(1) Im Bereich von abwassertechnischen Anlagen werden Tätigkeiten ausgeführt, bei denen Beschäftigte mit Abwasser, Klärschlamm, Materialien und Gegenständen umgehen, die biologische Arbeitsstoffe enthalten oder freisetzen (Aerosole) bzw. denen diese Stoffe anhaften. Prozessbedingt findet eine Vermehrung bestimmter biologischer Arbeitsstoffe statt. Beschäftigte kommen dabei mit biologischen Arbeitsstoffen in Kontakt, ohne dass diese Tätigkeiten auf diese ausgerichtet sind. Die auftretenden biologischen Arbeitsstoffe sind nicht abschließend der Spezies nach bekannt und es kommt zu einer mikrobiellen Mischexposition der Beschäftigten, wobei die Expositionsverhältnisse zeitlich starken Schwankungen unterliegen und auch räumlich sehr unterschiedlich sein können. Definitionsgemäß handelt es sich demnach um nicht gezielte Tätigkeiten im Sinne der BioStoffV.

 

(2) Die Gefährdung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen wird maßgeblich durch deren Eigenschaften sowie Menge, Umfang der Freisetzung und Verbreitung, Art, Dauer und Häufigkeit des Kontakts bestimmt.

  • Das Abwasser und die bei Arbeiten entstehenden Aerosole sind qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlich kontaminiert. Das Spektrum der biologischen Arbeitsstoffe variiert in Abhängigkeit von den Einleitern und den Vermehrungs- bzw. Inaktivierungsbedingungen, die in den Anlagen vorherrschen (Klima, Fließgeschwindigkeit, chemische Zusammensetzung des Abwassers, verfahrenstechnische Gegebenheiten u. a.)
  • Bakterien und Schimmelpilze können sich auch außerhalb von Abwasser abhängig von Umgebungsbedingungen vermehren, so dass ihr Vorkommen und die Konzentration dieser verschiedenen Organismen abhängig sind z. B. vom Arbeitsbereich, Arbeitsverfahren, Arbeitsmanagement und Hygienezustand des Arbeitsplatzes.
 

(3) Die Wege für die Aufnahme und Übertragung von biologischen Arbeitsstoffen sind:

 

1

Aufnahme über den Mund

  • durch Spritzer
  • durch verunreinigte Nahrungsmittel
  • durch Essen, Trinken und Rauchen oder Schnupfen ohne vorherige Reinigung der Hände
  • durch jeglichen Hand-Mund-Kontakt auch über kontaminierte Kleidung oder persönliche Schutzausrüstung
 

2

Aufnahme über die Atemwege (inhalativ)

  • durch Bioaerosole (z. B. Tröpfchen, Stäube)
 

3

Aufnahme über die Haut oder Schleimhäute z. B.

  • durch Eindringen bei Hautverletzungen
  • durch Spritzer in die Augen und Nase
  • bei verminderter Schutzbarriere z. B. durch Nässe aufgeweichte oder erkrankte Haut
  • durch alle Hand-Gesicht-Kontakte
  • durch Kontakt mit kontaminierter Kleidung oder Schutzausrüstung
 

4

Eindringen in tiefes Gewebe (Muskulatur, Unterhautfettgewebe) bei Verletzungen z. B. durch Stich- und Schnittverletzungen mit kontaminierten Geräten

Zu beachten ist, dass viele Infektionserreger nicht nur über einen sondern auch über mehrere der oben genannten Übertragungswege aufgenommen werden können.

 

(4) Es werden infektiöse, sensibilisierende und toxische Wirkungen unterschieden. Während bei den infektiösen Wirkungen die orale Aufnahme im Vordergrund steht, ist bei den sensibilisierenden und toxischen Wirkungen auch der inhalative Aufnahmepfad von Bedeutung. Die sensibilisierenden oder toxischen Wirkungen von Mikroorganismen sind unabhängig vom Infektionspotential in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Hierfür typisch sind Mischexpositionen mit einer Vielzahl allergener und toxischer luftgetragener Komponenten. Bei diesen handelt es sich beispielsweise um Schimmelpilze oder Zellwandbestandteile lebender oder abgestorbener Mikroorganismen wie z. B. Endotoxine von gramnegativen Bakterien. Insbesondere endotoxinbelastete Aerosole gelten als Ursache akuter und chronischer Erkrankungen, wie z. B. von Organic Dust Toxic Syndrome (ODTS) und chronischer Bronchitis (s. Endotoxin-Informationspapier des ABAS). Mit Endotoxinen in deutlich höherer Konzentration im Vergleich zur Außenluft (mehrere 100 EU/m³) ist z. B. bei Reinigungsarbeiten in Kanalbauwerken zu rechnen.

Stäube, die Schimmelpilze enthalten, werden in der TRGS 907 "Verzeichnis sensibilisierender Stoffe" als sensibilisierende Gefahrstoffe bewertet.

Beispiele für Tätigkeiten mit möglicher Exposition gegenüber sensibilisierenden und toxischen biologischen Arbeitsstoffen sind z. B. manuelle Reinigungsarbeiten auf Anlagen und in Bauwerken wie

  • manuelles Ablösen von Anbackungen
  • Hochdruckreinigungsarbeiten
  • Tätigkeiten mit Klärschlamm.
 

(5) Gemäß BioStoffV werden biologische Arbeitsstoffe entsprechend ihrem Infektionsrisiko in Risikogruppen eingeteilt. Im Anwendungsbereich dieser TRBA treten in der Regel biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppen 1 und 2 auf (s. Anhang 1 und 2).

 

(6) Werden Infektionserreger der Risikogruppe 3 nachgewiesen oder besteht ein begründeter Verdacht einer entsprechenden Infektion z. B. durch Stichverletzungen mit entsprechend kontaminierten Spritzen im Rechengut, kann dies jedoch zu einer besonderen Gefährdung für den Menschen führen.

 

(7) Eine Gefährdung aufgrund der Übertragung biologischer Arbeitsstoffe besteht auch durch Nagetiere, Vögel oder a...

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