachtung aber keinerlei Folgen haben und auch von der Führungsebene nicht gelebt werden.

Ebenso sollte ein nicht begründeter Aktionismus zu falsch verstandener Hygiene unterbleiben.

Haufe Online Redaktion: Können Sie uns da ein Beispiel nennen?

Dr. Ernst Tabori: Auch während der jetzigen Pandemie ist außerhalb von Gesundheitseinrichtungen die angemessene gründliche Reinigung der Räumlichkeiten richtig und ausreichend. Eine zusätzliche routinemäßige Desinfektion von Flächen ist nicht erforderlich und belastet nur unnötig die Atemluft sowie das Abwasser und unsere Fließgewässer.    

Hygienekonzept

Haufe Online Redaktion: Was sollte in einem Hygienekonzept enthalten sein?

Dr. Ernst Tabori: Klare und logisch nachvollziehbare Angaben zum Verhalten und zum Sinn und Zweck der einzelnen Maßnahme. Allgemein gehaltene, aus irgendwelchen Internetforen abgekupferte Phrasen mit schwammigen Angaben sind nicht nur nicht hilfreich, sondern werden schnell durchschaut und sind dann eher kontraproduktiv.

Am besten ist, wenn die aufgestellten Regeln auf den jeweiligen Betrieb bezogen erstellt und einmal kompetent und verständlich vorgestellt werden. Im Anschluss sollten die Beschäftigten die Möglichkeit erhalten, Fragen zu stellen, die direkt beantwortet werden. Es kann für ein Unternehmen unter Umständen hilfreich sein, hierfür auch externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen oder sich zumindest beraten zu lassen.

Tipps zum Umgang mit Hygiene

Haufe Online Redaktion: Haben Sie 3 Tipps zum persönlichen Umgang mit dem Thema Hygiene?

Dr. Ernst Tabori: Einen der wichtigsten habe ich schon genannt: das Kontaktevermeiden, wenn man krank ist. Selbstverständlich sollte zum Eigenschutz ebenso auch der Kontakt zu Personen vermieden werden, die offensichtlich krank sind.

Einen wichtigen Baustein bei der persönlichen Gesundheitsvorsorge stellt die Durchführung der empfohlenen Impfungen dar. In diesem Zusammenhang möchte ich den Wert der jährlich im Herbst angebotenen Influenza- bzw. Grippeimpfung explizit erwähnen und die Durchführung empfehlen. Generell, aber ganz besonders während dieser Pandemiephase sollten wir jede Möglichkeit wahrnehmen, unsere Abwehrkräfte zu stärken. Und hier kann die Grippeimpfung einen ganz wichtigen Beitrag leisten. Manche Arbeitgeber bieten die Impfung ihren Beschäftigten sogar am Arbeitsplatz an. Angenehmer und bequemer geht’s nicht. Die Verantwortung, dieses Angebot auch zu nutzen, liegt folglich bei jedem einzelnen Mitarbeiter.

Generell sind Eigenverantwortung und Compliance der Menschen, die geschützt werden sollen, die wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Infektionspräventionsstrategie. Dazu benötigen die Menschen selbstverständlich alle notwendigen Informationen und eine verständliche Erklärung von kausalen Zusammenhängen. Nur dann können sie entsprechend kompetent das eigene Handeln darauf abstimmen, um sich, ihre Familie sowie Kolleginnen und Kollegen vor einer Infektion zu schützen.


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