Trotz eindeutiger Zahlen, Belege, Hinweise und der gesetzlichen Verpflichtung tun sich nach wie vor viele Arbeitgeber schwer mit der Umsetzung der Ermittlung arbeitsbedingter psychischer Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Die Umsetzung läuft nur schleppend an.

Im Abschlussbericht zum GDA-Arbeitsprogramm Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung (Stand: 5.12.2018) steht, dass etwa ein Drittel der besichtigten Betriebe über eine gute oder sehr gute Gefährdungsbeurteilung verfügt, ein Drittel der Betriebe mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung begonnen und ein Drittel mit der Gefährdungsbeurteilung nicht begonnen hatte. Zusammenfassend lässt sich festhalten, "dass 47,4 Prozent der im GDA-Arbeitsprogramm Psyche aufgesuchten Betriebe nicht über eine Gefährdungsbeurteilung verfügen". Allerdings verbesserten sich die Zahlen nach der Zweitrevision durch das Aufsichtspersonal. Besonders sichtbar sind die Effekte des Aufsichtshandelns bei den besonders kritischen (= ungenügend) Betrieben.[1]

Gründe dafür können sein:

 

1. Generell fehlende Gefährdungsbeurteilung

In nicht wenigen Betrieben existiert nicht einmal eine Gefährdungsbeurteilung, welche die klassischen und altbekannten Gefahren, wie z. B. Lärm, Hitze, Kälte, Gefahrstoffe für die Beschäftigten ermittelt.

 

2. Fehlendes Wissen

Häufig ist fehlendes Wissen die Ursache für Ablehnung, sich mit dem Thema Psychische Belastungen auseinanderzusetzen. Die Psyche ist für viele ein nebulöses Thema und schwer greifbar. Das beginnt schon bei den verschiedenen Begriffen, die in diesem Zusammenhang verwendet und teils missverständlich interpretiert werden.

 

3. Fehlende Expertise

Zu Beginn der neuen Verfügung im Jahr 2013 gab es außer dieser Verlautbarung wenig bis keine Handlungshilfen, wie eine Ermittlung arbeitsbedingter psychischer Belastungen erfolgen kann. Dies führte dazu, dass Arbeitgeber überfordert waren, dem Gesetzgeber Genüge zu tun.

 

4. Hoher Aufwand

Oftmals wurde und wird befürchtet, dass der Aufwand für die Ermittlung arbeitsbedingter psychischer Belastungen unverhältnismäßig groß sei. Dieser Einwand ist bei mangelnder Vorbereitung durchaus gerechtfertigt.

 

5. Furcht vor unangenehmen Ergebnissen

Das Unbehagen, dass bei der Ermittlung arbeitsbedingter psychischer Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung unliebsame Erkenntnisse ans Tageslicht kommen, ist v. a. bei den Unternehmen weit verbreitet, bei denen es tatsächliche Defizite in Zusammenhang mit der Arbeit gibt, wie z. B. eine ungünstige Arbeitsorganisation, mangelnde Mitsprachemöglichkeiten oder eine autoritäre Führung.

 

6. Furcht vor Konsequenzen

Ein weiterer Grund, eine ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung abzulehnen, ist die Befürchtung, dass nach Auswertung der Ergebnisse hohe Kosten auf das Unternehmen oder die Behörde zukommen könnten.

 

7. Furcht vor Meinungsverschiedenheiten mit der Arbeitnehmervertretung

Bestehen Spannungen mit der Arbeitnehmervertretung kann die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die psychischen Belastungen Konflikte noch verschärfen. Es gibt Unternehmen, in denen man sich nicht auf ein Verfahren einigen konnte und dieser Zwist jahrelang vor der Einigungsstelle ausgetragen wurde.

 

8. Furcht vor Ablehnung der Mitarbeiter

Nicht zuletzt machen sich Arbeitgeber auch Gedanken darüber, wie die Belegschaft das Vorhaben aufnehmen wird. Zitat eines Mitarbeiters: "Da kommt jetzt einer und guckt, ob ich bekloppt bin."

 
Wichtig

Die Gründe kennen

Die Gründe zu kennen, die zu einer argumentativen Ablehnung der Ermittlung der arbeitsbedingten psychischen Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung führen, ist Voraussetzung, um Überzeugungsarbeit leisten zu können.

[1] Abschlussbericht zum GDA-Arbeitsprogramm der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung (Psyche), S. 12 und 13.

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